Demo in Gelsenkirchen: Dafür gehen auf die Straße

Gelsenkirchen. Das „Gelsenkirchener Aktionsbündnis gegen Rassismus und Ausgrenzung“ mobilisiert vor dem Musiktheater. Darum geht es bewusst nicht gegen Rechts.

Das Etikett „Anti-Rechts“, „Anti-AfD“ oder gar „Anti-CDU“ sollte vorher nicht an dieser Demonstration kleben, ganz im Gegensatz zu vielen anderen Protestveranstaltungen, die in den vergangenen Tagen bereits tausende Menschen in anderen Ruhrgebietsstädten auf die Straße brachten: Nicht gegen, sondern für etwas, wollte man sich am Montagabend (10. Februar) vor dem kleinen Haus des Musiktheaters versammeln – für Menschenrechte, für Demokratie, für Vielfalt und Humanität. Trotzdem waren natürlich auch viele der rund 500 Demoteilnehmer gegen etwas – gegen „Rechts“, gegen „die faschistische AfD“, gegen „Rassismus“, „Hass und Hetze“, wie sie auf ihren Protestschildern deutlich machten.

„Gelsenkirchener Aktionsbündnis gegen Rassismus und Ausgrenzung“: Diese Gruppen stecken dahinter

„Was uns vereint“ lautet der offizielle Titel der Demo. So allgemein gehalten war die Botschaft in Gelsenkirchen auch deswegen, weil man sich möglichst nicht der Kritik aussetzen lassen wollte, hier wenige Tage vor der Bundestagswahl Wahlwerbung für das linke Parteienspektrum zu machen.

Adrianna Gorczyk (li.) und Christin Siebel (re.) haben die Versammlung geleitet. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Mit Adrianna Gorczyk, Co-Fraktionschefin der Grünen-Ratsfraktion, und der SPD-Landtagsabgeordneten Christin Siebel übernehmen hier zwar zwei bekannte Politikerinnen aus der Stadt die Versammlungsleitung. Ans Mikrofon treten neben Oberbürgermeisterin Karin Welge (SPD) jedoch sonst bewusst nur Vertreter von Organisationen außerhalb des politischen Spielfeldes: von Wohlfahrtsverbänden über Consol-Theater und MiR bis zu Gemeinden – christlich, jüdisch, muslimisch.

Demoteilnehmer in Gelsenkirchen: „Probleme sind nicht mit Hassreden zu bewältigen“

Zusammengeschlossen sind all diese Organisationen im „Gelsenkirchener Aktionsbündnis gegen Rassismus und Ausgrenzung“, das sich auch vor einem Jahr für die Anti-AfD-Demo mit 6500 Teilnehmern verantwortlich zeigte. Laut Adrianna Gorczyk kam der ebenfalls dazugehörige Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) dieses Mal für die Kosten für Bühne und Technik auf. „Parteien sind insofern beteiligt, als sie wie alle anderen Bündnispartner*innen auch Ordner*innen stellen“, erläuterte die Grüne vorab.

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Auch wenn die CDU und die FDP – die übrigens nicht Teil des Bündnisses sind – also nicht explizit mit dem Demo-Aufruf angesprochen wurden: Der Asyl-Antrag von Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz, den er und seine Fraktion am 29. Januar nur mit Stimmen der AfD und FDP durchbringen konnten, ist an dieser Demo allgegenwärtig. Und er scheint viele der Anwesenden motiviert zu haben, an diesem Tag auf die Straße zu gehen – trotz ÖPNV-Streiks, trotz schäbigen Februar-Wetters. So betonen gleich mehrere, sie seien hier wegen der Abstimmung im Bundestag, als wir sie nach ihrer Motivation befragen.

Oberbürgermeisterin Karin Welge: „Probleme der Menschen ernst nehmen.“ © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Mariana Neth – 62 Jahre alt, als Kind von Portugal nach Deutschland migriert und heute mit ihrer Familie vor Ort – sagt zwar im Hinblick auf die Migrationspolitik auch: „Es muss sich was ändern in Deutschland. Aber das darf nicht auf Kosten der Menschen passieren.“ Die gegenwärtigen Probleme seien nicht „mit Gewalt und Hassreden zu bewältigen“, meint die Gelsenkirchenerin. „Wir dürfen nicht zurück in die Vergangenheit!“

Bunt und blumig ist das Protestschild von Sophia Dorra, die beruflich die Social-Media-Auftritte des Musiktheaters betreut. „Fazit einer kecken Maus: Nazis raus!“, ist darauf zu lesen. „Ich habe als junger Mensch Angst, dass unsere Gesellschaft nach rechts rückt“, sagt die 26-Jährige. „Ich habe Angst um meine Zukunft und der Zukunft meiner Mitmenschen.“ Viel zu viele Menschen ließen sich „brainwashen“ und von „der Hetze anstecken“. „Wir im Musiktheater wollen Vielfalt und Freiheit!“, sagt die Gelsenkirchenerin – und hinter ihr strahlt die Beleuchtung im MiR in Regenbogenfarben.

OB Karin Welge: „Wir müssen die Probleme der Menschen wahrnehmen“

Oberbürgermeisterin Karin Welge nutzt ihren Wortbeitrag, um für demokratisches Engagement zu werben. „Liebe Freunde der Demokratie“, appelliert sie. „Wappnet euch täglich neu und geht auch unangenehmen Situationen nicht aus dem Weg.“ Man dürfe die politische Arena nicht den Narzissten überlassen. „Wir, wir Demokratinnen und Demokraten, müssen die Probleme der Menschen wahrnehmen und ernst nehmen“, so die OB. „Wir müssen sie anpacken und Lösungen suchen. Und wir müssen das gerade auch dann tun, wenn unsere ureigenen persönlichen Ideale nicht eins zu eins umsetzbar sind. Denn, wenn wir davor zurückscheuen, dann wird es jemanden geben, der das sofort ausnutzt – zu unserer aller Last.“

Für Vielfalt: In Regenbogenfarben leuchtete das Musiktheater. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Während Welge spricht, wehen vor ihr Flaggen von Parteifreunden, aber auch von den Grünen oder der MLPD. Letztere – und befreundete Organisationen – veranstalten schon vergangenen Montag (3. Februar) einen 100-köpfigen Protestmarsch zur CDU-Zentrale, den sie als „Warm-up“ für die große Demo bezeichnet hatten. Vom Aktionsbündnis allerdings werden sie ausgeschlossen.

Weniger Teilnehmer als bei anderen Demos im Ruhrgebiet

Mit den rund 500 Teilnehmenden ist am Ende die Demo-Größe erreicht, die man angemeldet hatte. In einer Großstadt wie Gelsenkirchen hätte man mehr erwarten können, merken einige Demo-Teilnehmer etwas verwundert an. In Mülheim etwa nahmen am Sonntag (9. Februar) rund 2000 Menschen an einem „Lichtermeer für die Demokratie“ teil, in Duisburg demonstrierten am Samstagabend (8. Februar) rund 3000 Menschen gegen Rechts. In den nächsten Tagen folgen auch im Ruhrgebiet weitere Demos, unter anderem in Bochum und erneut Duisburg (beide am 14. Februar).