Gelsenkirchen. Es bleibt ein kompliziertes Thema: Jobs für Menschen, die Asylbewerberleistungen beziehen. Eine neue Option nutzt Gelsenkirchen jetzt aber.

Vorweg: Den grob 500 erwachsenen Menschen, die derzeit in Gelsenkirchens Flüchtlingsunterkünften leben, großflächig Arbeit zuzuteilen, das ist weiter eine Vorstellung wie aus einem Paralleluniversum. Zur Verfügung stehen viele Menschen etwa deshalb nicht, weil es keine Betreuung für ihre Kinder gibt, weil sie gerade Sprach- oder Integrationskurse besuchen oder gesundheitlich eingeschränkt sind, wie Sozialdezernentin Andrea Henze erläutert. „Der Kreis der verfügbaren Menschen ist kleiner als man meinen mag“, sagt sie und spricht von „sicher weniger als 100 Kandidaten“. Dennoch gibt es neue gesetzliche Möglichkeiten, um Asylsuchenden Arbeitsgelegenheiten zu vermitteln. Und diese werden jetzt erstmals in Gelsenkirchen genutzt.

Arbeitsangelegenheiten: Gelsendienste wird von Schutzsuchenden unterstützt

Seit kurzer Zeit packen neun Männer, die in Flüchtlingsunterkünften wohnen, für eine Aufwandsentschädigung von 80 Cent pro Stunde bei Gelsendienste mit an. Bis zu 20 Stunden in der Woche unterstützen sie jeweils eine Kolonne und verrichten Arbeiten, für die keine Ausbildung oder Schulung vonnöten ist, beseitigen zum Beispiel Laub, Wildkraut oder Müll. Mit Geräten, die eine Verletzungsgefahr darstellen, wie etwa Heckenscheren oder Sägen, dürfen sie nicht arbeiten. Drei von ihnen nehmen heute für einen Pressetermin am Schloss Berge aber die Besen in der Hand.

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Sie kommen aus Nigeria, dem Irak, der Türkei, waren alle in der Flüchtlingsunterkunft Adenauerallee untergebracht, sind zwischen 30 und 42 Jahre alt, seit Jahren oder wenigen Monaten in Deutschland und nach Aussage von Andrea Henze „hoch motiviert.“ Man habe in Gesprächen in den Unterkünften erlebt, dass die ausgewählten Kandidaten nicht nur können, sondern auch eine „sinnstiftende Arbeit“ aufnehmen wollen, ergänzt Habibe Elieyi vom Sozialreferat.

Stadt Gelsenkirchen setzt erst einmal auf „Prinzip der Freiwilligkeit“

Das Gesetz allerdings ermöglicht auch Sanktionen in Form von Leistungskürzungen, falls jemand als fähig eingestuft wird, sich aber weigert, die Arbeitsangelegenheit aufzunehmen. „Dazu ist es aber bei uns noch nicht gekommen“, sagt Habibe Elieyi. „Ich habe hier auch keine harte Marschroute vorgegeben“, betonte Henze, die „auf das Prinzip der Freiwilligkeit“ setzen will.

„Die Menschen bekommen so schließlich auch den Fuß in die Tür“, sagt die Dezernentin. Mit einem solchen Einstieg in den Arbeitsmarkt sei es realistischer, sich weiterzuqualifizieren, um am Ende bei einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit zu landen. Und: Die deutsche Sprache werde natürlich viel schneller gelernt, wenn man täglich im Dienst sei. „Es geht hier nicht darum, Hilfsarbeiter zu schaffen, sondern in erster Linie darum, Menschen bei der Integration zu unterstützen“, betonte sie.

