Essen. Drei Patienten der Uniklinik Essen bekamen eine Spender-Leber. Der Arzt erklärt, wie es gelang, ein Kind ohne Spenderorgan zu retten.
Weil sie giftige Knollenblätterpilze gegessen hatten, wurden Mitte Oktober drei Kinder und ein Vater mit akutem Leberversagen in die Uniklinik Essen eingeliefert. Sie schwebten in Lebensgefahr, benötigten dringend Spenderorgane. Inzwischen geht es allen Patienten wieder gut. Eins der Kinder erholte sich sogar ohne Transplantation. „Wir haben als interdisziplinäres Leberzentrum auch viele andere Behandlungsmöglichkeiten“, betont Prof. Dr. Hartmut H.-J. Schmidt, Direktor der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Transplantationsmedizin.
Uniklinik Essen transplantiert Lebern – und rettet so Menschenleben
Die Notfallpatienten vom Oktober, die aus zwei Familien und verschiedenen Städten stammten, wurden nach Essen verlegt, weil in der hiesigen Uniklinik Lebern transplantiert werden. Denn bei einer solchen Pilzvergiftung kann oft nur ein Spenderorgan Leben retten. „Ein Leberversagen durchläuft verschiedene Phasen. In welcher Phase sich der Patient befindet, entscheidet über mögliche Interventionen und damit über Leben und Tod“, sagt Prof. Schmidt. „Bei einer Knollenblätterpilzvergiftung verläuft alles so schnell, dass es bereits nach fünf bis sieben Tagen zu einem leberbedingten Hirntod oder Multiorganversagen führen kann.“
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Tückisch ist auch, dass die Giftstoffe beim Knollenblätterpilz zwei unterschiedliche Giftwirkungen haben: So treten in den ersten Stunden nach dem Verzehr Übelkeit und cholera-ähnlicher Durchfall auf, die nach zwei bis drei Tagen wieder abklingen. Danach tritt die viel folgenschwerere Wirkung der Amatoxine ein: Diese Giftstoffe sind so konzentriert, dass schon ein einzelner Knollenblätterpilz in einer Mahlzeit eine ganze Familie töten kann.
Manche Betroffene seien schwer vergiftet, andere hätten nur leicht erhöhte Leberwerte, sagt Schmidt. Erschwert wird die Einschätzung des Krankheitsverlaufs, „weil wir oft nicht wissen, wie viel der Patient von dem giftigen Pilzgericht zu sich genommen hat“.
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Wird die Vergiftung frühzeitig festgestellt, könne man die Galle über die Gallenblase abpunktieren. Alternativ könne man auch über eine endoskopisch angelegte Gallengangs-Drainage die Gallenflüssigkeit über Nase oder Mund ableiten, erklärt Prof. Schmidt. „So durchbrechen wir den Darm-Leber-Kreislauf, da sonst die Galle im Darm wieder resorbiert werden kann: Die Galle, in der sich das Gift konzentriert, kann dann nicht mehr in den Dünndarm zurückfließen.“
Patienten wurden als Hochdringlichkeits-Fälle bei Eurotransplant gemeldet
Die Leberwerte des Patienten müssen deshalb in den folgenden Tagen engmaschig kontrolliert werde, um sicherzustellen, dass die Vergiftung überwunden ist. „Bei den fünf Patienten im Herbst kam diese Therapie nicht infrage: Da sie aus anderen Bundesländern zu uns gebracht wurden, waren schon 72 Stunden vergangen.“ Handeln müsse man jedoch in den ersten 48 Stunden.
Die Betroffenen wurden daher mit der höchsten Dringlichkeitsstufe bei der Organisation Eurotransplant gemeldet, die die Vergabe der Spenderorgane organisiert. Es begann ein Wettlauf mit der Zeit. Bei allen fünf Patienten in Essen wurde in der Zwischenzeit eine Plasmapherese durchgeführt: Dabei wird das Blutplasma (Blutflüssigkeit) ausgetauscht, um so Giftstoffe aus dem Körper zu entfernen. Das Plasma wird durch Plasma von Blutspendern ersetzt. „Parallel unterstützt eine spezielle Albumin-Dialyse die Regeneration des Leberversagens.“
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Einen spektakulären Erfolg hatte die Behandlung bei dem erst Fünfjährigen: Über eine Woche wurde bei ihm täglich ein Plasma-Austausch durchgeführt Am Ende erholte sich der Kleine so gut, dass er keine Spenderleber brauchte, erzählt Schmidt. „Je jünger die Patienten sind, desto besser läuft die Regeneration.“
Zwischenzeitlich konnte auch ein fünfter Fall erfolgreich behandelt werden: Eine 75-Jährige, die ebenfalls ein Leberversagen durch Pilzvergiftung entwickelte. Dank Plasmaaustausch und Albumin-Dialyse habe man auch bei der älteren Patientin eine Lebertransplantation rechtzeitig vermeiden können, freut sich Schmidt.
Betroffene sind nach der Pilzvergiftung jetzt wieder wohlauf
Mittlerweile gehe es auch den drei Patienten wieder gut, die ein Spenderorgan erhalten haben. Zwei von Ihnen wurden bereits wieder entlassen. Sie müssen allerdings lebenslang Medikamente gegen eine Abstoßungsreaktion nehmen. Umso wichtiger ist dem Mediziner der Hinweis, dass heute oft auch bei schweren Diagnosen auf eine Transplantation verzichtet werden könne. „Selbst Menschen mit Leberzirrhose haben die Chance, auch ohne Spenderorgan länger zu leben, da unser Therapiespektrum sich stetig erweitert.“
Jede Organspende rette Leben; einen Organspendeausweis auszufüllen sei gelebte Nächstenliebe. Ein Organversagen kann jeden treffen, deshalb sei Solidarität gefragt, betont Schmidt. Gleichzeitig forschten er und seine Kollegen an anderen Therapien für Leberpatienten: „Das Tolle ist nicht nur, dass wir Lebern transplantieren, sondern dass wir in vielen Fällen Leben retten, ohne zu transplantieren.“
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