Essen. Es gibt Alternativen, findet Peter Brdenk. Der Architekt kennt das Moltkeviertel gut und kritisiert den Umgang der Stadt mit dem Thema Baukultur.

Noch ist das Schicksal der Villa an der Schinkelstraße 38 im Essener Moltkeviertel ungeklärt. Die Stadt will das rund 100 Jahre alte Gebäude abreißen, weil das Grundstück für eine neue Grundschule entlang der benachbarten Moltkestraße gebraucht wird. Anwohner kämpfen seit Monaten für den Erhalt des Hauses. Auch der Architekt Peter Brdenk kann sich Alternativen vorstellen. Er kritisiert zudem den generellen Umgang der Stadt mit dem Thema Baukultur.

Der Bedarf an neuen Schulplätzen ist groß, daran hat Peter Brdenk (65) keine Zweifel. Er will sich keinesfalls in die Planungen – soweit bisher bekannt – einmischen, betont er auf Anfrage dieser Redaktion. Dennoch hat er eine Meinung zu der vom Abriss bedrohten Villa an der Schinkelstraße: Das Gebäude lässt sich durchaus in das Schulprojekt integrieren, findet er.

Essener Architekt sieht Alternativen zum Villenabriss

„Das Haus war ja bis vor kurzem bewohnt und sieht nicht so aus, als ob es morgen zusammenbrechen würde“, sagt der Architekt. Viele Teile des Gebäudes, wie die Art-Deco-Elemente, seien nicht mehr originalgetreu, aber man könne die Fassade vermutlich nach alten Plänen wieder so herrichten, wie sie in den 1920er Jahren ausgesehen hat.

Wie es innen aussehe, sei nicht entscheidend, findet Brdenk und kann sich eine Nutzung als Lehrerzimmer, als Büro des Schulleiters oder der Verwaltung vorstellen. Das Ganze sei eine sensible Bauaufgabe, aber seine damit befassten Kolleginnen und Kollegen würden sicherlich Lösungen finden. „Wenn Planer sagen, es geht nicht, haben sie ihren Beruf verfehlt“, ist Brdenk überzeugt.

Abriss oder Erhalt der Villa – darüber wird seit Monaten im Stadtteil diskutiert. Anwohnerinnen und Anwohner hatten bereits im Sommer 2024 eine Aktionsgemeinschaft für den Erhalt des Gebäudes gegründet. Inzwischen haben sie vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Anfechtungsklage eingereicht und so erst einmal einen Aufschub erwirkt. Denn eigentlich hatte die Stadt bereits Ende November mit dem Abriss beginnen wollen.

Die Villa an der Schinkelstraße 38 ist rund 100 Jahre alt und soll für die geplante Grundschule nebenan weichen.
Die Villa an der Schinkelstraße 38 ist rund 100 Jahre alt und soll für die geplante Grundschule nebenan weichen. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Nicht nur das Schicksal der Villa, auch der Umbau des Bundesbank-Gebäudes von 1986 zur Schule beschäftigen Peter Brdenk. Einige Details zur Gestaltung hat die Stadt bereits veröffentlicht: So soll das Gebäude eine Fassade aus Holz erhalten, aus Gründen der Nachhaltigkeit und um sich in die Umgebung im Moltkeviertel gut einzufügen.

Das nachwachsende Baumaterial Holz ist sehr pflegebedürftig

Holz sei aktuell das klimatechnisch beste Baumaterial, weil es nachwachse und eine gute CO2-Bilanz aufweise, bestätigt Brdenk. „Allerdings ist es pflegebedürftig“, sagt der Architekt und möchte sich Graffiti-Gekritzel darauf lieber nicht vorstellen. Ziegel und Putz seien Varianten der Fassadengestaltung, die eher typisch für das Moltkeviertel seien, erläutert er an verschiedenen Beispielen.