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Erleichtert wurde die Aufnahme von Arbeitsangelegenheiten mit dem Ende Februar vom Bundestag beschlossenen „Abschiebegesetz“, das auch an Schrauben bei der Integration gedreht hat. Davor galt: Menschen in Flüchtlingsunterkünften konnten gemeinnütziger Arbeit in den Einrichtungen nachgehen, dort etwa bei der Essensausgabe helfen oder sich als Sprachmittler einbringen und dafür die 80 Cent hohe Entschädigung erhalten. Einer solchen Tätigkeit gehen laut Stadt aktuell zwölf Menschen in Gelsenkirchen nach. „Jetzt ermöglicht uns das Gesetz, mit den Arbeitsangelegenheiten auch aus den Einrichtungen heraus zu gehen“, erläutert Henze. So könnten sogar unbesetzte Planstellen mit den Asylsuchenden besetzt werden.

Jobs für Geflüchtete in Gelsenkirchen: Das ist der Ausblick

So wird es bei Gelsendienste nicht gehandhabt, die Stellen wurden extra geschaffen. Aber ohnehin seien die Möglichkeiten des Gesetzes in der Realität schwer auszuschöpfen, merkt Habib Elieyi an. Man könne ja beispielsweise schwer eine Mutter ohne fachpädagogische Qualifizierung auf eine nichtbesetzte Erzieherinnen-Stelle setzen. Um auch mehr Frauen bei den Arbeitsangelegenheiten einzubinden, wolle man jedoch in der Zukunft schauen, ob auch bei stadteigenen Betrieben wie Gekita mehr Arbeitsangelegenheiten für Geflüchtete in Form von Extra-Stellen geschaffen werden könnten, gab Stadträtin Henze einen möglichen Ausblick. „Das könnten wir uns vorstellen.“

Sozialdezernentin Andrea Henze: „Eher ein Marathon als ein Sprint.“
Sozialdezernentin Andrea Henze: „Eher ein Marathon als ein Sprint.“ © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Dass es bald eher die Regel als die Ausnahme sein wird, dass Menschen in Flüchtlingsunterkünften Arbeitsangelegenheiten nachgehen, das dürfe man aber nicht erwarten, gab Henze zu. „Es wird eher ein Marathon als ein Sprint.“ Ziel sei im nächsten Schritt zunächst, auch verstärkt auf die Bezieher von Asylbewerberleistungen außerhalb von Flüchtlingsunterkünften zuzugehen. Henze: „Das hier bei Gelsendienste ist der Probelauf. Und wenn es gut läuft, dann werden die auch mehr an die Menschen herantreten, die schon in eigenen Wohnungen leben.“

Keine stärkere Förderung bei Flüchtlingen, die Bürgergeld beziehen

Die Arbeitsangelegenheiten sind für Menschen gedacht, die Asylbewerberleistungen erhalten. Das sind beispielsweise Menschen, deren Asylstatus noch ungeklärt ist oder die sich als „Geduldete“ in Gelsenkirchen aufhalten, also eigentlich ausreisepflichtig sind, aber aus verschiedenen Gründen nicht abgeschoben werden können. Etwa 1500 Leistungsbezieher gibt es in Gelsenkirchen, davon lebt etwa die Hälfte in Unterkünften, die andere in eigenen Wohnungen. Natürlich gibt es auf der anderen Seite aber auch noch viele Menschen mit Fluchthintergrund, die Bürgergeld erhalten, weil sie einen Aufenthaltstitel besitzen. Für diese Menschen hingegen ist der Ausblick schlechter, was die Integration in den Arbeitsmarkt angeht.

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So sehen Pläne der Ampel-Regierung beispielsweise vor, sogenannte 16i-Stellen nicht intensiver zu bezuschussen als bisher. Von diesen Stellen gibt es aktuell rund 690 in Gelsenkirchen gibt. Dahinter stecken sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten für Langzeitarbeitslose, die anfangs vollständig vom Staat finanziert werden – auch ein mögliches Förderinstrument für Menschen mit Asylhintergrund. Laut Andrea Henze lässt sich der „Status Quo“ in Gelsenkirchen mit den geplanten Finanzmitteln zwar aufrechterhalten, das heißt, die Zahl der bestehenden geförderten Jobs müsse nicht reduziert werden. „Wichtig wäre allerdings, zusätzliche Angebote zu schaffen“, betont sie. „Das aber ist bei der aktuellen Finanzierungslage schwierig.“