Essen. Richard Röhrhoff, Chef der Essen Marketing GmbH, über die Veränderung der Innenstadt. Und warum sich Ältere damit schwerer tun als Jüngere.

„Eine Runde Riesenrad“ heißt unsere Interview-Reihe, bei der wir Essenern auf den Zahn fühlen, die für Schlagzeilen gesorgt haben. Diesmal: Richard Röhrhoff, seit 2017 Geschäftsführer der Essen Marketing GmbH (EMG). Der 48-Jährige ist in Mönchengladbach aufgewachsen und bekannt für seine mitunter geradezu lustvoll provokante Art. Ein Mann zwischen Fettnäpfchen und großem Tatendrang.

Herr Röhrhoff, Marketing-Mittel für über 50-Jährige seien, was die Essener Innenstadt betrifft, rausgeworfenes Geld, haben sie neulich mal auf einer Veranstaltung gesagt. Der Shitstorm war gewaltig. Was haben Sie damit eigentlich gemeint?

Ich bin da sprachlich vielleicht etwas übers Ziel hinausgeschossen, aber die Aussage stand ja in einem größeren Kontext. Vielleicht war das etwas viel Marketingsprech, denn es ist in der Werbung in der Regel so, dass man - auch in der Bildsprache - auf die Jüngeren setzt, weil die Älteren sich dann automatisch auch angesprochen fühlen. Ich habe jedenfalls nichts gegen über 50-Jährige, wollte auch niemanden diffamieren, schließlich bin ich ja selbst bald einer. Und selbstverständlich ist die Innenstadt für alle da, und ich hoffe, das wird in unserer Arbeit auch erkennbar durch alles, was wir für die Innenstadt tun.

Sie wollten eine Diskussion zum Thema Innenstadt provozieren. Mit welcher Stoßrichtung?

Wir brauchen die Transformation der Essener Innenstadt, wir müssen weg von den alten Vorstellungen. Das ist erfahrungsgemäß schwieriger für die Älteren, weil sie festgefügte Bilder von früher im Kopf haben, was ich gut nachvollziehen kann. Wenn wir aber Transformation schaffen wollen, dann brauchen wir die Jungen, denn die haben die alten Bilder eben nicht im Kopf.

„Verkaufsfläche in der Essener Innenstadt muss anders genutzt werden“

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Transformation der Innenstadt - was bedeutet das eigentlich genau für Sie und die EMG?

Der Verlust von qualifiziertem Einzelhandel - vor allem Textiler - wird in der Innenstadt weitergehen. Dafür gibt es Gründe, die überall auf der Welt gelten, etwa weil die Leute im Internet kaufen. Wir haben aber massiv Verkaufsfläche, die sich dadurch reduziert und anders genutzt werden muss. Ich sehe das als große Chance, weil neue Nutzungen oft mehr Frequenz bringen. Zum Beispiel durch Erlebnisorte oder auch medizinische Dienstleister und damit wieder für alle Generationen. Und die brauchen dann korrespondierende Branchen, Cafés und Restaurants, so dass man einen Tag in der Innenstadt verbringen kann, mit oder ohne einkaufen.

Die EMG setzt sehr auf Events, wir sitzen ja gerade im Riesenrad, gewissermaßen ist das auch ein Event. Manche sagen, es geht zu weit in diese Richtung, die Innenstadt werde zum Rummelplatz. Was sagen Sie denen?

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Es kommen zu wenige, die Geld in die Innenstadt bringen. Im Handel würde man sagen, es fehlt der qualifizierte Kunde. Wir wissen, dass viele nur dann die Innenstadt betreten, wenn ihnen hier etwas Besonderes geboten wird. Unser Ziel ist, diese Menschen langfristig emotional an die Innenstadt zu binden. Wenn das erreicht ist, kann es vielleicht auch wieder weniger Events geben.

Die Essener sind sehr kritisch mit Ihrer Innenstadt. Viele sagen, da gehe ich gar nicht mehr hin, aus den unterschiedlichsten Gründen. Können Sie das nachvollziehen?

Ich kann das emotional nachvollziehen, weil man sehr schöne und alte Bilder im Kopf hat aus den goldenen Jahren des Essener Einzelhandels. Diese Zeit gibt es aber nicht mehr, die gibt es übrigens auch in Köln oder Düsseldorf so nicht mehr. Die Jüngeren weinen dem nicht nach, weil sie diese Zeit gar nicht kennen.

„Essener Innenstadt ist schön wuselig“

Mal eine persönliche Frage: Mögen Sie die Essener Innenstadt?

Gebürtig im linksrheinischen Mönchengladbach: Richard Röhrhoff ist aber mittlerweile überzeugter Essener.
Gebürtig im linksrheinischen Mönchengladbach: Richard Röhrhoff ist aber mittlerweile überzeugter Essener. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska
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Ja, weil ich jeden Tag da bin und mich viel mit diesem Stadtraum beschäftige. Ich mag sie, weil sie so schön wuselig ist und viel mehr Potenzial hat als mancher glaubt. Wer sagt, in der Innenstadt ist alles furchtbar, dem kann ich nur sagen, das stimmt einfach nicht. Wir sollten alle der Innenstadt eine faire Chance geben.

Zu schmutzig, zu unsicher, teilweise ein Publikum, das irritiert und Angst macht: Das sind so die Gründe, die genannt werden. Sind das alles Übertreibungen?

Die Sauberkeit haben wir in den Griff bekommen. So sehen das übrigens auch Reisegruppen, die zu unserem Weihnachtsmarkt kommen. Da hört man viel Positives. Am Thema Sicherheit haben wir gearbeitet, da ist es besser geworden. Dennoch kann ich das subjektive Unsicherheitsgefühl verstehen, ich verstehe vor allem auch die Frauen. Männergruppen machen einem Angst, obwohl sie nichts tun. Ich kann auch die Fremdheitsgefühle verstehen, es treffen neue und alte Essener aufeinander, die sich aneinander gewöhnen müssen. Letztlich ist das aber in allen Innenstädten so.

Das macht es nicht besser oder leichter.

Nein, aber ich glaube, dass wir bei der Sicherheit auf einem guten Weg sind. Die Nutzungsmischung, die wir anstreben, auch die Events schaffen soziale Kontrolle, vor allem in den Randzeiten. Mir ist wichtig: Wir dürfen den Kopf nicht in den Sand stecken, wir brauchen die Innenstadt wir dürfen sie nicht verloren geben.

Zum geplanten riesigen Biergarten auf dem Willy-Brandt-Platz gab es eine durchwachsene Reaktion. Einige freuen sich, andere befürchten, hier entstehe ein Säuferparadies. Ist das aus Ihrer Sicht nur Gemecker?

Viele Leute sind sehr schnell mit ihrem Urteil, auch wenn sie noch gar nicht wissen, was genau geschieht. Das ärgert mich wirklich. Die Eigentümer vom Königshof haben sehr viel investiert, haben Stil bewiesen und sie glauben an den Standort Essen. Warum sollten sie ein Säuferparadies schaffen, das ist doch totaler Quatsch. Wir bekommen da eine, nennen wir es Terrasse, die wird sehr qualitätvoll. Und wenn da ab und zu eine Veranstaltung ist, dann ist das gut für den Platz. Ich bin über diese Investition sehr froh.

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