Gladbeck. Viele Kinder in Gladbeck, die vor der Einschulung stehen, sprechen schlecht Deutsch. Das könnte auch an einem hohen Medienkonsum liegen.
Rund ein Drittel der Kinder, die in die Schule kommen, haben Sprachprobleme. Das bedeutet, dass sie aufgrund von Migrationshintergründen oder mangelnder Sprachentwicklung nicht oder nur sehr schlecht Deutsch sprechen. Das sind Erkenntnisse, die aus den Schuleingangsuntersuchungen hervorgehen.
Dr. Sabine Wadenpohl, zuständig für die Gesundheits- und Bildungsberichterstattung bei der Kreisverwaltung, führt dies auch auf den Mangel an Kita-Plätzen zurück. An der Sprachentwicklung der Kinder merke man, „wenn ein Kind auch nur einige Wochen in die Kita gegangen ist“, so ihre Erfahrung. Der Kita-Platz-Mangel sei daher ein großes Problem. Denn auch aufgrund dessen zeige sich, dass viele Kinder, die in die Schule kommen, noch nicht gut sprechen können. „Wir kommen mit den Kita-Plätzen im Ruhrgebiet nicht mehr hinterher, zudem gibt es einen Fachkräftebedarf, den wir nicht decken können“, so Wadenpohl.
Wichtig ist, dass Eltern gerade in den ersten Lebensjahren viel mit ihren Kindern sprechen
Sie ist davon überzeugt, dass je länger Jungen und Mädchen in der Kita sind, sie umso besser entwickelt seien. „Spätestens mit drei Jahren sollten Kinder in die Kita kommen“, so Wadenpohl. Das betreffe besonders diejenigen, die zu Hause nicht gefördert werden. Und zwar unabhängig von der Muttersprache. Denn das gelte auch für deutschsprachige, bildungsferne Familien.
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Besonders wichtig sei es, gerade im ersten und zweiten Lebensjahr sehr viel mit den Kindern zu sprechen. „Je weniger sich die Eltern um ihr Kind kümmern, desto schlechtere Chancen haben diese.“
Probleme bei der Sprachentwicklung liegen auch am gestiegenen Medienkonsum
Das Engagement der Eltern spiele für die Entwicklung des Nachwuchses eine enorme Rolle. Auch Amtsärztin Nuran Bayhan, die die Schuleingangsuntersuchungen im Gesundheitsamt Gladbeck vornimmt, beobachtet: Die materielle Sicherheit in Familien sei zwar auch wichtig, aber entscheidend sei die emotionale Wärme, dann spielten Reichtum oder Armut keine Rolle mehr.
Dass immer mehr Kinder schlecht Deutsch sprechen, gehe oft auch mit weniger Sozialkontakten einher. Auch bei deutschsprachigen Kindern sei die Sprachentwicklung immer schlechter. „Wenn Eltern nicht mit ihren Kindern reden, können diese die Sprache nicht lernen“, so Bayhan. Das liege auch am zunehmenden Medienkonsum von Eltern und Kindern. Medienkonsum von drei bis vier Stunden werde oft als ganz normal angesehen. „Dabei sollten Kinder, die kurz vor der Einschulung stehen, eine Zeit von einer Stunde täglich nicht überschreiten“, so Bayhan. Ansonsten drohe eine Reizüberflutung – auch bei passivem Konsum – die Folge sind hibbelige, sprunghafte Jungen und Mädchen. Auch im Wartezimmer des Gesundheitsamtes sieht Bayhan die Mütter und Väter oft nur an ihren Handys sitzen – statt sich mit ihren Kindern zu beschäftigen.
Eltern suchen heute sofort einen Arzt auf, statt bei leichten Beschwerden erst einmal selbst zu handeln
Gleichzeitig beobachtet die Amtsärztin eine große Unsicherheit bei den Eltern die Erziehung ihrer Kinder betreffend. „Es ist eine Generation von Eltern, die kaum noch den Vergleich zu anderen Eltern hat.“ Zudem fehle auch oft der Rat der Großeltern, die helfen könnten, den gesundheitlichen Zustand der Kinder mit einzuschätzen. „Viele Eltern haben die Kompetenzen verloren, beispielsweise bei Bauchschmerzen dem Kind erst einmal einen Tee zu kochen oder eine Wärmeflasche zu machen.“ Stattdessen würde sofort ein Arzt aufgesucht werden.
Bei Menschen vieler kultureller Kreise stellt die Amtsärztin zudem fest, dass sie der Ansicht sind, dass Kinder das Meiste in der Schule lernen werden, sie selbst daher keinen Fokus auf die Förderung ihres Nachwuchses legen müssten. „Und Gladbeck ist eine Kommune mit einem hohen Migrationsanteil“, so Bayhan.
Viele Kinder haben heute Schwierigkeiten, einen Stift zu halten
Außerdem auffällig bei Kindern, bei denen vor Schulbeginn untersucht wird, ob sie sich altersgemäß entwickeln: Viele hätten Schwierigkeiten, einen Stift zu halten. Auch das könne eine Folge des hohen Medienkonsums sein, vermutet Nuran Bayhan. Heutzutage würden in Grundschulen demnach viel häufiger grundlegende Dinge beigebracht werden müssen, wie beispielsweise einen Stift zu halten. „Diese Anforderungen gab es in dem Ausmaß vor 20 Jahren nicht“, so Sabine Wadenpohl.
>>> Schuleingangsuntersuchungen sind kein Test, den es zu bestehen gilt
Bei den Schuleingangsuntersuchungen geht es darum, diejenigen Jungen und Mädchen zu erkennen, die entwicklungsverzögert sind. „Es ist kein Leistungstest, den man bestehen muss“, so Amtsärztin Nuran Bayhan. Eltern seien daher schlecht beraten, wenn sie meinen, ihrem Kind bei den Aufgaben helfen zu müssen. Im Gegenteil: Die Untersuchungen böten vielmehr eine Chance, Förderbedarfe oder auch beispielsweise Hör- und Sehschwächen zu erkennen. „Wir sehen hier sehr viele Kinder, die eine Brille brauchen. Und das ist dann vorher nicht aufgefallen“, nennt die Amtsärztin ein Beispiel.
Werden Verzögerungen in der Entwicklung oder andere Schwächen festgestellt, werden Fördermöglichkeiten besprochen. Eine Sprachentwicklung ist kein Grund, ein Kind zurückzustellen. Nur dann werden Kinder beispielsweise zurückgestellt, wenn sie etwa schwer krank sind und aufgrund anstehender Operationen lange Ausfallzeiten zu befürchten sind.
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