Duisburg. Wie lassen sich Nichtwähler motivieren? Die Frage treibt Parteien ebenso um wie Politologen der Uni in Duisburg. Warum sie mit Kiosken experimentieren.
Es ist die „Eine-Million-Dollar-Frage“, die nun wieder alle wahlkämpfenden Parteien umtreibt: Wie mobilisieren wir Nichtwähler? Auch Manuel Diaz García und Dr. Jonas Elis wollen das herausfinden. Die beiden Politikwissenschaftler der Uni Duisburg-Essen (UDE) haben ein Experiment gestartet. Die Idee: Kioske und Trinkhallen könnten die Orte, ihre Betreiber die Menschen sein, um Aufmerksamkeit für die Stimmabgabe zu wecken.
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„Mobilisierung kann über die Nachbarschaft, das Lebensumfeld der Menschen funktionieren“, sagt Manuel Diaz. Der 27-jährige Rheinberger ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der UDE und promoviert derzeit an der Uni Frankfurt. Mit Jonas Elis, der den Doktor-Titel jüngst erworben hat, hat er zur Europawahl am 9. Juni in Duisburg einen Piloten für ein Projekt zur Kommunalwahl im September 2025 gestartet.
Niedrige Wahlbeteiligung in Duisburg „ist schlecht für die Demokratie“
Vor der Tür der Fakultät zu starten, liegt nah: Lediglich 141.000 von rund 360.000 Wahlberechtigten in Duisburg gaben bei der Kommunalwahl 2020 ihre Stimme ab, das entspricht 39,1 Prozent. Das bedeutet: Die SPD, sie bekam mit 30,8 Prozent die meisten Stimmen, findet Zustimmung bei lediglich gut zwölf Prozent der Wahlberechtigten.
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Auch ein Oberbürgermeister, er wird am 21. September 2025 direkt gewählt, wäre bei einer solch schwachen Beteiligung selbst dann von gerade mal 20 Prozent der Duisburger gewählt, wenn er auf 50 Prozent der abgegebenen Stimmen käme. Das schwächt nicht nur Amtsinhaber wie Sören Link, sagt Diaz García: „Das ist schlecht für die Demokratie.“
Können Kioske den „sozialen Wert“ einer Wahl steigern helfen?
Die gute Nachricht: Die Kommunalwahl bietet das größte Potenzial, Wähler zu gewinnen. „Weil dort die Beteiligung deutlich niedriger ist als bei einer Bundestagswahl“, erklärt der Politologe, „wer dort seine Stimme nicht abgibt, ist deutlich schwerer zu erreichen.“ Zum Vergleich: 68,1 Prozent der Duisburg gingen bei der Bundestagswahl 2021 zur Urne, 29 Prozent mehr als bei der Kommunalwahl.
„Der Kiosk ist einer der wenigen Orte, die eine größere Zahl von Menschen regelmäßig aufsucht“, sagt Diaz García. Die Kunden tauschen sich mit Besitzern und Besitzerinnen aus, das „Büdchen“ ist Treffpunkt für einen Plausch bei Kaffee oder einem Bier mit Bekannten und Nachbarn. Also könne man die Rolle der 125 Duisburger Kioske nutzen, um den „sozialen Wert“ einer Wahl zu steigern.
„Duisburg, auf zur Wahl“: Plakate mit dem Bild des Kiosk-Besitzers
Die politikwissenschaftliche Forschung zeige, dass politische Einstellung und Verhalten maßgeblich von unserem Umfeld beeinflusst werden, sagen die beiden Forscher: „Vor allem, wenn wir Informationen von vertrauenswürdigen und uns nahestehenden Personen bekommen.“ Für das Experiment ist das der Kioskbesitzer. Die Botschaft: Wenn er sich interessiert, dann ist das womöglich auch für mich von Belang.
„Duisburg, auf zur Wahl“ steht also auf kleinen Plakaten neben dem Porträt des Besitzers und der Stadt-Silhouette, dazu ein QR-Code, der zu allen wichtigen Informationen zu Wahl führt. „Sie sind eigentlich einfach zu finden, aber nicht Teil der Lebenswirklichkeit der Menschen“, sagt Diaz García. „Deshalb hoffen wir, dass es im persönlichen Nahraum besser wirkt als die hundertste Werbekampagne.“
Werbung weckt bei Kunden Aufmerksamkeit für die Wahl
Geht das Plakat nicht unter zwischen all den bunten Dosen, Schachteln und Packungen? „Die Besitzer haben uns berichtet, dass ihr Foto für Aufmerksamkeit sorgt“, berichtet der Politologe. „Im Winter ist es schwieriger, aber bei höheren Temperaturen stehen die Kunden ja draußen und nehmen es besser wahr.“
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Die Plakate hingen schon vor der Europawahl. Aus 40 Wahlbezirken bildeten die Forscher Paare, von denen jeweils nur in einem Bezirk an zwei Kiosken plakatiert wurde. Das Ergebnis ihrer Pilotstudie in Duisburg: Um bis zu zwei Prozentpunkten könne die Wahlbeteiligung steigen, sagen die Forscher. Das sei aber keine gesicherte Zahl, dazu war die Stichprobe zu klein. Außerdem könne das Ergebnis angesichts der unterschiedlichen sozio-ökonomischen Zusammensetzung der Bevölkerung erheblich schwanken.
Problem für Forscher: Nur wenig Städte mit Kiosk-Dichte wie Duisburg
„Dennoch stimmen uns die Ergebnisse der Pilotstudie positiv“, sagen die Politikwissenschaftler. Die gesteigerte Aufmerksamkeit könne wahrscheinlich die Motivation zur Stimmabgabe steigern. Belegen soll die These ein Plakat-Versuch in zehn Städten bei der NRW-Kommunalwahl am 14. September. Die größte Hürde dabei kennt Manuel Diaz García bereits: „Wir wissen noch nicht, ob es genügend Städte mit einer ähnlich großen Zahl von Kiosken wir Duisburg gibt.“