Essen-Südostviertel. Beim Rundgang durch das historische Moltkeviertel in Essen erhielten die Teilnehmer Einblicke in die Philosophie der damaligen Stadtplaner.
Die Vereine „Die Kreative Klasse – Berufsverband Ruhr” und „Krebs im Bild” hatten an Architektur und lokalen Finessen interessierte Menschen ins Essener Moltkeviertel eingeladen. Rund 20 Teilnehmer lauschten den Ausführungen des Essener Journalisten und Autoren etlicher Beiträge zum Moltkeviertel, Tankred Stachelhaus.
Es waren vorwiegend Frauen, die der Einladung ins Moltkeviertel der beiden Vereine und deren Vorsitzenden Wolfgang Weber und Ines Buljanovic-Kröpfl gefolgt waren. Unter ihnen war auch Hubertina Spieker, die in der früheren Direktorenvilla der Landeszentralbank an der Schinkelstraße 38 wohnt.
Sie und weitere Nachbarn fürchten, dass das geschichtsträchtige Gebäude für einen Schulneubau weichen soll. Das Thema sei nach wie vor aktuell, wie Spieker zu Beginn der Führung berichtete. Man hoffe auf Unterstützung beim Protest gegen das Vorhaben.
Das Moltkeviertel und die Vereine
Das Moltkeviertel erstreckt sich von der Ruhrallee im Nordosten über die Töpferstraße im Südosten, weiter über die Friedrich-Küch-Straße und die Rellinghauser Straße, im Westen entlang der Bahntrasse bis zur Kronprinzenstraße.
Die Kreative Klasse - Berufsverband Ruhr ist ein Berufsverband für die Kultur- und Kreativwirtschaft im Ruhrgebiet. Er bildet eine Community für Menschen, die sich künstlerisch ausdrücken, kreativ denken und/oder innovativ im Netzwerk arbeiten möchten. Alle Branchen der Kreativwirtschaft finden hier eine gemeinsame Aktions- und Kommunikationsplattform. Mitglieder des Vereins wollen mit interessanten Angeboten ein kulturbegeistertes Publikum inspirieren.
Der Verein „Krebs im Bild“ organisiert als Schwerpunkt seiner Aktivitäten nach holländischem Vorbild bundesweit Schreib- und Malgruppen, sowie Chöre (die nach der coronabedingten Pause langsam wieder starten) für an Krebs erkrankte Menschen, deren Angehörige und Freunde und alle, die mitmachen wollen. All diese Aktivitäten sollen das Immunsystem fördern, Freude am gemeinsamen Erleben bewirken und so die Betroffenen stärken.
Bereits beim Start auf den Treppen zum heutigen Robert-Schmidt-Berufskolleg, wo nach den Ferien wieder um die 2000 Schülerinnen und Schüler kaufmännisch ausgebildet werden, kam bei den Teilnehmern, die zum Teil aus dem Viertel, aber auch zum Beispiel aus Heisingen und Kupferdreh angereist waren, Spannung auf. Tankred Stachelhaus ging in seiner Einführung auf die frühere Bedeutung des Gebäudes als königliche Baugewerkschule Essen-Ruhr ein.
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Das Essener Moltkeviertel zeichnet sich durch die besondere Architektur aus
Für die Schüler der Bergwerksschule sollte das Moltkeviertel ein Lehrstück sein. So berichtete Stachelhaus, das es erst im Jahr 1908 einen Bebauungsplan gab, in dessen Begründung gesagt wurde, sie entstehe an geeigneter Stelle, weil gerade hier bei jedem Schulgang wiederholt den Schülern die moderne künstlerische Entwicklung des Hausbaus lebensgroß vor Augen geführt werde: „Um sie zum Segen für ihren späteren Wirkungskreis abzubringen von der überlieferten Überladung der Häuser mit unverstandenen Stilformen.”
Begriffe wie „spannend”, „unglaublich schön”, „Wahnsinn” waren von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu hören, als sie die schier nicht enden wollenden Treppenstufen in den rund 50 Meter hohen Uhrenturm des Robert-Schmidt-Berufskollegs bewältigt hatten. Die Aussicht über den Essener Süden bei strahlendem Sonnenschein ist dann schon ein bleibendes Erlebnis und verbunden mit der Erkenntnis, dass das Gebäude tatsächlich am rechten Platz steht.
Dazu kamen Hinweise von Hausmeister Thomas Remmert, der den Zuhörern erklärte, dass auf dem Dachboden noch erhaltene Querschnittbauten von Kaminen und Lüftungen zu sehen sind. Systeme, die heute in dieser Art nie mehr gebaut würden. Tankred Stachelhaus erklärte, dass das Moltkeviertel der damaligen Zeit folgend dem „Helden von Sedan”, Graf von Moltke, gewidmet wurde. Eigentlich aber müsse das Viertel Architektenviertel genannt werden.
Was dort praktiziert worden sei, sei ein Vorläufer des Bauhausstils, geprägt von mehreren namhaften Architekten. Darum wurden Straßen nach Schinkel, Semper, Schmidt, Sitte, Schnutenhaus und weiteren benannt, deren architektonische und stadtplanerische Handschrift im Moltkeviertel noch heute zu bestaunen ist. Das sei Planung im Sinne der Menschen gewesen, nur er habe im Vordergrund gestanden.
Nach dem Willen der Architekten sollte das Auge Halt an Gebäuden im Essener Moltkeviertel finden
Für lange Zeit verschwand später diese bürgerfreundliche Art der Stadtplanung zugunsten des Straßenverkehrs in den Schubladen. Sittes stadtplanerische Philosophie war: „Die Augen sollten geführt werden, und zwar nicht in die endlose Ferne, wie es in vielen machtdemonstrierenden Repräsentationsstraßen der damaligen Zeit der Fall war, die einen als ganz klein, als ein Niemand, erniedrigten. Nein, die Augen sollten Halt finden.“
Genau dies wurde im Moltkeviertel berücksichtigt. Stadtplaner Robert Schmidt plante die Straßenzüge mit einem an der Topografie des Geländes angelehnten Schwung, sodass der Blick in der Nähe haften bleibt. Der Straßenraum wird so zu einem beschützenden Platz, so Stachelhaus. Und es sei viel Platz für grüne Oasen einbezogen worden.
Zum Abschluss der Führung ging es noch am Moltkeplatz, der größten Grünanlage im Viertel, vorbei an der 1910 von Architekt Richard Radeboldt erbauten Moltkebrücke und zur dortigen Kunst am Moltkeplatz.
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