Bottrop. In Bottrop sind zahlreiche Sicherheitsaufträge zu Niedrig-Preisen vergeben worden. Jetzt kritisiert ein Security-Chef die Ausschreibungen scharf.

Zwei Aufträge für die Sicherung von Flüchtlingsunterkünften in Bottrop übernimmt derzeit das Unternehmen Eagle Security – und das werden die letzten bleiben, sollten sich die Konditionen nicht verbessern. „Jede Ausschreibung ist eine Förderung von Schwarzarbeit“, sagt Sebastian Kilic, Betriebsleiter des Wachdienstes und Mann der Geschäftsführerin Ann-Katrin Pomrehn.

Die Eagle Security mit Sitz an der Essener Straße sichert zum einen die Flüchtlingsunterkunft am Wildenhoff für einen Stundensatz von 18,80 Euro; zum anderen übernimmt der Wachdienst die Security der Schellingstraße und der Glückaufstraße, die die Stadt im Frühjahr als Tandem-Auftrag vergeben hat – für 18,50 Euro pro Stunde.

Verrechnungssätze in anderen Städten höher als in Bottrop

Nirgendwo arbeite Eagle Security auf so niedrigem Bezahlungsniveau wie in Bottrop, sagt Sebastian Kilic. „Wir nehmen an Ausschreibungen nicht mehr unter 22, 23 Euro die Stunde teil“, so der Betriebsleiter. Bei Flüchtlingsunterkünften lägen die Verrechnungssätze sogar eher bei 25 oder 26 Euro.

Der in NRW geltende Mantel-Tarif für Security-Mitarbeiter in Flüchtlingsheimen beläuft sich auf 15,49 Euro pro Stunde. Rechnet man die 20 Prozent Lohnnebenkosten hinzu, ergeben sich rund 18,60 Euro Kosten pro Stunde für den Arbeitgeber. Hinzu kommen weitere Ausgaben. „Wir haben zum Beispiel gerade Dienstkleidung für 2000 Euro bestellt“, sagt Sebastian Kilic. „Wenn Sie pro Stunde und Mitarbeiter zehn Cent verdienen, können Sie ausrechnen, wie viele Stunden der Mitarbeiter arbeiten muss, bis seine Arbeitshose für 40 Euro bezahlt ist.“

Security-Betriebsleiter: „Bottroper Aufträge sind für uns Plus-minus-Null-Geschäfte“

Warum dann zu solchen Konditionen überhaupt Aufträge annehmen? Er habe, sagt Sebastian Kilic, unbedingt eine Ausschreibung in Bottrop, seiner Heimatstadt, in der er aufgewachsen ist, gewinnen wollen. Und ihm sei klar gewesen, dass das nur mit dem entsprechend niedrigen Angebot geht.

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„Die Bottroper Aufträge sind für uns Plus-Minus-Null-Geschäfte“, sagt Kilic. Und es entstehe nur deshalb kein Minus, weil er und seine Frau regelmäßig selbst Schichten in den Unterkünften übernehmen. Das bestätigt das Ordnungsamt, das den Wachdienst schon mehrere Male kontrolliert hat. „Jede Firma würde pleitegehen, wenn sie nur Aufträge zu solchen Preisen annehmen würde“, sagt Sebastian Kilic.

Security in Bottroper Flüchtlingsheimen: Wachdienste kommen aus Bochum, Dortmund, Remscheid

Die Stadt Bottrop hat zwar ihre Anforderungen in den Ausschreibungen hochgeschraubt. So müssen Sicherheitsunternehmen heute beispielsweise mehr Zertifizierungen vorweisen, müssen Mitglied im Berufsverband sein. Aber ist diese Bewerbungshürde genommen, bleibt nur noch ein Kriterium der Vergabe: der Preis. Die Stadt Bottrop vergibt ihre Security-Aufträge immer an das Unternehmen, das am günstigsten ist.

Sebastian Kilic sagt, er werfe diese Vorgehensweise der Stadt Bottrop nicht vor, schließlich sähen die Ausschreibungen in vielen anderen Städten ähnlich aus. Wenngleich es Ausnahmen gibt, in denen Städte beispielsweise zusätzliche Wertungspunkte für mehr Personal, höhere Zertifizierungen oder mehr Referenzen vergeben.

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Warum aber liegt das Preisniveau in Bottrop so niedrig, obwohl rein rechnerisch Firmen damit keinen Tariflohn zahlen können, ohne dabei Verlust zu machen? Wie wird kontrolliert, dass die Unternehmen ihre Mitarbeiter korrekt bezahlen? Kürzlich hat das Ordnungsamt zwei Bottroper Wachdienste überprüft, gemeinsam mit dem Zoll. Dabei seien Verstöße festgestellt worden, sagt die Stadt, ohne Details zu nennen. Aus Zoll-Kreisen ist zu hören, dass die Behörde nicht ermittelt. Offiziell darf der Zoll wegen des Steuergeheimnisses dazu keine Angaben machen.

Das Problem, so sagt es Fachbereichsleiter Michael Althammer, ist, dass das Bottroper Ordnungsamt auch nur hier ansässige Firmen kontrollieren darf. Mittlerweile werden viele Flüchtlingsunterkünfte aber von Security-Firmen aus anderen Städten gesichert. Sie kommen aus Bochum, Dortmund, Remscheid. Die Sicherung von Bottrops größter Flüchtlingsunterkunft an Schacht X wurde vor wenigen Monaten an einen Wachdienst auch Meckenheim vergeben. Der Ort an der Grenze zu Rheinland-Pfalz liegt 120 Kilometer von Bottrop entfernt.

Stadt Bottrop hat qualitative Anforderungen an Security-Dienste gestärkt

„Wir dürfen keine räumlichen Einschränkungen bei Ausschreibungen machen“, sagt Bottrops Technischer Beigeordneter Klaus Müller, „das wäre eine diskriminierende Ausschreibung“. Er verweist darauf, dass die Stadt die qualitativen Anforderungen gestärkt und „die Messlatte insgesamt höher gelegt hat“.

Warum in den Ausschreibungen kein anderes Zuschlagskriterium als der Preis bei der Angebotswertung gilt, erklärt Peter Sommer, Fachbereichsleiter der Immobilienwirtschaft, die für städtische Ausschreibungen zuständig ist: „Wir legen lieber hohe Qualitäts-K.O.-Kriterien als Mindeststandard.“ Wäre beispielsweise ein Teil der Angebotswertung die Qualität, sei eine objektive Bewertung nur mit Fachleuten möglich und bestehe außerdem ein höheres Klagerisiko.