Gelsenkirchen. Fünf Jahre sorgen diese Frauen dafür, dass es am Gelsenkirchener Flüchtlingsheim lebenswerter ist. Der Zuspruch, den sie erhalten, schrumpft.

Unweit der erst kürzlich eingeweihten, brandneuen Spielgeräte drehen die Kinder mit ihren Gokarts ihre Runden. Andere vergnügen sich im Sand oder üben neue Balltricks ein. Ein missglücktes Manöver befördert den Ball auf einen prall gefüllten Kuchenteller. Man streitet – und spaßt – in einem Wirrwarr aus Arabisch, Englisch, Farsi. Die Kräuter gedeihen, die Blüten blühen, die „Sonnenblume“ steht auf dem Schild an einem alten Vereinsheim. So heißt die Villa Kunterbunt dieses Ortes, die Kreativwerkstatt in der großen zentralen Flüchtlingsunterkunft an der Adenaueralle. Tatsächlich kann so ein Ort auch alles andere als trostlos sein.

Seit fünf Jahren wird in der „Sonnenblumen“-Werkstatt mittlerweile gegärtnert und geschnitzt, gebastelt und gebacken, gespielt und gelernt – nicht nur als gelegentliches Angebot, sondern jeden Tag. „Wir wollen eine Tagesstruktur und Beschäftigung für die Familien entwickeln“, sagt Susanne Schrade, die die Kreativwerkstatt 2019 ins Leben gerufen hat und hier neben ihrem Wirken als Künstlerin beruflich tätig ist. „Leichtigkeit, geteiltes soziales Miteinander, gesellschaftliche Teilhabe“ sollen hier gelebt werden - Integration von Anfang an.

Geburtstag der „Sonnenblume“-Kreativwerkstatt in der Flüchtlingsunterkunft Adenauerallee in Gelsenkirchen-Erle: ein fröhliches Wirrwarr unterschiedlichster Sprachen.
Geburtstag der „Sonnenblume“-Kreativwerkstatt in der Flüchtlingsunterkunft Adenauerallee in Gelsenkirchen-Erle: ein fröhliches Wirrwarr unterschiedlichster Sprachen. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Gefördert wird das Projekt des „Task Force Flüchtlingshilfe e.V.“ mittlerweile von der „Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung“. Man will sich heute, zum offiziellen fünften Geburtstag, bei den Unterstützern bedanken. Auch Entscheidungsträger der Stadtverwaltung geben sich die Ehre.

Engagement für Flüchtlinge in Gelsenkirchen: „Ich erzähle das nicht überall“

Klingt alles rosig. Aber sich für Flüchtlinge einzusetzen, ob ehrenamtlich oder hauptberuflich, dafür erhalte man längst nicht mehr so viel Zuspruch wie zu der Zeit nach der großen Flüchtlingsbewegung 2015/2016 wo die „Task Force“ gegründet wurde, erzählt Mandy Hansen, die nach dem Tod ihres Vaters Jürgen Hansen den Vereinsvorsitz übernahm.

Da waren zum Beispiel die negativen Erfahrungen auf dem letzten Sommerfest von Schloss Berge. Mandy Hansen und ihr Team hatten den ganzen Tag Kinderschminken an ihrem Stand angeboten, um auf ihre Arbeit aufmerksam zu machen. „Mit der eigentlichen Thematik unseres Vereins hat sich aber keiner so wirklich auseinandergesetzt“, sagt sie. Wenn es nur beim Desinteresse geblieben wäre: „Wir wurden mehrfach angepöbelt, gegen unsere Schilder wurden getreten. Ob wir in Deutschland nicht genug Flüchtlinge hätten, rief man uns entgegen. Andere haben sowas gesagt wie: ,Wie kann man sich nur dafür engagieren?‘“, erinnert sie sich.

Da wurde noch deutlich mehr gespendet: Mandy Hansen von der „Task Force Flüchtlingshilfe“ im Ukraine-Spendenlager vor rund einem Jahr.
Da wurde noch deutlich mehr gespendet: Mandy Hansen von der „Task Force Flüchtlingshilfe“ im Ukraine-Spendenlager vor rund einem Jahr. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Auch zum „Selbstschutz“ erzählt Mandy Hansen deswegen nicht überall, was sie da eigentlich in ihrem Ehrenamt tue. „Du hältst dich da zurück“, sagt sie. „Man hat Sorge vor negativen Reaktionen.“ Auch als eine Kollegin neulich Aktivitäten des Vereins auf Instagram bewerben wollte, da sei das „nur nach hinten losgegangen.“ Ausschließlich negative Reaktionen seien gekommen. „Die Stimmung ist gekippt“, sagt Mandy Hansen.

„Task Force Flüchtlingshilfe“ nimmt weiter Spenden für Ukraine entgegen

Und das gelte nicht nur für den Umgang mit Schutzsuchenden aus dem Nahen Osten oder der arabischen Welt. Sprüche wie „die kommen nur hier und holen ihr Geld ab“ oder „die sind nur hier, um Urlaub zu machen“ höre Mandy Hansen mittlerweile auch immer öfter im Zusammenhang mit Flüchtlingen aus der Ukraine. Für das vom russischen Angriffskrieg erschütterte Land, insbesondere für die Stadt Krementschuk, sammelt die Familie Hansen mit ihrer „Task Force“ seit Jahren Spenden, aktuell jeden Samstag zwischen 9 und 15 Uhr an der Sporthalle an der Plutostraße 91die vor einem Jahr mehrmals verwüstet wurde.

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„Die Spenden sind leider zu 80 Prozent zurückgegangen“, sagt Hansen. Gebraucht werde deshalb alles – von Medikamenten über Kleidung bis Konserven. Man habe immer noch „die Stammkunden“, die etwas bringen. Neue Gesichter sehe man hingegen kaum noch. Allerdings stecke dahinter nicht nur eine wachsende Anti-Stimmung mit Blick auch auf die ukrainischen Geflüchteten, glaubt die Vereinsvorsitzende „Je mehr eigene Probleme die Leute haben, umso weniger kommen sie vorbei“, sagt sie und meint damit das so viel teurer gewordene Leben in Deutschland.

„Unterkriegen lässt man sich von dem Ganzen nicht“, sagt Mandy Hansen trotzdem. „Ich zweifle nicht an dem, was wir hier tun.“