Gelsenkirchen. Warnstreik im öffentlichen Dienst: Auch die Bus- und Bahnfahrer der Bogestra sind im Ausstand. Sie klagen etwa über zu viele Überstunden.
Auch die Bediensteten der Bogestra sind stocksauer: Bei der ersten Verhandlungsrunde im Tarifstreit des öffentlichen Dienstes am 24. Januar hatte die Arbeitgeberseite kein Angebot vorgelegt. „Dabei wird unsere Arbeitsbelastung immer höher. Allein die 1150 Fahrerinnen und Fahrer bei uns schieben derzeit einen Berg von rund 90.000 Überstunden vor sich her“, berichtet Patrick Steinbach. Und der 47-jährige Sprecher der Bogestra-Vertrauensleute ist überzeugt, dass die Beteiligung am Warnstreik am Montag auch deshalb so hoch ausgefallen ist.
Ein Großteil der 2400 Bogestra-Beschäftigten beteiligte sich am Warnstreik
Mit Dienstbeginn gegen 3 Uhr morgens hatten fast alle Beschäftigten des Nahverkehrsunternehmens ihre Arbeit niedergelegt und waren damit dem Aufruf zum Warnstreik der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi gefolgt. Bis zum Dienstende am späten Montagabend dauert diese Arbeitskampfmaßnahme an. Ab Dienstagfrüh sollen dann auch in Gelsenkirchen wieder alle Busse und Bahnen fahrplanmäßig verkehren.
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„Fast der gesamte Betrieb bei der Bogestra ist lahmgelegt“, sagt Michael Hortig, der 36-jährige Gewerkschaftssekretär von Verdi. Neben den Bus- und Bahnfahrern seien auch die Verwaltungs- und die Werkstätten-Mitarbeiter „mit draußen“. Lediglich ein kleines Team in der Leitstelle, das sicherheitsrelevante Aufgaben übernehmen müsse, sei dem Streikaufruf nicht gefolgt. Das seien laut Hortig aber nur die wenigsten der insgesamt 2400 Bogestra-Beschäftigten. „Im Ergebnis fährt heute auch in Gelsenkirchen kein einziger Bus und keine einzige Straßenbahn.“
Die Verdi-Forderung lautet: acht Prozent mehr Gehalt
Erst im vergangenen Jahr hatte es einen Streik beim ÖPNV-Anbieter gegeben, damals ging es jedoch um Themen aus dem Manteltarifvertrag - wie Zulagen für Spät- und Feiertagsschichten oder zusätzliche Entlastungstage neben den üblichen Urlaubstagen. Jetzt im aktuellen Konflikt gehe es aber um den Gehaltstarifvertrag. Hier gelte derzeit keine Friedenspflicht. „Deshalb ist der Warnstreik aus unserer Sicht auch zu 100 Prozent rechtmäßig“, so Hortig, der noch einmal die Kernforderung wiederholte. Diese lautet: acht Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 350 Euro mehr pro Monat auf dem Gehaltszettel der Beschäftigten.
Dieser „Schluck aus der Pulle“ sei auch dringend erforderlich, um im Kampf mit Unternehmen aus der freien Wirtschaft nicht vollends ins Hintertreffen zu geraten, betonte Vertrauensmann Patrick Steinbach. Ein neu eingestellter Fahrer in der untersten Lohngruppe würde derzeit mit einem Brutto-Monatsgehalt von 3006 Euro starten. „Wir haben einige Einsteiger, viele von ihnen mit Migrationshintergrund“, so Steinbach weiter. Doch das reiche nicht aus, um alle Lücken zu füllen: „Nach wie vor haben wir allein im Fahrdienst rund 70 Stellen unbesetzt.“ Es gebe genügend Speditionen, die ihre Fahrer besser bezahlen würden.
1150 Bogestra-Fahrer schieben rund 90.000 Überstunden vor sich her
Die dadurch entstehenden Lücken hätten zur Folge, dass immer mehr Kollegen in der Personalnot an ihren eigentlich freien Tagen dann angerufen würden, ob sie nicht doch kurzfristig eine Schicht übernehmen könnten. „Und so ist auch der Berg von inzwischen 90.000 Überstunden bei unseren 1150 Fahrerinnen und Fahrern entstanden“, so Steinbach. „Deswegen fühlen sich immer mehr Kollegen überlastet. Vielen ist deshalb ein Plus an Freizeit inzwischen genauso wichtig wie der nächste Gehaltssprung.“
Ein Streik-Routinier ist Michael Schönig. Der 59-Jährige aus Resse ist Bus- und Bahnfahrer bei der Bogestra. Am häufigsten sei er in seinen nun 25 Dienstjahren auf den Straßenbahnlinien 301 und 302 unterwegs gewesen. „Ich habe schon mehr als zehn Streiks miterlebt. Aber dass der Arbeitgeber ohne konkretes Angebot in die Verhandlungen kommt, ist schon eine Unverschämtheit. So kann man nicht mit uns umgehen“, sagt der Fahrer, der sich zusätzlich als Betriebsrat engagiert. Er zeigt sich mit Blick auf die Belegschaft überzeugt: „Wenn nicht bald was von den Arbeitgebern kommt, dann sind wir auch bereit, länger zu streiken.“
ÖPNV-Beschäftigte sind die „Zugpferde“ in diesem Verdi-Warnstreik
Eine Einschätzung, die Gewerkschaftssekretär Michael Hortig teilt. In seiner Ansprache an die Bogestra-Beschäftigten sagte er: „Ihr seid ein Zugpferd für diese Streikbewegung.“ Denn im Gegensatz zu anderen Einrichtungen des öffentlichen Dienstes würde ein Streik im ÖPNV sofort für die Bevölkerung sichtbar. Und vor allem spürbar. Die zweite Verhandlungsrunde ist für den 17./18. Februar in Potsdam angesetzt.