Bottrop-Kirchhellen/Gladbeck. Marian Pogorzalek (76) war auf dem Pütt, ist Künstler und Vox-Darsteller. Seit 2014 macht er mit beim Gladbecker Modelabel Grubenhelden.
In einem Bergbau-Lexikon müsste unter dem Buchstaben „P“ eigentlich auch „Pogorzalek“ stehen. Vorname: Marian. Der 76-Jährige ist ein Original. Genauso stellt man sich einen waschechten Malocher vonne Zeche vor: freundlich, ehrlich, authentisch und bodenständig.
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Einer breiten Öffentlichkeit ist er bekannt mit seiner Ehefrau Sybille als „Allestester“ in der Fernsehsendung „Hot oder Schrott“ von Vox. Doch vor der TV-Karriere war er auf dem Pütt.
Geboren ist er aber in Schlesien, erst 1971 kommt er nach Bottrop. Schon in seiner Heimat hat er als Elektriker unter Tage gearbeitet. Zunächst malocht er bei Elektrobau Bode an der Armelerstraße. Diese Zeit bleibt ihm nicht in bester Erinnerung. Früh morgens geht es mit der Kolonne auf verschiedene Baustellen, häufig in anderen Städten – bei Wind und Wetter. Spät abends geht es zurück nach Bottrop.
Marian Pogorzalek ist nicht glücklich. Mit Freunden und Nachbarn, die auf der Zeche malochen, tauscht er sich aus. Er merkt, die führen ein ganz anderes, besseres Leben. Die Zeche als Arbeitgeberin kümmert sich um ihre Kumpels. „Die Kollegen waren früher zu Hause, hatten mehr Geld, billigere Mieten und einen eigenen Garten“, erinnert sich Marian Pogorzalek.
Durch eine wahrscheinlich schicksalhafte Fügung auf einem Kreiswehrersatzamt ändert sich sein Leben. Er sollte zur Bundeswehr eingezogen werden. Dabei hatte er doch schon in Polen seinen Dienst beim Militär geleistet.
Auf dem Amt finden Mitarbeiter heraus, dass er schon einmal unter Tage gearbeitet hat. Ein Mitarbeiter empfiehlt ihm, sich zu bewerben und stellt sogar schon einen ersten Kontakt her.
Marian Pogorzalek unter Tage: „Es war schwere, harte körperliche Arbeit“
Dann geht Marian Pogorzalek während einer Urlaubszeit zum Personalbüro auf Prosper 3 und fragt nach einem Job. Antwort: Wir haben keinen Bedarf. Anschließend wird er zum Betriebsführer nach Prosper-Haniel geschickt. „Denen habe ich meine Geschichte erzählt“, sagt er. Die Verantwortlichen schauen sich seine Bewerbungsunterlagen an. Nach drei Tagen ist klar: Er hat den Job.
„Du kannst bei uns anfangen auf einer Anlage im Grünen“, hätten sie damals zu ihm gesagt. Im Grünen heißt übersetzt: auf Schacht 9 in Grafenwald. Als Elektriker arbeitet er jahrelang unter Tage. „Es war schwere, harte körperliche Arbeit“, sagt er. Staub, hohe Luftfeuchtigkeit und hohe Temperaturen machen ihm und den Bergleuten täglich zu schaffen. Hinzu kommt die Ausrüstung: Akkulampe, Helm, Messgeräte, Werkzeuge, Schienbeinschoner und Filter für den Atemschutz.
„Was soll ich denn sonst machen? Soll ich rumsitzen, eine Pulle Bier trinken, Fernsehgucken und mich auf die Couch legen?“
Marian Pogorzalek packt an. Damals wie heute ist er die Zuverlässigkeit in Person. Negative Gedanken kennt er nicht, denkt stattdessen immer positiv. Geht nicht, gibt‘s nicht. Für jedes Problem gibt es eine Lösung.
Malocht wird auf der Zeche in drei Schichten (früh, mittags, nachts). Auch an Wochenenden und Feiertagen ist er auffe Schicht. Mit 49 Jahren ist dann vorzeitig Schluss, obwohl er überhaupt nicht will. „Sozialverträglicher Personalabbau bei den Montanunternehmen“, sagt er. Es wird gespart, Kürzungen müssen her, Personal muss gehen. „Doch der Bergbau hat mich nicht losgelassen“, sagt er. „Ich habe mich immer für den Bergbau und für seine Geschichte und Kunst interessiert.“
Seine Barbara-Statue steht im Spielertunnel auf Schalke
Schon während seiner aktiven Bergbauzeit kann Marian Pogorzalek im Feierabend nicht ohne Grund die Füße hochlegen. In seiner Freizeit zeigt er sein handwerkliches Geschick, seine Kreativität und die Liebe fürs Detail. Unter anderem gießt er verschiedene Statuen von der Heiligen Barbara, der Schutzpatronin der Bergleute, aus Aluminium oder Zinn.
Woher stammen die Rohstoffe? Heute kann er es ja verraten: „Ein Großteil der Barbara-Statuen sind gegossen aus den Aluminiumgehäusen alter Schaltgeräte von der Zeche.“ Eine seiner Barbara-Statuen steht sogar im Spielertunnel in der Arena auf Schalke. Die linke Hand der Schutzpatronin liegt nicht eng am Körper, sondern ist davon abgeknickt, ein Markenzeichen seiner Arbeit. Der Spielertunnel ist in der Bergbau-Tradition einem Stollen nachempfunden.
Ruhestand kennt der 76-Jährige aus Grafenwald nicht. „Was soll ich denn sonst machen?“, fragt er. „Soll ich rumsitzen, eine Pulle Bier trinken, Fernsehgucken und mich auf die Couch legen?“ Sein Credo lautet: „Ich kann doch mehr aus dem Tag in meinem Leben machen.“
Nur mittags gönnt er sich eine halbstündige Auszeit. Dann ruht er sich aus. „Ich mache aus einem Tag zwei Tage“, sagt er ganz pragmatisch. 2014 bekommt er in seinem Leben eine neue Aufgabe. Er arbeitet mit dem Gladbecker Modelabel Grubenhelden zusammen.
Ein Freund seines Sohnes stellt den Kontakt her. Mit der Herstellung der Textilien der Firma hat er nichts zu tun. Außer, er verarbeitet sie weiter. Hauptsächlich kümmert er sich um die Accessoires wie Schlüsselanhänger und Gürtel. Deren Schnallen verpasst er etwa einen typischen matten Bergbau-Look. Oder das Logo des Labels landet auf einem früheren Arschleder.
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„Ich habe hunderte Ideen im Kopf“, sagt er. Fahrmarken, ausgestanzt aus Blech, die im Bergbau für die Anwesenheits- und Seilfahrtkontrolle dienten, werden von ihm bearbeitet. Es gibt drei verschiedene Varianten von Fahrmarken: Frühschicht (rund), Mittagsschicht (dreieckig) und Nachtschicht (viereckig).
Eine Kollektion der Grubenhelden, darunter Accessoires gefertigt aus Pogorzaleks Händen, wurde auch schon beim Auftritt des Modelabels auf der New Yorker Fashion Week 2019 gezeigt. Der 76-Jährige ist zu bescheiden und will es wahrscheinlich auch nicht hören: Er ist der älteste Grubenheld – jedenfalls beim Modelabel.