Hattingen. Als Weihnachtsgeschenk kam Didi van Frits aus Hattingen aus dem Waisenhaus. Warum ihm das Engagement für Vielfalt und Demokratie so wichtig ist.

Die Lebensgeschichte von Didi van Frits aus Hattingen hört sich an wie ein trauriger Roman: Aus seiner Biografie weiß er, wie wichtig Demokratie und Vielfalt sind. Für die steht er ein. Und nimmt kritisch Politik, Schule, Gesellschaft unter die Lupe.

Didi van Frits - diesen Namen nutzt der Hattinger, um nicht den Namen seines Nazi-Adoptivvaters tragen zu müssen. Er kam auf der Flucht seiner Mutter, einer Wehrmachthelferin, zur Welt. „1945 hat sie mich auf dem Weg von Prag nach Rügen in Wuppertal hastig geboren und dann in ein Kinderheim gebracht“, sagt er.

Kleinkind im Heim am Bett festgebunden

Zwei Jahre habe er da meist festgebunden an ein Bett verbracht. Woher er das weiß? „Ich bin über Jahre in Therapie gewesen. Dabei seien in ihm auch wieder die Klänge von aneinanderklirrenden Milchblechkannen hochgekommen. Nach 40 Jahren fand er seine Mutter wieder, besuchte sie in der damaligen DDR. Ihre Schuldgefühle danach „haben sie in den Selbstmord getrieben“, berichtet der 79-Jährige.

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Ein hoher Nazi-Befehlshaber holte ihn aus dem Heim - als Weihnachtsgeschenk für seine kinderlose Frau. Die aber wollte das Weihnachtsgeschenk nicht. Und so reichte der Mann das Kind an einen Untergebenen weiter. Er musste den damals Zweijährigen aufnehmen. „Seine Frau hasste mich.“ Und sein Adoptivvater habe ihn „über zehn Jahre rituell geprügelt. Für ihn war ich unwertes Leben.“ Außerdem habe der Mann es „so als KZ-Wächter gekannt. Da wurde sich abends jemand gegriffen, der als Demütigung rituell verprügelt wurde vor den Augen der anderen.“ Denn: Der Mann, berichtet van Frits, sei während des Nazi-Regimes Aufseher in zwei Kinderlagern in Polen und Bayern gewesen.

Hattingen Demokratie Didi van Frits
Didi van Frits aus Hattingen setzt sich für Demokratie ein und hat seine Lebensgeschichte aufgeschrieben. © WAZ | Didi

Rechte Parolen sind Didi van Frits aus Hattingen ein Graus

Didi van Frits sagt, dass ihm der Ausstieg aus der Traumatisierung gelungen sei. Aber: Solche Ideologien wie im Dritten Reich, inklusive der vom unwerten Leben, die will er in der Gesellschaft nicht dulden - und will helfen, dass kein Mensch sich entwertet fühlt. Rechte Parolen und Parteien sind ihm ein Graus. „Dabei leugne ich die Probleme der Zuwanderung nicht“, betont der Hattinger, der zu wenig Respekt vor ausländischen Kulturen bemängelt. In New York traf er eine 1939 aus Hattingen geflüchtete Jüdin, die einst in dem Laden ihres Onkels unweit des Bügeleisenhauses wohnte, „dort, wo jetzt eine Spielhalle ist“.

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In einem Buch hat er jetzt seine Erlebnisse aufgeschrieben - und setzt sich „ironisch und zunehmend pointiert mit Kirche und Militär, Erziehungs-Katastrophen und deutscher Politik auseinander“, berichtet der ehemalige Lehrer aus Hattingen, der aneckte, weil er das Schulsystem kritiserte. „Mit ironischem Abstand“ heißt das Buch mit zehn Kapiteln, in dem es auch um Hattingen geht und das im Kindle Direct Publishing erschienen ist. Es kostet 19,80 Euro.

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Didi van Frits aus Hattingen setzt sich für Demokratie ein und hat seine Lebensgeschichte aufgeschrieben. © WAZ | Didi

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