Gladbeck. Ein Kapitel lokaler Geschichte ist beendet: Das Traditionsgeschäft „Holländer“ in Gladbeck-Zweckel hat seine Tür für immer geschlossen.

Die Schlange ist lang und die Wehmut groß. Ein letztes Mal hat das Haushalts- und Schreibwarengeschäft Holländer an der Feldhauser Straße in Gladbeck-Zweckel geöffnet. Claus Holländer, Neffe des im April verstorbenen langjährigen Ladeninhabers Friedhelm Holländer, bietet alles zu vergünstigten Preisen an. Das Interesse ist groß – nicht nur an einem Schnäppchen, sondern auch an einem letzten Blick ins Geschäft, das wie aus der Zeit gefallen wirkt.

Die Reihe mit den Menschen zieht sich bis auf den Parkplatz hinterm Haus. Nur zehn Kunden dürfen gleichzeitig ins Ladenlokal, hat Claus Holländer mit dem Ordnungsamt vereinbart. Hat jemand seinen Einkauf getätigt, darf der nächste hinein. Peter Glas steht weit hinten in der Schlange und hat noch eine lange Wartezeit vor sich. Er hofft auf Minen für seine Kugelschreiber und auf Staubsaugerbeutel.

Laden war Treffpunkt für Menschen aus ganz Gladbeck

Der Gladbecker gehörte zu den Stammkunden von Friedhelm Holländer. Spielzeug für seine Tochter und Kugelschreiber hat er dort gekauft; und wenn die Uhr eine neue Batterie benötigte, führte ihn der Weg ebenfalls zur Feldhauser Straße. Glas erinnert sich auch daran, dass Friedhelm Holländer schon Ende August die Terminplaner fürs kommende Jahr vorrätig hatte – sehr zur Freude des Kunden. Das Ladenlokal, berichtet Glas, sei ein Treffpunkt für die Menschen gewesen, und zwar nicht nur für die aus Zweckel.

Traditionsgeschäft Holländer in Gladbeck
Vor dem Traditionsgeschäft in Zweckel bildete sich am Freitag eine lange Schlange. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Weiter vorne in der Schlange wartet eine frühere Lehrerin der Jordan-Mai-Schule auf Einlass. Auch die 70-Jährige hat nur beste Erinnerungen an den Einzelhändler. Eine Unterrichtseinheit führte die lernbehinderten Kinder stets zum Einkauf von Blei- und Buntstiften ins Geschäft von Friedhelm Holländer. „Er hat sich so viel Zeit genommen und so viel Geduld gehabt“, erzählt sie.

Friedhelm Holländer verstarb unerwartet im April

Andere in der Warteschlange würdigen das Bemühen des Geschäftsinhabers, die Kundenwünsche zu erfüllen. „Was er nicht vorrätig gehabt hat, das hat er bestellt“, lobt eine 87-jährige Frau, die auf ihrem Rollator sitzend geduldig wartet, um vielleicht noch einen Wäscheständer zu ergattern. Andere wissen zu berichten, dass Holländer älteren Kunden größere Einkäufe auch nach Hause geliefert hat.

Das Ende des alt eingesessenen Zweckeler Geschäftes war im April ganz plötzlich gekommen. Am Samstagnachmittag, erzählt Neffe Claus Holländer, habe sein Onkel noch die Schlussabrechnung für die Woche gemacht, am Abend dann aber einen Herzinfarkt erlitten, an dessen Folgen er 75-jährig gestorben sei.

Traditionsgeschäft Holländer in Gladbeck
Kundin Doris Graw wird bei ihrem letzten Ladenbesuch doch noch fündig. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Claus Holländer ist in der Wohnung über dem Geschäft aufgewachsen. Wenn er nach der Schule nach Hause gekommen sei, dann habe sein Weg stets durchs Ladenlokal geführt. Und das hat sich über die Jahrzehnte nicht verändert. Claus Holländer schätzt, dass die Einrichtung aus den 1960er-Jahren stammt. Selbstbedienung war nicht vorgesehen. Friedhelm Holländer bediente hinter der Theke und wusste ganz genau, wo was zu finden war. Er verkaufte, was die Kunden zu schätzen wussten, auch einzelne Teile und nicht alles im Fünfer- oder Zehnerpack.

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„Zweckel ohne Friedhelm Holländer geht doch gar nicht“

Gleichwohl sei der Laden in den vergangenen Jahren nicht mehr gut gelaufen. Gerechnet habe sich das kaum, sagt der Neffe. Dass Friedhelm Holländer das Geschäft nicht geschlossen habe, sei auch seinem sozialen Engagement geschuldet. Und es war sein Lebenswerk. Anno 1970 hatte Friedhelm Holländer das Geschäft schräg gegenüber der Herz-Jesu-Kirche von seinem Vater, der es 1948 gegründet hatte, übernommen und weitergeführt. Angefangen habe wohl alles als Leihbücherei, berichtet der Neffe, im Laufe der Jahre habe sich das Sortiment immer wieder geändert. Zum Jahresende, erzählt Claus Holländer verschmitzt, habe sein Onkel auch Feuerwerkskörper verkauft. Und all das, was nicht an den Mann gebracht wurde, bekam der Neffe…

Traditionsgeschäft Holländer in Gladbeck
Maximal zehn Personen dürfen gleichzeitig in den Laden. So hat es Neffe Claus Holländer mit dem Gladbecker Ordnungsamt vereinbart. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Viele Beileidsbekundungen habe er nach dem Tod seines Onkels erfahren, sagt Claus Holländer. Es habe noch einmal große Wertschätzung für die Lebensleistung von Friedhelm Holländer gegeben. Auf einer digitalen Gedenkseite findet sich eine Reihe von Eintragungen. „Danke für die Hilfsbereitschaft und einen besonders lauten Wecker, der mich immer an Sie erinnern wird“, heißt es dort. Oder „Zweckel ohne Friedhelm Holländer geht doch gar nicht.“

Samstag öffnet das Geschäfts ein letztes Mal

Doris Graw hat es mittlerweile ins Ladenlokal geschafft. Einen kleinen Wischer hat sie entdeckt – genau in der Größe, die sie sich vorgestellt hat. Und eine Wäscheleine kauft sie auch noch ein. Graw erzählt, dass auch ihre Kinder bei Holländer eingekauft haben. Ab zur Kasse. Beim Bezahlen halten es die Helferinnen und Helfer, die Claus Holländer beim Räumungsverkauf unterstützen, so wie der einstige Geschäftsinhaber. Der Einkauf wird per Hand auf dem Kassenblock mit Durchschlag notiert, bevor sich die Kasse öffnet.

Am Samstag, 28. September, 11 Uhr, öffnet sich die Tür zum Ladenlokal an der Feldhauser Straße ein letztes Mal. Und dann ist „Pötte Holländer“, wie das Geschäft in Zweckel liebevoll genannt worden ist, endgültig Geschichte.

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