Bottrop. Muslime spekulieren über die Gründe der zuletzt hohen AfD-Ergebnisse im Süden Bottrops. Auch sie blicken mit Sorge auf die Bundestagswahl.
Der politische Trend ist klar: Die AfD ist im Aufwind im Bottroper Süden. Das zeigten zuletzt die Ergebnisse der Bundestagswahl 2021. Im Stadtbezirk Bottrop-Süd holte die AfD 9,55 Prozent der Erststimmen und 12,39 Prozent bei den Zweitstimmen. Im Juni 2024 bei der Europawahl holte die AfD im selben Stadtbezirk sogar 22,88 Prozent. Damit war die Partei dort die zweitstärkste Kraft, knapp hinter der SPD (23,17 Prozent).
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Im Wahlraum der Aula Welheim ließ die AfD Alt-Parteien wie CDU (20,13 Prozent) und SPD (18,30 Prozent) mit 35,27 Prozent weit hinter sich. Und jetzt? Am 23. Februar wird wieder gewählt – natürlich auch in Welheim. „Ich mache mir schon ein wenig Sorgen“, sagt Yunus Babadagi, Unternehmer in Welheim. Im Gespräch mit Mevlüt Ata und Sven Kottwitz (beide Trainer beim FC Welheim) versucht er zu erklären, warum so viele Menschen im Stadtteil zuletzt ihr Kreuz bei der AfD gemacht haben.
„Ich glaube, dass das gute Wahlergebnis der AfD eher durch die Nichtwähler zustande gekommen ist“, sagt Babadagi. Man müsse die Menschen wieder viel mehr dafür sensibilisieren, wählen zu gehen. „Es sind auch frustrierte Wähler dabei, die nicht mehr wählen. Doch das ist der falsche Ansatz.“ Sein Appell an die Nichtwähler: „Ihr habt das Recht, zu wählen, das ist ein Privileg.“
„Die Leute wissen aber oft auch nicht mehr, wofür die Parteien eigentlich stehen“
Mevlüt Ata stimmt den Aussagen zu. Er vermutet, dass die Wählerinnen und Wähler ihre Stimme der AfD aus „Unzufriedenheit“ geben würden. „Die Leute sind sauer.“ Ata weiter: „Die Leute wissen aber oft auch nicht mehr, wofür die Parteien eigentlich stehen.“ Auch ein Problem: Die Leute würden sich keine Gedanken machen, sich zu wenig mit Politik beschäftigen.
Die AfD solle man nicht ignorieren, finden Babadagi, Kottwitz und Ata. Vielmehr solle man sich inhaltlich mit der Partei auseinandersetzen. Ata ärgert sich über diejenigen, die behaupten, dass die Politiker – auch die der etablierten Parteien – alles falsch machen. Auf komplexe Themen gebe es keine leichten Antworten. „So einfach ist Politik nicht. Man muss davon wegkommen, zu glauben, dass man alles besser weiß. In einer Demokratie muss man Kompromisse machen“, sagt Ata.
„Migration funktioniert, wenn man sich gegenseitig toleriert, respektiert und kennenlernt.“
Aber warum ist die AfD bei einem Thema wie Migration bei Wahlen so erfolgreich? „Angst funktioniert immer“, sagt Babadagi. Sven Kottwitz pflichtet ihm bei: „Das ist pure Angstmacherei.“ Er ist Trainer beim FC Welheim, trainiert Jugendliche aus mehreren Nationen. „Glaube oder Herkunft ist doch egal. Syrer, Türken oder Deutsche. Das ist hier ein bunter Mix.“ Yunus Babadagi ergänzt: „Wir haben echt Glück mit diesem Verein.“
Das Jugendhaus „Manus“ ist ein Gewinn für den Bottroper Stadtteil
Ein Grund für den AfD-Trend sei für Babadagi auch die mangelnde Aufklärung. „Zum Beispiel, eine Unterscheidung von Islam und Islamismus ist den meisten nicht bekannt.“ Die Wörter ähnlich sich, aber das eine habe mit dem anderen nichts zu tun. „Die Aufklärung kommt bei der breiten Masse nicht an.“
Der Sport verbindet in Welheim, aber was noch? Alle drei sind sich einig, dass das Kinder- und Jugendhaus „Manus“ ein Gewinn für den Stadtteil ist. Doch es muss noch viel mehr passieren. Ein Aldi-Markt befindet sich lediglich an der Grenze zum Stadtteil Boy. Es gibt keine Drogerie, keine Bäckerei und keine Bankfiliale.
Im Bottroper Süden fehlt eine zentrale Anlaufstelle für die Bewohner
„In Welheim fehlt ein zentraler Supermarkt oder ein Discounter. Es fehlt ein Ort, wo die Leute einkaufen gehen, sich treffen oder sich begegnen können“, sagt Babadagi. Fragen wie „Wie geht es Dir? oder: Wie läuft es auf der Arbeit?“ würden das soziale Miteinander fördern. Mevlüt Ata ist überzeugt: „Migration funktioniert, wenn man sich gegenseitig toleriert, respektiert und kennenlernt.“
Nicht nur in Welheim, auch in der Welheimer Mark oder in Ebel, beides Stadtteile im Süden, fehlt zum Beispiel ein Lebensmittelmarkt als ein möglicher Ort der Begegnung.
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Umfragen zeigen, dass bundesweit auch viele junge Menschen die AfD wählen. „Die Politik hat den demografischen Wandel verpennt“, sagt Yunus Babadagi. Die jungen Leute habe man unterschätzt und nicht wahrgenommen. Genau diese Generation wird nun erstmals in ihrem Leben mit dem Sozialsystem konfrontiert. „Diese Generation geht arbeiten und erfährt, was Brutto und Netto ist“, sagt Babadagi. Wie funktioniert das Rentensystem, Steuern und so weiter, alles Themen über die die Jugendlichen nicht informiert worden seien.
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„Diese Generation hat auch das Problem mit Corona gehabt“, sagt Ata. Danach sei es noch schlimmer geworden. Kinder und Jugendliche, und damit speziell junge Wähler, leiden bis heute an den Folgen. „Im Verein findet ein Sozialleben statt“, meint Mevlüt Ata. Aber wenn Kinder nicht in Vereinen aktiv sind, was machen sie dann?
In Welheim fehlen ihrer Meinung nach weitere Anlaufstellen für junge Leute. Der digitale Einfluss schlägt sich in dieser Generation nieder. Ein perfekter Nährboden für die AfD, die im Internet sehr präsent ist. „Es sind auch die sozialen Medien“, sagt Yunus Babadagi. „Der Zugang zu Fake News ist viel zu leicht, deren Verbreitung ist viel zu einfach.“