Essen-Südostviertel. Die Stadt will ein ehemaliges Bankgebäude im Essener Moltkeviertel zur Schule umbauen. Anwohner sehen Gefahr für das historische Ensemble.
Die geplante Einrichtung einer neuen Grundschule im Essener Moltkeviertel, die die Stadt Essen unlängst bekannt gegeben hat, sorgt weiter für Diskussionen. Bereits im Frühsommer hatten Anwohnerinnen und Anwohner eine Aktionsgemeinschaft gegen den Abriss des fast 100 Jahre alten Wohnhauses an der Schinkelstraße 38 ins Leben gerufen. Dieses soll im Zuge des Schulprojekts weichen.
„Für die geplante vierzügige Grundschule ist der Umbau und die Erweiterung des ehemaligen Bundesbankgebäudes erforderlich. Aufgrund der erforderlichen Freiflächen auf dem Schulhof und auch aus baurechtlichen Gründen kann die Villa nicht erhalten werden“, teilt die Stadt auf Anfrage dieser Redaktion mit. Das Haus sei nicht denkmalgeschützt, auch die Erhaltungssatzung für das Moltkeviertel stehe einem Abriss nicht entgegen, so Burkhard Leise vom Presseamt der Stadt.
Die Anwohner hatten vor Monaten – eher zufällig – von den Plänen der Stadt erfahren, im ehemaligen Bundesbank-Gebäude an der Moltkestraße eine neue Grundschule für den Bereich Rüttenscheid einzurichten. Die Suche nach einem geeigneten Gelände für einen Schulneubau hatte sich als schwierig erwiesen, wie die Stadt jetzt bekannt gab.
Die Stadt Essen will im ehemaligen Bankgebäude eine neue Schule einrichten
Die Pläne zur Nutzung des früheren Bankgebäudes sind inzwischen offiziell. Bei einem Treffen von rund 40 Nachbarn vor Ort Anfang Juni hatte es sich dabei noch um ein unbestätigtes Gerücht gehandelt, das für die Bürger aber Grund genug war, aktiv zu werden.
Jetzt ist klar: Die Stadt hat das leerstehende, ehemalige Bundesbank-Gebäude und das rund 5000 Quadratmeter große Gelände gekauft. Für rund 36 Millionen Euro soll das Gebäude aus dem Jahr 1986 in eine Schule für 416 Kinder verwandelt und dazu entkernt, aufgestockt und erweitert werden.
Die Aktionsgemeinschaft Moltkeviertel/ Neu (AGM/N), die in der Tradition der Gruppe steht, die sich schon 1983/84 für den Erhalt des Straßenbildes im Moltkeviertel eingesetzt hatte, will sich aber weiter für den Schutz des historisch und architektonisch besonderen Viertels einsetzen, betont Klaus Witte, Rechtsanwalt und Sprecher der Gruppe, der sich unter anderem von Oberbürgermeister Thomas Kufen Unterstützung erhofft.
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Die Anwohner sehen das Gebäude als „Ankerpunkt der zurückversetzten Häuserfront“, wie es auf dem Flugblatt unter dem Motto „Rettet Schinkel 38“ formuliert ist. Deshalb sei es auf jeden Fall erhaltenswert.
„Wir stellen nicht den Bau einer neuen Schule infrage, sondern setzen uns lediglich dafür ein, dass das Haus an der Schinkelstraße 38 nicht abgerissen wird. Das könnte man gut für Unterrichtszwecke nutzen oder auch als Direktoren- oder Lehrerwohnung“, erklärt Witte. Schon zu Bankzeiten seien die drei Wohnungen in dem Haus für Direktoren oder andere Angestellte der Bank genutzt worden. Der Anwohner kann sich auch andere sinnvolle Nutzungen des Mehrfamilienhauses mit großem Hochkeller vorstellen.
Bei der Stadt sieht man das anders: Das Gebäude sei als Schule ungeeignet und eine Schulnutzung grundsätzlich – unter anderem aufgrund der Brandschutzanforderungen, der Schulbauleitlinie und der Vorgaben zur Unfallverhütung der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung – nicht zulässig, heißt es. Auch die Nebenräume seien, beispielsweise für Lehrerzimmer, nicht brauchbar.
„Die Räume sind zu klein, um dort Unterricht oder auch die Betreuung im Ganztag zu gewährleisten. Die Villa wurde auch in den letzten Jahren weder instand gehalten, noch sind die statischen Anforderungen für eine Schulnutzung gegeben. Die Raumhöhen sowie die Schulhofflächen reichen ebenfalls nicht für eine schulische Nutzung“, so Leise weiter. An der Stelle sollen ein Schulhof und eine Freifläche für die Schülerinnen und Schüler entstehen.
Die Stadtvilla ist ein Beispiel für die Architektur im Essener Moltkeviertel
Das Gebäude an der Schinkelstraße 38 wurde 1925 errichtet und ist ein Beispiel für den im Moltkeviertel vielerorts üblichen Baustil der Gründerzeit.
Die Mitglieder der Aktionsgemeinschaft Moltkeviertel verweisen nun auf die bestehende Erhaltungssatzung für die Siedlung. „Aufgrund des Ensembleschutzes ist eine Abrissgenehmigung erforderlich“, sagt Witte. Was die Stadt auch nicht bestreitet. Witte und andere Nachbarn vermuten, dass die Planungen für das Schulprojekt schon länger laufen. Sie fühlen sich von der Stadt nicht rechtzeitig und umfassend informiert.
Die ehemaligen Bankgebäude stehen inzwischen leer. Auch das Ehepaar, das bis zuletzt noch allein in der früheren Direktorenvilla an der Schinkelstraße 38 wohnte, ist inzwischen ausgezogen, wie die Stadt bestätigt. Noch im Juni hatte das Ehepaar, das dort seit über 20 Jahren lebte, erklärt, dass es den angebotenen Aufhebungsvertrag nicht unterschreiben werde.
Die Essener Aktionsgemeinschaft setzt sich weiter für den Erhalt des Hauses ein
Witte, der sich nach eigenen Angaben in den vergangenen Monaten aus gesundheitlichen Gründen von den Aktivitäten der Aktionsgemeinschaft zurückgezogen hatte, will sich jetzt wieder stärker engagieren. In den vergangenen vier Monaten habe es weitere Versammlungen der Gruppe gegeben.
Die Anwohner hatten deutlich gemacht, dass es ihnen nicht nur um das architektonische Bild des Viertels gehe. Sie fragen sich auch, ob die Infrastruktur der historischen Siedlung weiteren Verkehr, wie er von einer zusätzlichen Schule ausgehen werde, überhaupt aufnehmen könne. In der Nähe befinden sich bereits die Internationale Schule und das Robert-Schmidt-Berufkolleg.
Die Planungen für den Umbau werden laut Stadt intensiv vorangetrieben. Auskünfte zum Zeitplan und über die Fertigstellung könnten erst mit vorliegender Baugenehmigung gegeben werden. Im ersten Schritt werde das Gebäude der ehemaligen Bundesbank dann entkernt und die Fassade werde demontiert. Das zweite Obergeschoss werde abgetragen, sodass nur noch der Rohbau der ehemaligen Bundesbank stehen bleibe, der für das zukünftige Schulgebäude weiterverwendet werde.
Außerdem soll die Tiefgarage zurückgebaut werden, an deren Stelle dann eine neue Turnhalle entstehen. „Gleichzeitig kann dann die Aufstockung und die Erweiterung des Schulgebäudes sowie die Montage der neuen Fassade erfolgen. Danach startet der Innenausbau“, so Leise.
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