Oberhausen. Der Schulleiter des Hans-Böckler-Berufskollegs in Oberhausen ist fassungslos. Die Stadt hindere ihn daran, seine Pflichtaufgaben zu erfüllen.
David Fischer fällt das Reden nicht schwer. Als Grünen-Politiker hat er in Gelsenkirchen für das Oberbürgermeisteramt kandidiert. Er hat Sport- und Rechtswissenschaften studiert und leitet eine der größten Schulen in Oberhausen. Doch im maroden Fitnessraum sucht David Fischer die passenden Worte, wenn er in seiner Rolle als Schulleiter über den jüngsten Ratsbeschluss spricht. „Ich habe es als Skandal empfunden, wie man mit uns als engagierte Schule umgegangen ist.“ So etwas habe er noch nie erlebt, fügt er hinzu. „In Gelsenkrichen wurde in zwanzig Jahren so nicht mit einer Schule umgegangen.“
David Fischer steht in dem Raum, der den Anstoß für diese Geschichte gibt. Das Hans-Böckler-Berufskolleg ragt zehn Stockwerke in die Höhe. Der Sportraum des City-Turms liegt im Souterrain. Unter der Erde scheint die Zeit stehen geblieben zu sein, Gitter-Bänke, tiefe Holzdecken, ein muffiger Geruch, eine schäbige Gemeinschaftsdusche. Nur der Sportraum selbst sieht passabel aus. Er ist mit Judo-Matten des hier beheimateten PSV Oberhausen ausgelegt.
Schule möchte Fitnessraum mit Geräten - Politik lehnt ab
Wer ein Berufskolleg besucht, hat wie an anderen Schulen Sportunterricht. Doch für ihren Sportunterricht müssen die Berufsschülerinnen das Hans Böckler verlassen. David Fischer sagt, Sport sei allein aufgrund der gemeinsamen Dusche nicht möglich. Der Schulleiter führte deshalb schon vor einiger Zeit Gespräche mit dem Schulamt. Er wollte den 100 Quadratmeter großen Raum sanieren und mit Fitnessgeräten ausstatten. Kostenpunkt: 647.000 Euro. Die Verwaltung erstellte eine Vorlage. Diese Papiere werden in den entsprechenden Ausschüssen diskutiert und im Rat der Stadt beschlossen.
An dieser Stelle passierte etwas Ungewöhnliches: In der Regel werden Investitionsvorhaben in Schulen von der Politik gutgeheißen. Marode Gebäude und steigende Schülerinnenzahlen machen praktisch jedes Projekt in Oberhausen notwendig. Nicht aber der Vorschlag für das Hans-Böckler-Berufskolleg: Statt Zustimmung erntete die Schule breite Ablehnung. SPD, CDU und FDP brachten einen sogenannten Änderungsantrag ein. Es sollen „kreative Lösungen“ gesucht werden, bis die neue Gesamtschule an der Knappenstraße fertig ist. Die dort angeschlossene Turnhalle darf das Berufskolleg mitbenutzen. Der Rat beschließt die Änderungen. Wörtlich heißt es zur Begründung: „Aus der Vorlage geht hervor, dass in Alt-Oberhausen derzeit noch Sporthallenkapazitäten von rd. 5.600 freien Hallenzeiten bestehen. In Anbetracht der derzeit schwierigen Haushaltssituation sollten diese Kapazitäten vor einem teuren Umbau zunächst ausgenutzt werden.“
Politik hat „einige Fragen“
Für David Fischer ist das ein Schlag ins Gesicht. „Wir wurden überhaupt nicht eingebunden in den Änderungsantrag.“ Dies sei weder der Zuständigkeitsbereich der Politik, noch „ist das in irgendeiner Form umsetzbar“. Der Schulleiter kontaktierte deshalb die Bezirksregierung Düsseldorf. „Der Schulträger stellt uns nicht die Mittel zur Verfügung, um die Pflichtaufgaben zu erfüllen“, fasst er zusammen. Aufgrund der Taktung des Unterrichts sei es nicht zumutbar, dass Schülerinnen und Schüler durch die Stadt tingeln müssen.
Die Politik sieht das anders. Aufgrund der Vorlage hatte die SPD „einige Fragen“. Angesichts des Haushaltes sieht sie keine Notwendigkeit in dem Umbau. Marc Hoff von der FDP erinnerte daran, dass das Berufskolleg schon in der Vergangenheit finanzielle Zuwendungen erhalten habe. „Ich finde die Vorlage sehr schwierig.“ Für mehr als eine Million Euro hatte das Hans-Böckler-Berufskolleg einen neuen Aufzug bekommen.
Schule will Raum anderweitig nutzen - auch das geht nicht
David Fischer sagt, dass der brandschutzsichere Aufzug Sache der Stadt gewesen sei. „Damit hatten wir nichts zu tun“. In seinem Ärger über die Entscheidung wollte er auf eigene Faust handeln und durch Kooperation mit Edeka einen Lager-Übungsraum im Keller installieren. Am Berufskolleg gibt es jetzt einen Bildungsgang Fachlagerist. Doch auch diese Variante stieß auf Ablehnung. Der Judo-Verein wäre dann faktisch heimatlos. Der Verein hatte selbst um seine Bleibe im Berufskolleg gekämpft und die Gespräche mit Lokalpolitikern gesucht. Er ist erleichtert und begrüßt auf seiner Homepage die Entscheidung des Rates.
Die neue Gesamtschule wird voraussichtlich erst 2027/28 fertig. Bis dahin müssen die kreativen Lösungen reichen. Kleiner Hoffnungsschimmer: In dem Ratsbeschluss heißt es, die Verwaltung soll prüfen, ob und wie die Toiletten saniert und eine Trennwand in der Dusche eingebaut werden kann. Aber auch das kann David Fischer nicht beruhigen: „Bei mir hinterlässt das Ganze das Gefühl: Mit uns spricht man nicht.“