Der Architekt kennt sich im Umfeld gut aus, ist Mitherausgeber des Buchs „Das Moltkeviertel in Essen – Die etwas andere Gartenstadt“. Der 65-Jährige ist in Essen geboren und verfolgt die Stadtentwicklung seit Jahrzehnten. Den Umgang seiner Heimatstadt mit dem Thema Architektur und Baukultur sieht er dabei kritisch.

Essen ist für Brdenk das „Dorf unter den Großstädten“, die einzige deutsche Großstadt, an deren Hochschulen es keinen Studiengang für Baukultur mehr gebe. Er selbst hat damals in Dortmund, aber eben auch noch in Essen studiert.

In Essen fehlt dem Architekten ein Gestaltungsbeirat

In Essen fehle ein Gremium, das sich mit baukulturellen Fragen beschäftige, was man der Politik durchaus als Arroganz auslegen könne. „Gäbe es einen Gestaltungsbeirat wie in anderen Städten, hätte Baukultur hier vielleicht einen anderen Stellenwert. Aber offenbar hat Essen das nicht nötig“, kritisiert Peter Brdenk, Mitglied im Bund deutscher Architekten (BDA).

Das Essener Moltkeviertel zeichnet sich durch seine vielfältige, aber stimmige Architektur aus.
Das Essener Moltkeviertel zeichnet sich durch seine vielfältige, aber stimmige Architektur aus. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Früher sei es um die Lehre in Sachen Bauen und Gestalten besser bestellt gewesen. Es gab im Moltkeviertel die von Edmund Körner geplante Baugewerkschule, das heutige Robert-Schmidt-Berufskolleg, die Handwerker- und Kunstgewerbeschule im alten Rathaus Rüttenscheid, später den Fachbereich Landschaftsarchitektur, Bio- und Geowissenschaften an der Uni, zählt der Architekt auf. Und man habe die Leistung von Baumeistern und Architekten gewürdigt: „Im Moltkeviertel sind fast alle Straßen nach Baumeistern oder Architekten benannt.“

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Peter Brdenk verweist auf das Gesamtkonzept des Moltkeviertels, das die Architekten um den Planer Robert Schmidt mit großer Weitsicht und Sinn für Nachhaltigkeit geschaffen hätten. Dieses Erbe gelte es zu verwalten. Die Gartenstadtthematik sei typisch für jene Zeit gewesen, mit Tennisplätzen und Grünflächen habe man Aufenthaltsqualität geschaffen.

In diesem Haus an der Schinkelstraße 34 wohnte einst der frühere Bundespräsident Gustav Heinemann. Heute steht es unter Denkmalschutz.
In diesem Haus an der Schinkelstraße 34 wohnte einst der frühere Bundespräsident Gustav Heinemann. Heute steht es unter Denkmalschutz. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Brdenk lenkt den Blick nicht nur auf das große Ganze, sondern auch auf individuell gestaltete Gebäude, wie die unter Denkmalschutz stehende Villa an der Schinkelstraße 34, in der der frühere Bundespräsident Gustav Heinemann mit seiner Familie lebte. Direkt gegenüber steht ein von Georg Metzendorf, Architekt der Margarethenhöhe, entworfenes Ziegelgebäude, das als Kutscherhaus diente.

Architekt plädiert für einen sensiblen Umgang mit alter Bausubstanz

Der Architekt plädiert für einen sensiblen Umgang mit dem baukulturellen Erbe: „Durch den Krieg sind Gebäude im Moltkeviertel beschädigt worden, andere haben wir ganz verloren. Aber auch nach dem Krieg ist noch viel ,weggekloppt‘ worden. Damals gab es noch keinen Denkmalschutz.“ Inzwischen habe man immerhin die Erhaltungssatzung für das Moltkeviertel, die allerdings von der Stadt „eher schwammig interpretiert“ werde. Brdenk mahnt: „Bausubstanz geht verloren, wenn sich keiner kümmert.“

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