Hattingen. Lebensmittelspenden, die nur noch Müll sind und Beleidigungen an die Helfer: Immer wieder sind das Probleme bei der Tafel in Hattingen.
Es gibt gute und schlechte Nachrichten von der Tafel in Hattingen. Die gute: Nachdem der Verein im vergangenen Jahr händeringend nach ehrenamtlichen Helfern gesucht hatte, haben sich inzwischen viele gefunden, die den Betrieb der Ausgabestelle für Lebensmittel mit viel Engagement ermöglichen. Dennoch müssen immer wieder Bedürftige weggeschickt werden. Deshalb sieht sich die Tafel mit Vorwürfen konfrontiert.
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„Ich arbeite hier zweimal die Woche ehrenamtlich, weil es mir Spaß macht“, sagt Melanie Schoenen. Schon seit sechs Jahren ist sie dabei. Begonnen hat für sie alles, als sie „vom Amt“ als Arbeitskraft zur Tafel geschickt wurde. „Und dann bin ich geblieben, weil es so viel Spaß macht und Abwechslung bringt“, sagt sie. Auch Sabine Kost und Valentina Horstka unterstützen die Ausgabe der Lebensmittel an Bedürftige. „So kann ich etwas zurückgeben“, freut sich Sabine Kost.

Zurückgeben, das möchten auch andere etwas an die Tafel, die sich seit etwa 25 Jahren für die Menschen in Hattingen einsetzt. So berichtet Tafelvorstand Georg Fink von einem ehemaligen Kunden, der heute zweimal im Jahr Desinfektionsmittel-Spenden vorbeibringt, mit den Worten: „Ich weiß, dass ihr das gut gebrauchen könnt.“
Es sind diese Momente und die Dankbarkeit der Menschen, die die Helfer antreiben. Doch immer häufiger gibt es auch die Momente, die frustrieren, die demotivieren. Nämlich dann, wenn die Ehrenamtlichen angegangen werden, weil sie nicht jedem helfen können.
„Über Obst und Gemüse haben Sie ausgelaufenes Spüli oder Waschmittel. In den Kisten sind Glasscherben. Das können wir nur noch wegwerfen.“
Denn die Versorgung aller Kunden mit Lebensmitteln wird zunehmend schwierig. Seit Jahren gibt es einen Aufnahmestopp bei der Tafel. Und obwohl das Problem bekannt ist, würden von der Stadt weiter Zugereiste an die August-Bebel-Straße geschickt. Wenn dann Menschen angewiesen werden müssen, reagieren die nicht immer verständnisvoll. „Die Stadt hat doch gesagt...“, hören die Ehrenamtlichen häufig.
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Doch inzwischen kommen deutlich weniger Lebensmittel überhaupt bei der Tafel an. Der Grund: Immer mehr Händler verkaufen Waren, die früher an die Tafel gingen, inzwischen lieber selbst - als „Retter-Tüten“ oder ähnliches. Auch die Qualität der Lebensmittel habe deutlich nachgelassen, berichtet Georg Fink, der selbst seit Jahrzehnten dabei ist. „Wir haben zirka 1000 Euro Biomüll-Kosten“, rechnet er vor. Und er erzählt, weshalb diese Kosten explodieren. „Über Obst und Gemüse haben Sie ausgelaufenes Spüli oder Waschmittel. In den Kisten sind Glasscherben. Das können wir nur noch wegwerfen“, bedauert er und will den betroffenen Geschäften dabei nicht einmal Absicht unterstellen.

Auch private Spenden seien oft gut gemeint und doch ein Fall für den Müll. „Jahrelang abgelaufene Konserven können wir einfach nicht abgeben. Auch wir müssen uns ja an Auflagen halten“, unterstreicht Fink.
„Ich melde mich am Telefon schon nicht mehr mit Namen, weil ich keine Lust auf Beleidigungen habe.“
Bei den Geschäften werden die Fahrer tätig. Zwar kontrollierten sie die Kisten bei der Abholung grob, aber vieles kommt erst bei der Sortierung vor der Ausgabe heraus. Dabei habe sich sogar schon ein Mitarbeiter an Scherben verletzt, erinnert sich Fink. Die Läden, bei denen die Qualität derart nicht stimmt, fahren die Tafelwagen zunächst nicht mehr an. „Später probieren wir es noch einmal, ob es besser geworden ist“, sagt der Vorstand.
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Denn auf Spenden verzichten kann die Tafel schlecht. Schon jetzt muss sie oftmals gut 20 Leute wegschicken - etwa die Hälfte derer, die zur Ausgabe kommen. „Und wenn wir sie wegschicken, werden sie böse. Als ob wir Leute aus Jux und Tollerei wegschicken“, ärgert sich Fink. Die Menge der gespendeten Lebensmittel sei kaum kalkulierbar. „Aber wenn genug da ist, verteilen wir es natürlich.“
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„Wir haben auch ganz liebe Kunden“, betont Georg Fink. Doch es gibt auch die anderen - die, die gar kein Verständnis aufbringen. „Ich melde mich am Telefon schon nicht mehr mit Namen, weil ich keine Lust auf Beleidigungen habe“, erklärt Fink. Erst kürzlich erreichte die Tafel ein E-Mail, die bei ihm Fassungslosigkeit hinterließ. Da wird den Mitarbeitern vorgeworfen, unfair zu verteilen. Seit anderthalb Jahren warte der Betroffene auf Hilfe von der Tafel, „bevorzugt“ würden aber immer andere, die seit Längerem schon Unterstützung bekommen. „So lange wir Kunden wegschicken müssen, können wir doch keine neuen aufnehmen“, verdeutlichen die Ehrenamtlichen die Misere.
Spenden an die Tafel Hattingen
Die Tafel in Hattingen befindet sich an der August-Bebel-Straße 21. Die Lebensmittelausgabe ist dort jeweils montags, mittwochs und freitags von 11.30 bis 12.30 Uhr. Die Außenstellen befinden sich am ökumenischen Zentrum in Winz-Baak an der Schützstraße 2 (dienstags 11 bis 12 Uhr), in Welper im Paul-Gerhardt-Haus, Marxstraße 23 (mittwochs 11 bis 12 Uhr) und in der Grundschule Haßlinghausen, Geschwister-Scholl-Straße 6 (freitags 11 bis 12 Uhr).
Kürzlich erhielten die Tafeln im EN-Kreis jeweils 2000 Euro Spenden vom heimischen Energieversorger AVU. Solche Spenden sind für den Betrieb der Tafel neben Lebensmitteln sehr wichtig. Das Auto, mit dem die Lebensmittel abgeholt werden, braucht eine Reparatur. Auch Miete, Stromkosten und die Müllgebühren werden so finanziert. Wer an die Tafel spenden möchte, findet ein entsprechendes Formular und Spendenkonten auf hattingertafel.de/spendenkonto.
Enttäuscht ist die Hattinger Tafel von der Stadt. Schon länger sei über kostenfreie Parkmöglichkeiten für die ehrenamtlichen Helfer gesprochen worden. „Die Stadt und alle Parteien waren hier. Passiert ist nichts“, bedauert Vorstand Georg Fink.