Gelsenkirchen-Erle. Fußball und Riesen-Konzerte – die Schalker Arena erlebt einen Jahrhundertsommer. Immer dabei: Sanitäter im Dauereinsatz – während Tausende feiern.

Die Gitarren kreischen, die Bässe wummern, Zehntausende tanzen und die Getränke fließen in Strömen. In diesem Sommer löst eine Party die andere in Gelsenkirchen ab – beispielsweise das Taylor-Swift-Triple oder der Rammstein-Konzertmarathon. Ganz zu schweigen von den EM-Festwochen. Zwischen den feierwütigen Menschenmassen: die Sanitäter des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), die sich um verletzte Besucher kümmern. Ein eingespieltes Team, hoch konzentriert bei der Sache.

Ohne Leidenschaft geht nichts in diesem Job - davon sind Birgit Jansen und Thorsten von der Fecht überzeugt. Jansen ist leitende Notärztin, von der Fecht der Einsatzleiter des DRK am dritten von fünf Rammstein-Konzerten. Massenaufläufe wie jetzt, bei denen am Ende insgesamt 300.000 Menschen in die Multifunktionsarena gepilgert sind, kennen sie zur Genüge. Die Kölnerin und der Gelsenkirchener - „ein Resser Junge“ - sind seit Jahrzehnten schon im Dienst für andere.

Wegen Mega-Star Taylor Swift wurde die Emscherstadt zu „Swiftkirchen“. Gelsenkirchen kam dadurch weltweit in die Schlagzeilen.
Wegen Mega-Star Taylor Swift wurde die Emscherstadt zu „Swiftkirchen“. Gelsenkirchen kam dadurch weltweit in die Schlagzeilen. © dpa | Lennart Preiss

AC/DC, Herbert Grönemeyer, Olé auf Schalke, Pur, Fußball-Bundesliga - kaum eine Großveranstaltung mit Strahlkraft weit über die Stadtgrenzen hinaus, die das Duo nicht mit begleitet hat. Natürlich auch die Fußball-Europameisterschaft, den Auftakt der Deutschland-Konzerte von Mega-Star Taylor Swift oder eben jetzt den fünffachen Aufschlag von Deutschlands erfolgreichstem Musikexport Rammstein. Jansen und von der Fecht können genau sagen, worin sich ihre Einsätze ähneln oder unterscheiden.

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Taylor Swift und Rammstein in Gelsenkirchen: Warum die Fans in der ersten Reihe schlapp machen

„Während der EM war es deutlich ruhiger als bei Bundesligaspielen auf Schalke, wir hatten gut 50 Prozent weniger Einsätze“, sagt Notärztin Birgit Jansen. Kreislaufprobleme, Schürfwunden und Prellungen nach Stürzen bildeten das Gros der medizinischen Hilfeleistungen. Bei Taylor Swift und Rammstein sieht es anders aus. Beide Male spielt der Flüssigkeitshaushalt eine Rolle.

DRK-Einsatzleiter Thorsten von der Fecht (l.) und die leitende Notärztin Birgit Jansen bei einem von fünf Rammstein-Konzerten in der Gelsenkirchener Veltins Arena.
DRK-Einsatzleiter Thorsten von der Fecht (l.) und die leitende Notärztin Birgit Jansen bei einem von fünf Rammstein-Konzerten in der Gelsenkirchener Veltins Arena. © Nikos Kimerlis

Bei Konzerten der Pop-Ikone waren es überwiegend Frauen, die Hilfe der DRK-Retter nötig hatten. Und es waren medizinisch betrachtet eher „Lappalien“, die behandelt wurden. Meist beschränkte sich die Hilfeleistung auf die „Versorgung wund gelaufener Füße, weil viele Swifties es ihrem Idol nachmachten und Stiefel mit hohen Absätzen getragen haben, für die Jüngeren wohl noch gewöhnungsbedürftig“, erinnert sich Thorsten von der Fecht. Dazu kamen Wespenstiche und Erschöpfungen.

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Bei den Rammstein-Konzerten „spielt Alkohol eine deutlich größere Rolle“, hat Birgit Jansen festgestellt. Und dass das Publikum nach nunmehr 30 Jahren Bandgeschichte oft auch „ein älteres“ ist. Folge: Kreislaufversagen oder Herzrhythmusstörungen, gepaart mit Schwindel, Brustschmerz oder Kurzatmigkeit.

