Duisburg. Einige Hunde im Tierheim Duisburg warten Jahre auf eine Vermittlung. Warum interessiert sich niemand für sie? Ein Blick auf vier traurige Schicksale.
35 Hunde des Tierheims in Duisburg sind aktuell in der Vermittlung. Knapp die Hälfte davon sind Dauerkandidaten – jene, die seit mehr als einem Jahr auf ein Zuhause warten. Warum sich niemand für die vergessenen Hunde in Duisburg interessiert – und welche Schicksale sich hinter den Gittern der Zwinger verbergen.
Zu ihnen gehört die junge Hündin Lou. „Als sie zu uns gekommen ist, wollte sie unsere Finger zerfleischen“, erinnert sich die Mitarbeiterin Anna Koltermann. Ihr früherer Halter hatte sie vor einem Jahr kurz vor Weihnachten angebunden und mit Maulkorb in einem Park ausgesetzt. Während sie sieht, wie andere Tiere das Tierheim verlassen, bleibt sie zurück. Damit ist sie nicht allein.
Dauerinsassen im Duisburger Tierheim: Warum sie niemand will
So schwierig Lous Vorgeschichte auch sein mag, so groß sind auch ihre Fortschritte. Als sie mit einem halben Jahr ins Tierheim kam, griff sie Menschen und Autos an und ließ sich nicht anfassen. Überbleibsel aus dieser Zeit sind neben ihrem Spitznamen „kleine Hexe“ ihre Unsicherheit gegenüber Fremden. Mittlerweile haben die Pflegerinnen im Tierheim zwar ihr Vertrauen gewonnen, aber dieses erst einmal aufzubauen, ist eine Herausforderung. Fremden gegenüber bleibt sie skeptisch.
Obwohl sie im Alltag unauffällig ist, sollte sie daher nicht zu Anfängern. Als Ausgleich für ihre Hektik braucht sie klare Strukturen: eine ruhige Umgebung, tägliches Training, weder viel wechselnder Besuch noch ein turbulenter Alltag. Neue Aufgaben versteht sie blitzschnell, weshalb sie bei einem Projekt der Duisburger Werkstätten ein Rollstuhl-Begleithunde-Training absolviert hat. „Als Zweithund wäre sie ideal“, empfiehlt Anna Koltermann. Denn mit Artgenossen versteht sie sich gut.
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Staffordshire-Bulldog-Mischling Angel: Skeptisch, aber loyal
Anders ist es bei Angel: Der Staffordshire-Bulldog-Mischling kam vor zweieinhalb Jahren aus schlechten Verhältnissen ins Tierheim. Begegnungen mit anderen Hunden bringen die fünfjährige Hündin aus der Fassung. Auch im Umgang mit Menschen kann sie skeptisch und unsicher sein. Unterschreitet jemand ihre Wohlfühldistanz, reagiert sie abwehrend. Ihr Vertrauen zu gewinnen, erfordert Geduld und Erfahrung. Entsprechend kleinschrittig wird die Kennenlernphase mit einem neuen Halter sein. Doch bislang bleibt sie ohne Anfragen.
Gerade wird sie auf einen Wesenstest vorbereitet, den sie aktuell jedoch nicht bestehen würde. „Man sollte es mit ihr nicht auf die Spitze treiben“, mahnt Koltermann. Trotz ihres ausgeprägten Jagdtriebs ist Angel eher gemütlich. Angel braucht ein ruhiges, kinder- und tierloses Zuhause in ländlicher Umgebung, das ihr Sicherheit vermittelt und ein geregeltes Leben bieten kann – mit entspannten Waldspaziergängen und ausgiebigen Kuschelzeiten. Noch wichtiger: Halter müssen die Auflagen für Listenhunde und Haltungsbedingungen erfüllen.
„Man sollte es mit ihr nicht auf die Spitze treiben.“
Kein Listenhund zum Knuddeln: Patrick braucht achtsame Hände
Gleiches gilt für den American Staffordshire Terrier-Mischling Patrick. Der Fünfjährige wurde vor anderthalb Jahren mit einem anderen Tierheim getauscht. In Duisburg habe man ihm als Listenhund gute Chancen für die Vermittlung zugerechnet. Bislang war diese allerdings vergebens. Grund könnte auch sein Aussehen sein: „Seine kupierten Ohren entsprechen nicht den Vorstellungen der Interessenten“, vermutet Koltermann.
