Gelsenkirchen. Der Großteil der Menschen, die Asyl in Gelsenkirchen beantragt haben, sind „Geduldete“. Die Abschiebung ist aus diversen Gründen nicht möglich.

Ein großer Teil der Menschen, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Gelsenkirchen erhalten, sind ausreisepflichtig: Sie haben lediglich einen Duldungsausweis, müssten das Land also eigentlich wieder verlassen. Das trifft auf 967 von insgesamt 1675 Personen zu, also auf etwa 58 Prozent der Leistungsbezieher.

Unterstützung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten jene Menschen, deren Asylantrag noch in Bearbeitung ist oder abgelehnt wurde. Letzteres trifft auf die Geduldeten zu: Ihr Antrag auf Schutz in Deutschland wurde abgelehnt, aus verschiedenen Gründen können sie jedoch nicht abgeschoben werden. Wird der Asylantrag positiv beschieden, dann erhalten die Menschen keine Asylbewerberleistungen mehr, sondern bekommen – solange sie keiner Arbeit nachgehen – Leistungen vom Jobcenter, also Bürgergeld (ehem. Hartz IV).

Wie die Gelsenkirchener Ausländerbehörde auf Nachfrage der WAZ mitteilt, befinden sich unter den Geduldeten besonders viele Menschen aus Serbien (153), dem Irak (91) und der Türkei (66). „Unsere Vermutung ist, dass die Zahl der Serbinnen und Serben deshalb so groß ist, weil es ihnen aufgrund der Visa-Vorschriften einfach gemacht wird, in Deutschland einzureisen“, sagt Stadtsprecher Martin Schulmann. Serbische Staatsangehörige können sich ohne Visum bis zu 90 Tage in Deutschland aufhalten. Statt dann zurückzukehren, stellen offenbar zahlreiche Menschen einen – meist aussichtslosen – Asylantrag.

Abschiebung oft nicht möglich aufgrund fehlender Papiere

Nach Angaben der Stadt wurden im Jahr 2022 insgesamt 87 Personen in ihre Herkunftsländer abge-schoben. 157 Personen seien freiwillig in ihre Heimatländer zurückgekehrt. Angaben über eine durchschnittliche „Verweildauer“ von Geduldeten gebe es nicht.

Ausgesetzt werden können Abschiebungen aber aus unterschiedlichsten Gründen, etwa aufgrund von Krankheiten, unzumutbarer Familientrennung – oder fehlender Papiere: „Die Aussetzung der Abschiebung ist insbesondere auf fehlende Reisedokumente zurückzuführen“, heißt es seitens der Ausländerbehörde. „Hierbei sind es oftmals Personen aus West- und Ostafrika, die keinerlei Identitätsdokumente bei sich führen.“ Dabei geht es um Länder wie Ghana, Nigeria, Eritrea oder Somalia.

Der Zugang zu Integrationskursen ist für Geduldete nicht so einfach wie für Menschen, die einen Aufenthaltstitel erlangt haben.
Der Zugang zu Integrationskursen ist für Geduldete nicht so einfach wie für Menschen, die einen Aufenthaltstitel erlangt haben. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Gegen eine Abschiebung kann in seltenen Fällen auch der Arbeits- oder Ausbildungsvertrag eines Geduldeten sprechen. Allerdings ist es für Geduldete aufgrund einer mangelnden Perspektive in Deutschland erwartungsgemäß schwierig, einer Arbeit nachzugehen: Lediglich 52 Personen, also fünf Prozent der insgesamt 976 Geduldeten, sichern sich nach Angaben der Stadt ihren Lebensunterhalt durch Arbeit. Bei den Menschen, die sich im laufenden Asylverfahren befinden, sind es übrigens weit mehr: Fast ein Viertel (25 Prozent) geht einer existenzsichernden Arbeit nach.

Die Ausstellung einer Duldung gehört zu den häufigsten Tagesgeschäften der Ausländerbehörde, das stark belastete Amt ist also sehr viel hiermit beschäftigt. „Die Gültigkeit einer Duldung liegt im Ermessen der Ausländerbehörde, wobei sie angewiesen ist, einen Zeitraum von drei Monaten grundsätzlich nicht zu überschreiten“, erläutert man dort.

Viele Geduldete in Gelsenkirchen wohnen in eigenen Wohnungen

Viele Geduldete hangeln sich also von Duldung zu Duldung, durchaus auch über Jahre, gar Jahrzehnte – für die Menschen nicht selten eine integrationshemmende, zermürbende Situation. „Es gibt Menschen, die seit über 20 Jahren im Duldungsstatus sind“, erläutert Dietmar Klobuschinski, Leiter der städtischen Abteilung „Flüchtlinge und Wohnungslose“ im Sozialreferat.

Auch das dürfte ein Grund sein, warum viele der Geduldeten mit der Zeit in Privatwohnungen untergebracht werden. Grundsätzlich versuche die Stadt Menschen mit guter Bleibeperspektive bei der Wohnungsvermittlung zu priorisieren, betont Klobuschinski. Das heißt beispielsweise: Ein Syrer wird in der Regel schneller aus einer Flüchtlingsunterkunft ausziehen können als ein Serbe, Nigerianer oder Türke. Dennoch leben 743 der Geduldeten, also rund 75 Prozent, in Privatwohnungen.

Das liegt offenbar nicht nur an dem Grundsatz der Stadt, die Menschen dezentral unterbringen zu wollen. Wie Klobuschinski erläutert, geht es schlichtweg auch darum, Platz in den Flüchtlingsunterkünften für Neuankömmlinge zu schaffen. Man könne sie nicht ewig in den Unterkünften wohnen lassen und die Plätze so blockieren.

Integration: Zugang zu Integrationskursen ist für Geduldete nicht einfach

Während die Geduldeten und Asylbewerber in den Flüchtlingsunterkünften eng von den dort aktiven Wohlfahrtsverbänden betreut werden, sind sie nach dem Auszug allerdings viel mehr auf sich alleine gestellt. Die Integration muss also zu einem erheblichen Teil eigenverantwortlich geschehen.

Im Gegensatz zu Menschen, die einen positiven Asylbescheid bekommen, müssen Geduldete in der Regel auch keine Integrationskurse zum Erwerb eines B1-Sprachniveaus abschließen. „Über eine individuelle Teilnahmeverpflichtung entscheiden Jobcenter, Ausländer- oder Sozialbehörden“, heißt es zwar aus dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Eine „generelle Teilnahmepflicht“ bestehe jedoch nicht.

Beantragen kann ein Geduldeter die Zulassung zu einem Integrationskurs auch selbst, aus „dringenden humanitären oder persönlichen Gründen“ oder sofern es „erhebliche öffentliche Interessen“ an seiner vorübergehenden weiteren Anwesenheit in Deutschland erfordern, heißt es beim BAMF. Heißt: Simpel ist der Zugang zu professionellen Integrationskursen für Menschen nicht, solange sie im Duldungsstatus verbleiben.