Gelsenkirchen. OB-Kandidat der Grünen: David Fischer über die DDR, über Politik, seine ganz persönliche Definition von Heimat - und was ihn antreibt.

An diesem sonnigen Morgen trägt David Fischer wieder grün an den Füßen. Natürlich. Der Oberbürgermeisterkandidat von Bündnis 90/Die Grünen Gelsenkirchen hat das Café Creperie in Buer als Treffpunkt vorgeschlagen: Hier spricht er über die ehemalige DDR, über Heimat, über Politik im Großen und Kleineren - und über das, was ihn antreibt.

Hier findet Gelsenkirchens grüner OB-Kandidat Fischer einen Ruhepol

Die Creperie Buer also. Es ist ein ganz besonderer Ort für den Mann, der Schulleiter an einem Oberhausener Berufskolleg ist. Hier an der Hagenstraße 36 geht er schon seit 30 Jahren aus und ein, mindestens einmal pro Woche. „Hier finde ich einen Ruhepol", sagt der 46-Jährige.

Auch interessant

Es ist wohl diese Mischung aus Gemütlichkeit und Entspanntheit: Hier tankt der OB-Kandidat Fischer auf. Hier sei ja auch die Zeit stehen geblieben, sagt er, und schaut sich um. Er verbindet viele Erinnerungen mit diesem Ort. An vergangene Zeiten. Und an die Zeiten noch davor. Geboren in der Nähe von Zwickau in der ehemaligen DDR, erlebt der heutige OB-Kandidat früh, was Flucht eigentlich bedeutet. Es ist November 1989, dieser geschichtsträchtige Monat, als er sich gemeinsam mit seiner Mutter auf den Weg macht. Sie wollen raus, weg von diesem Leben im Regime. Hin zu einem Leben in Freiheit.

„Diese Fluchtsituation, die werde ich nie vergessen“

Ihr Ziel ist die Prager Botschaft, Mutter und Sohn, zusammen, gemeinsam. Heute sagt Fischer: „Diese Fluchtsituation, die werde ich nie vergessen.“ Während ihres Weges immer gefangen in einem Gedankenkarussell, denn „es war ja überhaupt nicht klar, wie es weitergeht.“ Was am Anfang für den jugendlichen David noch völlig perspektivlos erscheint, wird, nach Ankunft in der Prager Botschaft, zu einer Befreiung.

Auch interessant

Von Prag mit dem Zug in Richtung Westdeutschland: Irgendwann und irgendwie sehr schnell landeten Fischer und seine Mutter – in Gelsenkirchen. An der Adenauerallee. 15 Jahre ist Fischer damals, als er das erste Mal die 10. Klasse der Gesamtschule Berger Feld besucht. Er sei so unheimlich dankbar gewesen. Endlich war das möglich, was vorher unmöglich war: freies Denken, eine freie Zukunft.

„Ich bin ein Freigeist, total interessiert an neuen Herausforderungen“

Heute sagt er über sich selbst: „Ich bin ein Freigeist, wenn man so will, bin total interessiert an neuen Aufgaben und Herausforderungen.“ Sein Traum war es immer, „studieren zu können“. Und hier, im Ruhrgebiet habe er eine zweite Chance bekommen. Es war die Ruhr-Universität Bochum, an der er Rechts-und Sportwissenschaften studierte. Und an der er auch heute noch einen Lehrauftrag an der sportwissenschaftlichen Fakultät inne hat.

David Fischer – das sind seine Schwerpunkte

David Fischer will eine starke Kommune Gelsenkirchen: Durch die „Gegenfinanzierung der Soziallasten“ oder auch „mehr Transparenz politischer Entscheidungen und Bürgerbeteiligung mittels digitaler Formate.“ Zum Schwerpunkt Bildung will Fischer eine Beseitigung des Sanierungsstaus an Bestandsschulen, um so gerechte Lernbedingungen und attraktive Arbeitsplätze für Lehrkräfte zu schaffen.

Weitere Schwerpunkte sind eine ökologische Stadtentwicklung, etwa durch Verbesserung der Luft- und Aufenthaltsqualität, sowie eine Steigerung der Attraktivität anderer Fortbewegungsmittel. Zum Beispiel den ÖPNV: durch das 365-Euro-Ticket (1 € pro Tag), Ausbau der Linien 301 und 302 und einem Abbau der Lücken im Radwegenetz.