Die erste Reihe macht den Fans beider Musik-Größen dabei gleichermaßen zu schaffen. „Wer ganz vorne steht, geht meist nicht auf die Toilette oder zum Getränkestand, um ja seinen Platz zu nicht zu verlieren“, so die Notärztin. Die meisten haben ohnehin eine lange Anreise und stundenlanges Anstehen hinter sich. Das schlaucht zusätzlich. „Wer dann zuvor zu viel Alkohol oder zu wenig Wasser getrunken hat, der macht in dem hitzigen Gedränge schlapp.“

Ausgelassen feiern Rammstein-Fans den Auftritt ihrer Rock-Idole in Gelsenkirchen. Alkohol spielt nach DRK-Angaben eine größere Rolle bei Einsätzen als bei Taylor Swift.
Ausgelassen feiern Rammstein-Fans den Auftritt ihrer Rock-Idole in Gelsenkirchen. Alkohol spielt nach DRK-Angaben eine größere Rolle bei Einsätzen als bei Taylor Swift. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Bilanz nach jeweils drei Tagen Taylor Swift und Rammstein: 321 Einsätze und 28 Krankenhaustransporte (Swift) gegenüber bislang 280 Einsätzen und 35 Kliniktransporten (Rammstein). Die Berliner spielen insgesamt fünfmal auf Schalke.

Auch während des Gesprächs sind Jansen und von der Fecht gefragt Leute. Das ist eine frisch tätowierte junge Frau, die sicherheitshalber „mehr Pflaster zur Abdeckung“ der Körperkunst braucht, die Sonne brennt ihr direkt auf den nackten Oberarm. Da ist ein junger Mann, der vor lauter Euphorie „Ohropax zuhause hat liegen lassen“ und da ist der ergraute Mann in den 60ern, der wissen will, wo er denn als „Rollifahrer einen Platz in der Arena findet“.

Einsatzgebiet Veltins-Arena – Rettungskräfte: „Wir kennen die besten Schleichwege“

Um für Großereignisse dieser Art gewappnet zu sein, verteilen sich 110 Einsatzkräfte des DRK in und um die Arena. Vier weitere Notärzte sind neben Birgit Jansen im Einsatz. „Unter anderem stehen vier Rettungs-, zwei Notarzt- und sieben Krankenwagen bereit, dazu drei Helfer der Motorradstaffel des DRK“, erklärt Thorsten von der Fecht. In sechs Wachbereichen, sie reichen von der Schalker Geschäftsstelle bis zur Haltestelle Veltins Arena, patrouillieren DRK-Teams. In Nord- und Gästekurve sind Sanitätsräume mit mehreren Behandlungsplätzen eingerichtet, im Innenraum der Arena stehen zwei Zelte, einmal hinter der Bühne und einmal unterhalb der Nordkurve.

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„Wir kennen die besten Schleichwege“, sagt der DRK-Einsatzleiter auf die Frage, wie man sich in dem Gewimmel aus rund 60.000 Menschen pro Event zurechtfindet und schnell an die Einsatzorte eilt. Heißt: Abkürzungen, die es den Helfern trotz breiter Menschenströme erlauben, „innerhalb von fünf Minuten an jeder Stelle im Einsatzgebiet zu sein“.

Rund 300.000 Fans haben Rammstein bei fünf Konzerten in Gelsenkirchen gefeiert.
Rund 300.000 Fans haben Rammstein bei fünf Konzerten in Gelsenkirchen gefeiert. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Schwierig ist es, im Dauerfeuer musikalischer Breitseiten und bebendem Boden „Puls und Herzschlag eines Patienten zu kontrollieren“, berichtet Birgit Jansen vom Arena-Alltag des Sani-Teams. Gehör und Fingerspitzengefühl werden während eines Konzertes trotz Stethoskop und fachkundigem Griff auf eine harte Probe gestellt. Ebenso die Kondition. Denn die Dienstkleidung sei alles andere als atmungsaktiv. Jahrelange Erfahrung ist da gefragt, und zum Glück gibt es hilfreiche Technik - selbst ein EKG stellt kein Problem für die Helferinnen und Helfer dar.

Schalker Arena: Keine Bundesliga, kein Konzert ohne Ehrenamtliche - 80 Prozent der DRK sind Freiwillige

Letztere sind übrigens „zu 80 Prozent ehrenamtlich im Einsatz“, merkt Thorsten von der Fecht an. Sie opfern also ihre Freizeit, um anderen eine unvergessliches Erlebnis zu ermöglichen. „Ohne sie“, so der DRK-Einsatzleiter, „keine Bundesliga, keine Taylor Swift, kein Rammstein - so sieht‘s aus.“

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Ihre härtesten Einsätze? Reanimationen - in der vergangenen Fußball-Saison mussten die Retter gleich dreimal Menschen von der anderen Seite zurückholen. Bei Jansen und von der Fecht hallen solche Ereignisse wie ein Echo lange nach. „Es beschäftigt einen, besonders die Frage: Haben die Patienten es am Ende geschafft?“ Oft erfahren sie es nicht, wegen des strengen Datenschutzes. Höchstens, wenn ein Patient sich die Mühe macht, sich im Nachhinein bei der Rettungsorganisation durchzufragen, um sich bei den Ersthelfern persönlich zu bedanken. Darauf kommt es am Ende aber nicht an: „Hauptsache, es hat jemand geholfen, das zählt.“