Herne. Herne ist bereits seit einigen Jahren Standort für die Produktion von elektrischen Nutzfahrzeugen. Im Spätsommer kommen E-Cargo-Bikes dazu.

Mehr Lastenräder auf Herner Straßen - das ist das erklärte Ziel der Stadtverwaltung. Gut möglich, dass in Zukunft auch Lastenräder der Marke Antric zu sehen sein werden. Sie fahren dann nicht nur über Herner Straßen, sondern werden sogar in der Stadt produziert worden sein.

Das Start-up aus Bochum wird die Produktion seines Cargo-E-Bikes „Antric One“ im Spätsommer von Gerthe nach Wanne-Süd verlegen. Das erzählte Geschäftsführer Eric Diederich im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion. Und er hat weitergehende Ziel für das junge Unternehmen...

Start-up ist eine Ausgründung der Hochschule Bochum

...bei dem es sich um eine sogenannte Ausgründung der Hochschule Bochum handelt. „Wir waren zunächst ein Projekt an der Hochschule“, so Diederich. Seit 2015 habe der diplomierte Mechatroniker mit seinem Team Fahrzeuge gebaut, die eine Mischung E-Bike und Elektroauto gewesen seien. Zu Beginn seien klassische Lastenräder elektrifiziert worden, auch ein Familienbike sei entstanden. In Serie seien diese Räder nicht gegangen, aber durch das Entwickeln und Bauen habe er viel gelernt, so Diederich. „Zuerst hatten wir auch nicht das Ziel, ein Unternehmen zu gründen“, so Diederich. Doch mit der Zeit sei die Erkenntnis gereift, dass es einen Markt für sogenannte Cargo-Bikes gibt. „Wir haben gesehen, dass es Anbieter gibt, die es aber aus unserer Perspektive nicht gut machen.“

Marius Bettentrup bei der Montage des Antric in Bochum-Gerthe. Im Spätsommer zieht die Produktion nach Herne um.
Marius Bettentrup bei der Montage des Antric in Bochum-Gerthe. Im Spätsommer zieht die Produktion nach Herne um. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Dies war auch der Startpunkt der Entwicklung des Modells „Antric One“ (der Name ist eine Kombination der englischen Wörter für Ameise und elektrisch): Diederich und sein Team haben sich die Schwächen bei anderen Anbietern angeschaut und überlegt, wie sie es selbst bauen würden. Einen Prototypen präsentierten die Jung-Unternehmer Logistikern - die Reaktionen seien sehr positiv gewesen. So entstand im August 2020 die Antric GmbH. Inzwischen hat das Start-up die ersten Exemplare verkauft und in Bochum-Gerthe eine kleine Fertigung aufgebaut.

Hauptvorteil soll die Robustheit sein

Doch was sind aus Diederichs Sicht die Stärken des Antric? Der Hauptvorteil sei die Robustheit. Es handele sich zwar um ein Elektrofahrrad, doch darin stecke viel Automobiltechnik, zum Beispiel Bremsen oder Reifen. Die Stabilität sei wichtig, weil sie eine Menge aushalten müssten. Auch das große Ladevolumen sei ein Vorteil. „Wir haben uns jedes Detail angeschaut, wie man es für die Lieferung in Städten optimieren kann“, so Diederich. So gibt es auf der rechten Seite keine Tür, denn die würde nur stören, wenn der Fahrer dutzendfach während einer Tour ein- und aussteigen muss.

Diederich hat in erster Linie Unternehmen als Kunden im Blick, die in Innenstädten ausliefern. In den Citys könnten mit dem Cargo-Bike mehr Pakete zugestellt werden als mit einem Sprinter, obwohl es kleiner ist, erzählt Diederich. Der Grund: Es gehe keine Zeit für Parkplatzsuche verloren, verbotenes Parken in der zweiten Reihe sei auch kein Thema. Die Flexibilität sei einfach höher. Auch im Vergleich mit anderen Elektrofahrzeugen sieht Diederich die „Ameise“ im Vorteil. Das E-Bike müsse nicht Stunden am Ladekabel verbringen, unter dem Fahrersitz befinden sich zwei Akkus, die schnell getauscht werden können - weiter geht’s.

Mittelfristig sollen mehrere tausend Räder pro Jahr produziert werden

Inzwischen sind die ersten Bikes verkauft und es gibt Bestellungen von namhaften Logistikern. Aufgrund der Nachfrage soll das Produktionsvolumen stark gesteigert werden. In den nächsten Jahren sollen, so erklärt Diederich, mehrere tausend Räder pro Jahr produziert werden - und das soll in Wanne-Süd geschehen, beim E-Nutzfahrzeug-Produzenten Cenntro auf dem ehemaligem Heitkamp-Gelände. Schon in diesem Spätsommer soll die Fertigung dorthin verlagert werden.

Cenntro hatte 2022 die Mehrheit an Tropos übernommen, die sich 2020 in Herne angesiedelt hatten. Schon bei Bekanntgabe dieser Partnerschaft im vergangenen Jahr hieß es, dass geprüft werde, ob weitere Produkte in Herne gefertigt werden können. Damit war offensichtlich Antric gemeint, denn nur wenige Monate später verkündete Cenntro, dass das E-Cargobike am Standort in Wanne-Süd gebaut werden soll.

Cenntro ist vom Antric-Erfolg überzeugt

Cenntro übernimmt für 2,5 Millionen Euro 25 Prozent der Anteile an Antric. Peter Wang, Vorstandsvorsitzender der Cenntro Electric Group, ist vom Erfolg überzeugt: „Das Design und die Mobilität des ‚Antric One‘ sind eine einzigartige Ergänzung zu Cenntros Produktlinie elektrisch angetriebener Nutzfahrzeuge. Das Cargobike bietet eine innovative Form des E-Transports, die für eine Vielzahl von Anwendungen geeignet ist. Wir freuen uns darauf, in den kommenden Monaten und in enger Zusammenarbeit mit dem Antric-Team das E-Lastenrad bei Kunden in Nordamerika, Europa und Asien weiter zu vermarkten.“

Auch Diederich bezeichnet die Partnerschaft als Glücksfall. Die Summe ermögliche weitere Investitionen, außerdem bringe Cenntro seine Erfahrung und vor allem seinen weltweiten Vertrieb ein, den Diederich sonst selbst aufbauen müsste.