Schwerpunkt Kultur: Hier geht es ihm um die „Stärkung der freien Kulturszene durch Aufstellen eines Kulturentwicklungsplanes sowie Erhalt und Ausbau der vorhandenen Freizeit- und Erholungseinrichtungen.“ Schwerpunkt Wirtschaftsförderung: „Wir setzen auf Investoren aus dem Mittelstand, die in der Regel dauerhafte Arbeitsplätze schaffen.“

Aus seiner eigenen, persönlichen Geschichte ist indes etwas gewachsen, das sein Leben bestimmt: Schnell war klar, dass ihm „Sesshaftigkeit“ ein starkes Bedürfnis ist. Dort, wo man sich wohlfühlt, ist Heimat: Seit 30 Jahren hat er Gelsenkirchen nicht verlassen. Er hat sein Bedürfnis mit Leben gefüllt, mit einem Leben in dieser Stadt.

Das Herrschen der Blockpartei war "zutiefst undemokratisch"

Für sein politisches Engagement – zuletzt als Stadtverordneter und bildungs-, sport- und integrationspolitischer Sprecher der Grünen im Gelsenkirchener Rat – liegt Fischers Antrieb ebenfalls in seiner Vergangenheit. Das Herrschen der Blockpartei empfand er als „zutiefst undemokratisch. Das hat mich total geprägt“.

Auch interessant

Als Politiker und vor allem als Oberbürgermeister möchte er Vorbild sein für die Menschen. Und noch etwas: „Ich möchte die Menschen mitnehmen.“ Dazu gehöre für ihn auch, nicht ständig darauf zu schauen, was in diesem seinem Gelsenkirchen so alles schlecht läuft. Sondern eher unter der Fragestellung zu denken und zu schaffen: „Was können wir verändern, damit wir die Stadt weiterentwickeln?“

Quartiere stärken, dass die Sozialräume nicht sich selbst überlassen werden

Dahinter stehen auch die grünen Ziele. Umwelt-, Klimaschutz, „wir müssen nicht nur auf uns gucken, sondern nachhaltig denken, über die Stadtgrenzen hinaus“. Dabei denken die Grünen, so Fischer, global, würden aber nicht vergessen, dass lokal gehandelt werden muss.

Und innerhalb der Stadtgrenzen? Sei es beispielsweise wichtig, die Quartiere zu stärken, dass „die Sozialräume nicht sich selbst überlassen werden“. Fischer will außerdem mehr Wertschätzung des Ehrenamts, denn genau dieses Engagement von so vielen sei eine „extrem wichtige Stütze für diese Stadt“. Auch und gerade in den Quartieren, bei den Menschen vor Ort.

Das Ruhrparlament sieht OB-Kandidat David Fischer als „Riesen-Chance“

Dann wäre da auch der Gewerbeflächenentwicklungsplan – eine Maßnahme, die Fischer für mehr als sinnvoll hält. Und das im Zusammenspiel mit einer einheitlichen Gewerbesteuersenkung für das gesamte Ruhrgebiet. Das Ruhrparlament sieht er als „Riesen-Chance“. Und noch etwas ist ihm wichtig: „Dass wir den Altschuldenschnitt unbedingt brauchen.“

Bleibt David Fischer in diesen Wochen überhaupt noch Zeit für etwas anderes als die Politik? Der Terminkalender ist voll. „Ganz viel Kraft und Energie ziehe ich aus der Familie“, sagt der Vater eines zehnjährigen Sohnes. Die Familie, sie stehe für ihn an erster Stelle. Und dann wäre da noch ein anderer Ausgleich: Sport. Badminton, im Wettkampfmodus, regelmäßig auf Turnierebene. Und wie schaut der Sportler auf den Tag der Kommunalwahl, was wäre gar bei einer Stichwahl? „Dann gibt es eine Fünfzig-Fünfzig-Chance. Das wäre natürlich großartig“, sagt Fischer ehrgeizig und lächelt dabei. Mit Grün an den Füßen, an diesem Morgen in Buer.