Herne. Den Immobilienmakler Engel & Völkers verbindet man mit Luxusorten. Jetzt öffnen Clara und Christian Kretzmann einen Standort in Herne.

Die Stadt Herne galt in der Vergangenheit nicht unbedingt als attraktiver Wohnstandort. Das sehen Clara (31) und Christian Kretzmann (35) anders. Sie wollen eine Zweigstelle des Immobilienmakler-Unternehmens Engel & Völkers in Herne eröffnen. Der Standort steht noch nicht fest. Im Gespräch mit WAZ-Redakteur Tobias Bolsmann erläutern sie, warum sie nach Herne kommen.

Frau Kretzmann, Herr Kretzmann, das Immobilienmakler-Unternehmen Engel & Völkers kennt man eher von den Luxusorten auf Mallorca oder von Sylt. Wie kommen Sie ausgerechnet auf Herne?

Christian Kretzmann: Das passt besser zusammen, als man meint. Das Grundkonzept besteht darin, hochwertige Immobilien in gefragten Lagen bestmöglich zu verkaufen. Das heißt nicht nur hochpreisig. Allerdings stimmt es, dass Engel & Völkers eine elitäre Vergangenheit hat. Christian Völkers hat das Konzept aus den USA mitgebracht und zunächst in Hamburg etabliert. Nun ist das Ruhrgebiet nicht Hamburg, wir sind auch nicht in Köln oder Düsseldorf, doch wir haben extrem lebenswerte Wohnräume. Deshalb ist das Unternehmen schon vor über 15 Jahren nach Essen und Dortmund gegangen. Die kleineren Städte wurden aber lange nicht beachtet.

Und deshalb schauen Sie nun auf Herne?

Clara Kretzmann: Zurzeit betreuen wir den Immobilienmarkt in Herne von Bochum aus. Das hat unsere Vorgängerin so gemacht, da lief Herne einfach nebenher. Doch wir nehmen Herne nun ganz gezielt in den Fokus und wollen deshalb auch einen Standort hier eröffnen, weil ein direkter Ansprechpartner vor Ort immer noch am besten funktioniert. Wir wollen dem Kunden ermöglichen, zu Fuß oder mit dem E-Bike vorbeizuschauen. Dazu wollen wir ein ganzes Team aufbauen. Aus jungen und erfahrenen Mitarbeitern, aber auch mit Auszubildenden und Studierenden.

Welchen Eindruck haben Sie von Herne?

Clara Kretzmann: Ich finde Herne super. Ich werde von Berufskollegen zwar manchmal belächelt, aber ich finde es toll, was sich hier in den vergangenen Jahren getan hat.

Verfolgen Sie denn die Entwicklungen in Herne?

Clara Kretzmann: Ja, wir waren zum Beispiel vor wenigen Tagen beim Neujahrsempfang der Stadt Herne. Herne hat großartige Ecken und tolle Gebäude, zum Beispiel die Schaeferstraße. Ich selbst bin hier gerne unterwegs.

Früher galt Herne eher als graue Maus unter den Ruhrgebietsstädten...

Christian Kretzmann ...aber das ist ja falsch. Wer sich in der Innenstadt die Jugendstilfassaden anschaut, der kommt zu einer anderen Einschätzung. Und wenn man das übereinanderlegt mit der Entwicklung und den Plänen für die Zukunft, dann ist das eine extrem gute Kombination. Und die Nachfrage von Kunden, gerade von jungen Familien aus den Nachbarstädten, ist groß.

Herne eine graue Maus? Angesichts der zahlreichen Jugendstilfassaden in der Stadt kommen Clara und Christian Kretzmann zu einer anderen Einschätzung.
Herne eine graue Maus? Angesichts der zahlreichen Jugendstilfassaden in der Stadt kommen Clara und Christian Kretzmann zu einer anderen Einschätzung. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Fragen die Familien gezielt nach Herne?

Clara Kretzmann: Das noch nicht, aber sie sind offen. Die kennen Herne zwar nicht so gut. Aber bei Rahmenbedingungen wie Grün, Spielplätze, eine Innenstadt in Laufentfernung und natürlich ein moderater Quadratmeterpreis bringen wir Herne ins Spiel, weil die Stadt für junge Familien eine Chance ist, zentral zu wohnen, aber nicht im dicksten Trubel. Wir hatten vor gar nicht langer Zeit eine Familie, die eigentlich innerhalb von Bochum etwas Neues gesucht hat, die jetzt aber nach Herne ziehen wird, obwohl sie sich Herne erst gar nicht vorstellen konnte. Das liegt auch daran, dass die Preise in Herne im Vergleich zu den anderen Ruhrgebietsstädten immer noch moderat sind.

