Gelsenkirchen. Überraschung in Gelsenkirchen: Die Grünen-Fraktion verliert zwei wichtige Mitglieder. Einen Abgang gibt es auch bei der AfD. Das steckt dahinter.

Er kandidierte 2020 als Oberbürgermeister-Kandidat für die Grünen, engagierte sich über 20 Jahre kommunalpolitisch – aber jetzt hat David Fischer offiziell mit seiner Partei gebrochen. Der 50-jährige Bildungs- und Sportpolitiker ist offiziell aus der Grünen-Fraktion wie auch aus der Partei ausgetreten – und ist damit nicht der einzige. Auch Mirco Kranefeld, der bislang als Vorsitzender des Verkehrsausschusses eine wichtige Funktion bei den Grünen eingenommen hat, ist nun offiziell „fraktionslos“. Was ist da los, bei der Gelsenkirchener Grünen, die doch jüngst erst einen neuen Mitglieder-Rekord vermeldet hatten?

Am Abend vor der Sitzung des Gelsenkirchener Stadtrats am 13. Februar verschicken Fraktion und Kreisverband eine gemeinsame Stellungnahme. „David Fischer ist wegen innerparteilicher Differenzen auf eigenen Wunsch hin und sehr kurzfristig aus der Ratsfraktion ausgetreten“, heißt es darin. „Mit Mirco Kranefeld war schon länger im Einvernehmen mit der Ratsfraktion vereinbart, dass er diese verlässt. Beide Austritte fallen nun zeitlich zusammen. Gegenüber beiden hatten Fraktion und Partei die Erwartungshaltung, dass sie ihre Mandate zurückgeben.“ Dem seien sie jedoch nicht nachgekommen.

Ärger bei den Grünen: So begründet der ehemalige OB-Kandidat David Fischer seinen Parteiaustritt

Fischer, der hauptberuflich Schulleiter des Hans-Böckler-Berufskollegs in Oberhausen ist, spricht selbst auch von „innerparteilichen Differenzen“. Nach 22 Jahren ehrenamtlichen Einsatzes für die Grünen sei der Austritt nun kein einfacher Schritt für ihn gewesen. Zuletzt habe ihn nur noch „die sehr gute Zusammenarbeit“ mit den beiden Vorsitzenden der Grünen-Fraktion, Adrianna Gorczyk und Peter Tertocha, davon abgehalten, die Grünen zu verlassen.

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„Mit der überregionalen Politik der Grünen habe ich persönlich schon länger gebrochen“, sagt Fischer und nennt als Beispiele die Energie- und Wirtschaftspolitik. Diese müsse sich viel stärker an den Interessen der Leistungsträger orientieren und „weniger ideologisch geprägt sein“. Auch mit der Bildungspolitik auf Landesebene sei er nicht mehr einverstanden gewesen. So werde gesetzgeberisch etwa „keine Rücksicht auf die Auswirkungen der Corona-Krise und die daraus resultierenden, kumulierten Lernrückstände unserer Kinder genommen“.

Kommunalwahl 2025: David Fischer kandidierte zuletzt noch für Listenplatz bei den Grünen

Dass er sich mit der Bundes- und Landespolitik seiner Partei nicht mehr besonders gut identifizieren kann, schien Fischer jedoch nicht davon abgehalten zu haben, 2022 als Beisitzer für den Landesvorstand der Grünen und erst am 7. Februar 2025 bei einer Mitgliederversammlung der Gelsenkirchener Grünen noch mal für die Reserveliste für die Kommunalwahl im September zu kandidieren. Nach Informationen der WAZ bewarb sich Fischer um Listenplatz 4 und unterlag seinen beiden Gegenkandidaten Patrick Jedamzik und Jan Philip Schaaf (siehe Infobox). Den Versuch, sich für einen anderen Listenplatz aufstellen zu lassen, unternahm Fischer danach nicht.

Grüne wählen Liste für Kommunalwahl

Die Gelsenkirchener Grünen haben die ersten Plätze der Ratsreserveliste für die Kommunalwahl im September gewählt. Angeführt wird die Liste von den aktuellen Fraktionsvorsitzenden Adrianna Gorczyk (1) und Peter Tertocha (2).

Auf der Liste befinden sich - neben einem „Newcomer“ auf Platz 10 (Christian Bernert) - außerdem weitere Partei-Mitgliedern, die bereits kommunalpolitisch aktiv sind, nämlich: Ingrid Wüllscheidt (Platz 3), Patrick Jedamzik (Platz 4), Derya Halici (Platz 5), Jan Philip Schaaf (Platz 6), Mabel-Mara Platz (Platz 7), Bernd Rudde (Platz 8), Meltem Erdogrul (Platz 9).