„Jene, die einen Problemhund suchen, wollen eine ganztägige Herausforderung. Für jene, die einen netten Hund suchen, ist er zu anstrengend.“
Doch die eigentliche Hürde: Er lässt sich nicht festhalten. Das heißt: Drauflegen, Knuddeln und Geschirr nachjustieren sind risikoreich. Im schlimmsten Fall zielt er auf den Kopf. Achtsamkeit ist daher geboten, insbesondere weil er die meiste Zeit nett und umgänglich ist: Menschen gegenüber ist er aufgeschlossen, gewöhnt sich schnell an sie und ist beim Spaziergang entspannt. Von Radfahrern, Joggern und anderen Hunden lässt er sich nicht stören. Die Schwierigkeit bei der Vermittlung: „Jene, die einen Problemhund suchen, wollen eine ganztägige Herausforderung. Für jene, die einen netten Hund suchen, ist er zu anstrengend.“
Schwer erkrankt und ungewollt: Arlo ist zu teuer
Als Arlo vor anderthalb Jahren sichergestellt wurde, war sein Zustand katastrophal: offene und kahle Stellen an Schnauze, Ohren und Schwanz, entzündete Pfoten und Augen. Seine Krallen waren so lang, dass sie durch die Pfote wieder herauskamen. Bis heute sind sie fehlgestellt. Der Grund: eine unbehandelte Leishmaniose. Diese infektiöse Mittelmeerkrankheit löst eine Bandbreite von Symptomen aus, darunter Gewichtsverlust, Apathie, Fieber und großflächige Hautekzeme. Mittlerweile ist sein Fell fast vollständig nachgewachsen, seine Wunden sind verheilt.
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Doch die Kosten für Medikamente, Blutkontrolle und monatliche Sichtung beim Arzt sind hoch. Sie liegen bei rund 250 Euro im Monat. Hinzu kommen Physiotherapie, um seine Fußfehlstellung auszugleichen, und Spezialfutter für seine beanspruchten Nieren. Die Kosten zur Behandlung seiner Krankheit schrecken Interessenten ab. Er ist einfach zu teuer. „Dabei ist er einer der netten Hunde, ein wachsamer, verspielter und lernwilliger Typ, der seine Bezugsperson liebt, sich auf Menschen einlässt und alle Kommandos beherrscht“, ermutigt die Tierheim-Mitarbeiterin.
Hoffnung für Langzeitbewohner: Es muss passen
Die Herausforderungen der Langzeitbewohner machen eine Vermittlung schwierig, wenn auch nicht unmöglich. In diesem Jahr wurden rund 90 Hunde vermittelt, davon 15 Dauerkandidaten. „Es gibt wenige Rückläufer. Die Vermittlung läuft gezielt ab und so individuell, wie die Hunde selbst“, betont Anna Koltermann. Es gehe nicht darum, die Tiere schnell loszuwerden, sondern um ihre Verantwortung gegenüber den Haustieren und den zukünftigen Haltern.
Viele der Tiere haben eine problematische Vorgeschichte, seien verletzt worden und haben Verhaltensauffälligkeiten entwickelt. Gerade bei Fundtieren lasse sich nur erahnen, was sie erlebt haben. Kaum einer von ihnen eignet sich als Familienhund. Stattdessen brauchen sie Halter, die Erfahrung im Umgang mit (schwierigen) Hunden mitbringen und die Bereitschaft, Zeit für das Tier aufzubringen. Allen voran muss der Hund zu der Person und seinen Lebensumständen passen.
Eine beliebte Aktion des Tierheims ist „Date our Dog“: Interessierte können bei Spaziergängen die Hunde kennenlernen. Beim letzten Termin im November nahmen 65 Personen teil. Der nächste Termin soll im Januar sein.
Duisburger Tierheim sucht Zuhause
Wer sich für einen der Hunde interessiert, sendet bitte einen ausgefüllten Interessentenfragebogen, der auf www.tierheimduisburg.de als Download zur Verfügung steht, an das Tierheim – zum Beispiel per Mail an info@duisburger-tierheim.de. Weitere Informationen zu den Tieren gibt es montags bis freitags von 10 bis 16 Uhr sowie samstags, sonntags und feiertags von 10 bis 17 Uhr telefonisch unter 0203 93 55 090.
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