Essen. Ist Altenessen ein abgehängter Stadtteil? Essener Parteien haben sich jetzt dazu geäußert. Das Thema soll auf die Tagesordnung des Stadtrats.
Ist Altenessen ein abgehängter Stadtteil? Nach unserer Schwerpunkt-Berichterstattung hatte Thomas Spilker, FDP-Chef im Norden die Debatte angeregt, indem er riet, den Stadtteil zu verlassen: Die Integration sei dauerhaft gescheitert. Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) beteuerte, die Stadtpolitik kümmere sich um Altenessen, Erfolge seien aber manchmal erst nach einigen Jahren sichtbar.
2018 wurde für den Essener Norden eine Milieustudie in Auftrag gegeben
Dass sich gekümmert wird, zeigt auch ein Blick ins Archiv: Nach einem Antrag von SPD, CDU, Grüne und FDP hatte der Rat die Verwaltung im Jahr 2018 beauftragt, für den Essener Norden eine Milieustudie zu erarbeiten (siehe Info weiter unten). Dazu sollte mit einem „geeigneten Institut“ zusammengearbeitet werden.
In der Begründung hieß es damals: „Das soziale Gefälle zwischen nördlicher und südlicher Stadthälfte sowie die erheblichen Unterschiede hinsichtlich Attraktivität als Arbeits- und Wohnraum sind seit Jahren bekannt. Es bedarf der richtigen Maßnahmen, um diese Entwicklung nicht noch weiter zu verstetigen.“ Die Entwicklungschancen der Quartiere müssten deutlich gemacht und nachhaltig ergriffen werden.
Die Stadtteile müssten hinsichtlich ihrer Lebens- und Aufenthaltsqualität attraktiv sowohl für Hinzuziehende als auch für die Menschen vor Ort werden. Eine Ghettoisierung in diesen Bereichen müsse unbedingt verhindert werden und darf dort, wo sie bereits begonnen hat, nicht weiter an Kraft gewinnen, hieß es dazu.
Maßnahmen für eine bessere Integration sollten erarbeitet werden
„Die Milieu- und Kontextstudie soll die erforderlichen Erkenntnisse darüber liefern, welche Milieus aktuell vorhanden sind und welcher Bedarf hinsichtlich Infrastruktur, Bildungslandschaft und Wohnraum tatsächlich bestehen. Außerdem sollen Fragen einer verbesserten Integration und sozialen Teilhabe beantwortet werden.“ Erarbeitet werden sollte, welche Maßnahmen zu einer Verbesserung der Integration und des nachbarschaftlichen Zusammenlebens in den Stadtquartieren beitragen können.
Die Lichter im Essener Marienhospital sind endgültig ausAls Reaktion auf die aktuell entbrannte Altenessen-Debatte will Die Linke in der kommenden Stadtratsitzung am Mittwoch, 16. Dezember, nachfragen, wann mit Ergebnissen der Milieustudie zu rechnen ist. „Diese Studie würde sicherlich helfen, die Probleme zu konkretisieren und Handlungsfelder aufzuzeigen“, sagt der Fraktionsvorsitzende, Daniel Kerekeš. „Wir brauchen mehr Lehrer und Pädagogen für Schulen im Essener Norden. Mehr Grünflächen und Alltagsradwege. Mehr Kitas. Wir brauchen mehr Sozialarbeiter und vor allem brauchen wir unsere Krankenhäuser zurück“, so Kerekeš in einer Stellungnahme der Linken zur Altenessen-Debatte.
SPD-Ratsherr Martin Schlauch will in Altenessen wohnen bleiben
Auch Martin Schlauch, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD, hatte sich zu Wort gemeldet und betont, dass er selbst nicht aus Altenessen wegziehen werde. Diese Idee verkenne die vielen schönen Seiten des Stadtteils und die vielen engagierten Menschen, die sich für ihren Stadtteil und die Menschen hier einsetzen. Doch er betont auch, dass der Norden gezielte Investitionen in die Bildungsinfrastruktur benötige. Dazu zählten mehr Mittel für Ordnungs- und Sicherheitskräfte, für soziale Arbeit, für eine andere Wohnungspolitik, sowie für die Kulturförderung und den Mobilitätsausbau. Schlauch: „Ich bin sehr gespannt, ob die Essener Stadtspitze den Mut haben wird, gezielt finanzielle Mittel aus dem Süden in den Norden umzuverteilen.“
Studie Teil des Integrierten Stadtteilentwicklungskonzeptes
Die Milieustudie ist Teil des Integrierten Stadtteilentwicklungskonzept (INSEK) der Stadt Essen.
Das INSEK bildet die Voraussetzung dafür, Förderanträge bei verschiedenen Ministerien zu stellen und Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds und dem Europäischen Fond für regionale Entwicklung zu erhalten.
Mit den Geldern sollen Maßnahmen umgesetzt werden, um der sozialen Ungleichheit in den insgesamt sieben ausgewählten Essener Stadtteilen entgegenzuwirken.
Im Fokus des Projekts stehen die Stadtteile Altendorf und Bochold, Altenessen-Süd und das Nordviertel sowie der Stadtkern, das Ostviertel und das Südostviertel.
Friedrich Frentrop (EBB) ist Mitglied der Bezirksvertretung V – Altenessen, Karnap, Vogelheim. Er betont, dass nach der Flüchtlingswelle 2015 dem Essener Norden und mit Altenessen „dem ärmsten Stadtteil“ die Integrationsarbeit überlassen wurde: „Erst waren die Menschen in Notunterkünften auf die Stadt verteilt. Als man sie dann in Wohnungen unterbrachte, stellte man sehr schnell fest, dass der öffentliche Wohnraum nicht im Süden sondern im Essener Norden vorhanden war.“ Er will weiter für den Stadtteil kämpfen: „Dass ein Bürger dazu aufruft, den Stadtteil Altenessen zu verlassen, hat mich nachdenklich gemacht. Diese Meinung teile ich nicht.“
„Altenessen verlassen?“: Unsere bisherige Berichterstattung
- Wie Flüchtlinge die Situation Altenessen empfinden
- Kommentar: Lebensqualität für Migranten und Alteingesessene
- Kommentar: Kommentar: Wegzug-Debatte um Altenessen ist ein Alarmzeichen
- OB Kufen hält Nord-Süd-Gefälle in Essen für schwer änderbar
- FDP-Politiker rät Bürgern, Altenessen zu verlassen
- Ur-Altenessener hat resigniert, will aber bleiben
- Kommentar: Die Stadtteile im Norden leiden unter Image-Problemen
- Gesundheitssituation: Niedergelassene Ärzte brennen für den Essener Norden
- Analyse: Beim Blick auf den Einzelhandel fällt auf, dass die Kaufkraft in Altenessen für kleine Geschäfte nicht ausreicht
- Stadtplanung: Stadtplaner Hendrik Jansen erklärt vier Aspekte, die Altenessen zu einem positiven Image verhelfen würden
- Bürgerbeteiligung: Das kann jeder Einzelne für Altenessen tun
- Interview: Die Bezirksbürgermeister stehen großes Potenzial in ihrem Stadtteil
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