Kommentieren wollte Fischer die kürzliche Listenkandidatur gegenüber unserer Redaktion nicht. Lediglich verwies er erneut auf die Differenzen innerhalb der Partei und die bislang gute Zusammenarbeit mit der Fraktionsspitze.

„Meine Mandate werde ich bis zum Ende der Ratsperiode weiter behalten und auch ausüben“, betonte Fischer hingegen. Das sei er den Gelsenkirchenern schuldig, die ihn 2020 als Oberbürgermeisterkandidat gewählt hatten. „Hier werde ich mich weiter schwerpunktmäßig in den Politikfeldern Bildung, Sport und Integration engagieren“, kündigte er an. Tatsächlich platzierte Fischer in der Ratssitzung am 13. Februar direkt einen eigenen Antrag zum Schulentwicklungsplanung. Darin forderte er unter anderem, dass die Bedarfe für Förderschüler für die Berufspraxisstufe auch bei der Entwicklung des großen Bildungscampus am ehemaligen Zentralbad berücksichtigt werden sollen.

Grüne in Gelsenkirchen verlieren wichtigen Ausschussvorsitz

Auch Mirco Kranefeld will sein Mandat behalten und weiterhin den Verkehrsausschuss leiten. Für die Grünen ist das auch deshalb schmerzlich, weil sie diese Wahlperiode überhaupt zum ersten Mal Fachausschüssen vorsitzen konnten – nun ist nur noch die langjährige Grünen-Pflegeexpertin Ingrid Wüllscheidt als Vorsitzende des Gesundheitsausschusses übrig.

Rätselhaft bleibt, warum der 44-jährige Kranefeld die Grünen nach über 20-jähriger Mitgliedschaft verlassen hat. „Für mich ist klar, dass ich zu Interna öffentlich keine Stellung beziehe“, sagt er am Telefon. Es habe sich um eine „gemeinsame Entscheidung zwischen Fraktion um mir“ gehandelt. Zwischenmenschlich sei alles in Ordnung mit der Fraktion, vor der jüngsten Ratssitzung sei er noch freundlich von den (ehemaligen) Fraktionskollegen verabschiedet worden. Auch eine große Unzufriedenheit mit der Grünen-Politik auf Bundes- oder Landesebene ist bei Kranefeld nicht zu erkennen. Aus der Partei ausgetreten sei er aber schon lange vor dem Fraktions-Aus, berichtet er.

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Im Gegensatz zu Fischer hat Kranefeld deshalb auch nicht versucht, noch mal für die Grünen anzutreten. Für ihn sei nach der Wahlperiode erst einmal Schluss mit der ehrenamtlichen Lokalpolitik, sagt er. Warum er es trotzdem nicht daran denkt, den Vorsitz des Verkehrsausschusses abzugeben? „Pflichtbewusstsein ist mir aus meinem Job nicht fremd“, sagt der hauptamtliche Kriminalbeamte.

Ausstieg auch bei der AfD: Thomas Irmer verlässt nach Querelen Fraktion

Trotz der beiden Weggänge ist die nun neunköpfige Grünen-Fraktion nicht kleiner als die AfD-Fraktion geworden. Denn auch bei der nun ebenfalls neun Mandatsträger starken Rechtsaußen-Fraktion gibt es einen weiteren Austritt – der jedoch weniger überraschend kommt als bei den Grünen.

Thomas Irmer
Thomas Irmer hat die Gelsenkirchener AfD-Fraktion verlassen. © AfD Gelsenkirchen

So hat der ehemals stellvertretende Fraktionsvorsitzende Thomas Irmer die Fraktion verlassen. Dieser stand im Mittelpunkt einer harten parteiinternen Auseinandersetzung innerhalb des AfD-Kreisverbandes, die im Dezember 2024 letztendlich sogar zu einem Sonderparteitag führte (die WAZ berichtete). Auf dem Parteitag wollte Irmer angebliche Unterstellungen, Beleidigungen und Verleumdungen aus dem Weg räumen, die zu Unrecht gegen ihn erhoben worden sein sollen. Auf der anderen Seite forderten 62 Parteimitglieder den Parteiausschluss Irmers.

Thomas Irmer wollte sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu seinem Austritt äußern. Eine Stellungnahme der Fraktion gab es ebenfalls nicht.

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