Christian Kretzmann: Man kann es aber auch anders ausdrücken: Für dasselbe Geld bekommt man deutlich mehr. Bessere Bausubstanz, großzügigeres Wohnen oder eine bessere Lage.

Wie genau schauen Sie auf die Wohnlagen?

Christian Kretzmann: Wir schließen keine Stadtteile aus, um Objekte in der gehobenen Preiskategorie zu identifizieren. Wir gucken uns nicht nur die Gebäude an sich an, sondern auch die Mikrolage: Wir schauen auf die Infrastruktur wie Supermärkte, Hausärzte oder Schulen, aber auch auf den Zuzug und den Wegzug oder die Leerstände. Das verdichten wir zu Clustern. Diese Gebiete fahren wir ab, um zu schauen, ob es sich um ein aufstrebendes Quartier handelt oder nicht.

Sie kommen aus Dortmund. Hilft das bei der Betreuung?

Beide: Auf jeden Fall. Wir sind keine Schickimicki-Makler, die im Nadelstreifenanzug oder im Kostüm herumlaufen. Wir sind Kinder des Ruhrgebiets. Wir lieben die pragmatische Art, bei der man schnell auf den Punkt kommt. Und wir lieben diese Metropolregion.

Wie entwickelt sich der Immobilienmarkt vor dem Hintergrund von steigenden Zinsen und allgemeiner Unsicherheit denn generell aus Ihrer Sicht?

Christian Kretzmann: Wenn wir die Uhr genau ein Jahr zurückdrehen, dann blicken wir auf einen mehrere Jahre anhaltenden Boommarkt zurück mit Zinsen von unter einem Prozent für eine zehnjährige Finanzierung. Das ist im Laufe des Jahres auf bis zu fünf Prozent gestiegen. Dazu hat sich eine zeitweilige Kreditklemme eingestellt. Bei Haushalten, die zuvor auf Grund ihrer guten Bonität ohne Probleme Finanzierungen zu guten Konditionen bekommen haben, haben die Banken und Sparkassen teilweise erst einmal Stopp gesagt. Das hat sich inzwischen wieder gelöst. Jetzt haben wir den Eindruck, dass viele Kundinnen und Kunden die Immobiliensuche oder den Verkauf nach einer Pause wieder begonnen haben. Auch die Banken scheinen andere Finanzierungsmodelle gefunden zu haben. Und so ist die Zahl der Anfragen heute höher als Anfang 2022. Der Motor ist wieder angesprungen, wobei der Marktpreis für Objekte gesunken ist.

Clara Kretzmann: Ich finde diese Korrektur gesund und überfällig, weil eine junge Familie, die Eigentum sucht, wieder etwas finden kann, weil Objekte auf dem Markt sind. Teilweise wurden ja Mondpreise verlangt.

Welche Faktoren stehen außer dem Preis aus Ihrer Sicht im Fokus?

Christian Kretzmann: der energetische Zustand. In den nächsten fünf bis zehn Jahren müssen rund zwei Drittel der Immobilien, die vor 1990 gebaut worden sind, energetisch saniert werden. Das spielt eine Rolle bei der Preiskalkulation, aber auch bei der Finanzierung durch die Banken. Wer energetisch saniert, bekommt Zuschüsse und meist auch bessere Konditionen, da der Objektwert steigt und Immobilien marktgängiger werden. Das Risiko für alle Beteiligten sinkt.

>>> DAS UNTERNEHMEN

Die Unternehmensgruppe Engel & Völkers wurde 1977 durch Dirk Engel gegründet. Sie ist auf die Vermittlung hochwertiger Wohn- und Gewerbeimmobilien spezialisiert.

Dazu vergibt das Unternehmen Lizenz- und Markenrechte an Dritte. Dabei handelt es sich um selbstständige Immobilienmakler, die ihr Geschäft vollkommen eigenverantwortlich führen, aber im operativen Geschäft von Engel & Völkers unterstützt werden.