Gladbeck. Während des „Barbara-Decision-Hub“ bekamen Schülerinnen einen Einblick in den Arbeitsalltag im Gladbecker Hospital. Das sind die Erfahrungen.

Die Urlaubsreise? Gestrichen. In den Ferien auf der Couch chillen? Keine Zeit. Das Leichtathletiktraining? Nach hinten verschoben. Zehn Gymnasiastinnen und Gesamtschülerinnen aus Gladbeck haben ein Jahr lang neben der Schule ein ganz besonderes Praktikum absolviert. Sie haben den Alltag im St.-Barbara-Hospital kennengelernt, haben bei Operationen zugeschaut, in der Pflege geholfen; sie haben mit Ärzten und Pflegekräften gesprochen und sind für sich in der Mehrzahl zu der Entscheidung gekommen: Ich will Medizin studieren.

Jetzt haben sie zum Abschluss des „Barbara-Decision-Hub“, wie das Praktikum XXL offiziell genannt wurde, ihre Zertifikate erhalten. Sie sind sich einig: Das hat sich gelohnt.

Zehn junge Gladbeckerinnen ergatterten einen Projektplatz

Vor einem Jahr begann für die zehn jungen Gladbeckerinnen das Abenteuer Krankenhaus. Bei einem Auswahlverfahren, bei dem sie unter anderem einem Escape-Room entkommen und sich in der Teamarbeit beweisen mussten, ergatterten sie den Projektplatz. Das St.-Barbara-Hospital kleidete sie mit dem Kasack, der typischen Krankenhauskleidung, ein; sie bekamen die Karte, mit der sich viele der Krankenhaustüren öffnen lassen – und fortan gehörten sie zum Team des Krankenhauses.

+++ Folgen Sie der WAZ Gladbeck auch auf Facebook! +++

In den Ferien arbeiteten sie auf den Stationen mit, Dienstbeginn war dann auch schon einmal um 6 Uhr. Um auch die Geburtshilfe kennenzulernen, machten sie sich auf den Weg zum Marienhospital nach Gelsenkirchen-Buer. Einmal im Monat trafen sie sich zu teils ganztägigen Workshops. „Wir haben viel gelernt“, sagt die 16-jährige Naveena. Und das nicht nur in medizinischer Hinsicht. Sie seien auch in Gesprächen sicherer geworden und hätten viel fürs alltägliche Leben mitgenommen.

Das Zuschauen im OP war ein Highlight

Krönung des Praktikums: das Zuschauen im Operationssaal, zum Beispiel bei einer Schulterarthroskopie. Oder die Begleitung bei einer Herzkatheter-Untersuchung, die die Schülerinnen, weil größtenteils noch keine 18 Jahre alt, von außen über einen Monitor beobachten konnten. Sie kamen nach Ultraschalluntersuchungen mit den Ärzten ins Diagnostik-Gespräch, ob an der Galle oder am Darm der Patienten alles in Ordnung ist.

„Sie haben sich viel um uns gekümmert.“

Almina (17)
über die Betreuung während des Praktikums

Was die 17-jährige Almina begeistert hat: Pflegekräfte, Ärztinnen und Ärzte nahmen sich Zeit für den Austausch mit den Schülerinnen. „Sie haben sich viel um uns gekümmert“, sagt sie. Aber das, so Pflegedirektorin Sabine Erberich, sei auch Sinn und Zweck des Barbara-Decision-Hubs gewesen. Das Projekt, bisher einmalig in Nordrhein-Westfalen, sollte über die ein- oder zweiwöchigen Praktika hinausgehen, die Schülerinnen und Schüler immer wieder im Krankenhaus absolvieren. Wenn sie mit den Patienten ins Gespräch gekommen seien, habe es zumeist lobende Worte für das Engagement gegeben, erzählen die Schülerinnen im Gespräch. „Manche fanden das total cool“, erzählt die 17 Jahre alte Lea.

Zum Abschluss des XXL-Praktikums im St.-Barbara-Hospital Gladbeck hatten sich die Beteiligten viel zu erzählen.
Zum Abschluss des XXL-Praktikums im St.-Barbara-Hospital Gladbeck hatten sich die Beteiligten viel zu erzählen. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Mit den Arztserien aus dem Fernsehen habe der Krankenhausalltag nichts zu tun, konstatieren die Projektteilnehmerinnen in ihrer Bilanz. Die Arbeit sei mitunter sehr anstrengend, so ihre Erfahrung. Und die Schwestern und Pfleger, sagt Kadija (17 Jahre) bekämen nicht den Respekt, den sie verdient hätten. Sie ist die Einzige, die für sich erkannt hat: Ich will nicht in die Medizin. Zu aufreibend, zu stressig sei das Berufsfeld. Sie würde eine Tätigkeit mit mehr Routine bevorzugen.

„Aber das ist mir ans Herz gewachsen“

Rojna (19)
über die Arbeit im Gladbecker Krankenhaus

Rojna (19), war sich zu Beginn des Praktikums unsicher, ob sie später einmal in einem Krankenhaus arbeiten will. „Aber das ist mir ans Herz gewachsen“, zieht sie Bilanz. Naveena hat sich bei den Ärzten bereits erkundigt, welche Universität sich fürs Studium anbietet. Und Lioba (17) will, wenn wegen des Numerus clausus‘ ein sofortiger Studienbeginn nicht möglich ist, eine Physiotherapie-Ausbildung vorschalten.

Welche Bilanz zieht die Pflegedirektorin? Eine durchweg positive. „Wir sind sehr glücklich mit den Ergebnissen“, sagt Sabine Erberich. Und man sei auch glücklich darüber, wie gut sich die Teilnehmerinnen verstanden hätten. „Eine so engagierte Gruppe habe ich selten erlebt“, lobt Lara Hornung, Ausbildungsbeauftragte des Krankenhauses, die auch beobachtet hat, dass die Schülerinnen den Beschäftigten zurückgespiegelt hätten, was sie an der Arbeit schätzen und wo sie Mängel sehen würden. Einziger Wermutstropfen: Sabine Erberich hätte sich gewünscht, wenn für die Berufswahl auch der Pflegebereich von Interesse wäre. Es gebe spannende Pflegestudiengänge, warb sie für einen erweiterten Blick.

Zur Verleihung der Zertifikate kam Bürgermeisterin Bettina Weist ins Barbara-Hospital. Für das Projekt hatten das Krankenhaus und die Stadt Gladbeck einen Kooperationsvertrag unterzeichnet. Weist überreichte nicht nur die Urkunden, sondern auch ein „Taschengeld“ in Höhe von 200 Euro, und warb noch einmal für das Berufsfeld Medizin. „Der Gesundheitsbereich bietet so viele Möglichkeiten.“

Bleibt die Frage: Warum war eigentlich kein Junge dabei? Weil sie keiner beworben hat, antwortet Sabine Erberich. Das können die jungen Gladbecker aber nachholen, wenn das Barbara-Hospital den Decision-Hub im kommenden Jahr anbietet, wie die Pflegedirektorin bereits ankündigt. Für die zehn Teilnehmerinnen aus diesem Jahr gibt’s jetzt eine neue Herausforderung: das Abitur im kommenden Jahr. Also immer noch nichts mit Urlaubsreise oder Chillen auf der Couch.

[Gladbeck-Newsletter: hier gratis abonnieren | Folgen Sie uns auch auf Facebook | Hier gibt‘s die aktuellen Gladbeck-Nachrichten einmal am Tag bei WhatsApp | Auf einen Blick: Polizei- und Feuerwehrartikel | Alle Artikel aus Gladbeck]