Bottrop. Drei große Aufträge für Flüchtlingsunterkünfte hat die Stadt Bottrop an Security-Dienste vergeben. Sie sind aus zwei Gründen pikant.

Eigentlich hatte der Verwaltungsvorstand der Stadt Bottrop schon vor mehr als einem halben Jahr angekündigt, künftig keine Aufträge an eine bestimmte Bottroper Sicherheitsfirma mehr zu vergeben und alle bestehenden Verträge mit ihr aufzukündigen. Es ging dabei um ebenjenes Unternehmen, das in Zusammenhang mit den Korruptionsvorwürfen im Ordnungsamt steht. Nun ist Anklage erhoben worden gegen das Ehepaar, das diesen Wachdienst führt – und die Stadt hat wieder pikante Security-Aufträge vergeben.

Drei große Sicherheitsaufträge gehen an drei Firmen, von denen zwei in Verbindung zu dem verdächtigen Unternehmen stehen. Und wieder ist auch das Preisniveau der Aufträge fraglich.

Angeklagter Ex-Ordnungsamtschef soll Gefälligkeitsdienst erledigt haben

Zum Hintergrund: Eine Anklage ist keine Verurteilung, die Unschuldsvermutung gilt weiterhin. Aber um Anklage zu erheben, muss eine Staatsanwaltschaft eine Verurteilung für wahrscheinlich halten. Ihr Vorwurf: Ein Bottroper Sicherheitsunternehmen soll insgesamt knapp 30.000 Euro an den früheren Ordnungsamtschef, gegen den wegen 119 strafbarer Handlungen ebenfalls Anklage erhoben ist, überwiesen und im Gegenzug Aufträge zugespielt bekommen haben.

In der Anklageschrift geht es auch noch um eine andere Gefälligkeit: Demnach soll der Ordnungsamtsleiter unrechtmäßig einer Firma geholfen haben, als diese Probleme mit einem Sachkundenachweis hatte. Und genau dieser Sicherheitsdienst hat nun von der Stadt einen von drei großen Sicherheitsaufträgen erhalten.

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Die Firma hat für den verdächtigen Wachdienst regelmäßig Einsätze in Flüchtlingsunterkünften übernommen. Das ist in der Stadtverwaltung bekannt, da die Firma bei Routine-Kontrollen durch das Ordnungsamt mehrmals angetroffen wurde. Und auch der zweite von drei Aufträgen ist an ein Unternehmen gegangen, das ebenfalls Einsätze für die verdächtige Firma übernimmt.

„Wir können nicht jeden Einsatz in der Vergangenheit überprüfen“, sagt dazu der Technische Beigeordnete Klaus Müller. Auf die Ausschreibung hätten sich rund 25 Firmen beworben. „Im Zuge des Vergabefahrens haben wir alle Vorkehrungen getroffen, die wir treffen konnten.“

Aufträge für die Sicherung von sechs Flüchtlingsunterkünften vergeben

Bei der umfangreichen Ausschreibung, die nun vergeben worden ist, geht es um sechs Flüchtlingsunterkünfte, die von drei Security-Diensten im Tandem gesichert werden sollen. Heißt: Ein Sicherheitsdienst ist für zwei Unterkünfte zuständig, pendelt zwischen den Standorten. Laut Ausschreibung soll die Bewachung der Kombi-Standorte mit jeweils zwei Security-Mitarbeitern gesichert werden – allerdings nur in der Zeit von 20 bis 6 Uhr. Die Mitarbeiter sollen regelmäßige Kontrollgänge innerhalb der Unterkunft durchführen, ebenso wie Zugangskontrollen.

Drei Firmen haben den Zuschlag bekommen: ein Sicherheitsdienst aus Bochum sowie die beiden Bottroper Unternehmen, die in der Vergangenheit regelmäßig mit dem verdächtigen Security-Dienst zusammengearbeitet haben. Für die Stadt Bottrop habe das keine Rolle gespielt, wie Sprecher Ulrich Schulze auf Nachfrage mitteilt: Das sei „vergaberechtlich nicht relevant“ und werde daher seitens der Stadt im Vergabeverfahren weder abgefragt noch geprüft.

Sicherheitsaufträge: Das zahlt die Stadt Bottrop an die Wachdienste

Hinzu kommt: Erneut sind Aufträge zu Niedrigpreisen vergeben worden. So bekommt die Bochumer Sicherheitsfirma 19,90 Euro pro Mitarbeiter und Stunde ausgezahlt. Hinzu kommen Nacht- (1,90 Euro), Sonntags- (8,10 Euro) und Feiertagszuschläge (16,30 Euro) pro Stunde.

Bei den beiden Bottroper Firmen liegt der Stundensatz noch niedriger: Sie bekommen 18,95 Euro beziehungsweise 18,50 Euro pro Stunde. Auch die Zuschläge sind niedriger und liegen bei 1,30 Euro in der Nacht, 6,50 Euro am Sonntag und 13 Euro am Feiertag.

Interview mit Sicherheitsdienst Kötter

Demgegenüber stehen folgende Kosten für den Arbeitgeber: Der gesetzliche Mindestlohn für Sicherheitsdienstmitarbeiter liegt bei 15,40 Euro. Hinzu kommen rund 20 Prozent Lohnnebenkosten. Das ergibt bereits knapp 18,50 Euro, die ein Mitarbeiter den Security-Dienst stündlich kostet. Bei dieser Ausschreibung kommen aber noch weitere Kosten hinzu, da die Wachdienst-Mitarbeiter zwischen zwei Standorten pendeln müssen, also Revierfahrten erledigen. Dafür benötigen sie einen Wagen – und Benzin.

Förderung von Security-Mitarbeitern durch die Arbeitsagentur

Wie können solche Aufträge bei dem Preis wirtschaftlich erfüllt werden? Eines der Unternehmen, das jetzt den Zuschlag bekommen hat, hatte bei einem vorherigen Auftrag erklärt, dass sie einen hohen Anteil an geförderten Mitarbeitern hat. Also solchen, für die die Arbeitsagentur einen Eingliederungszuschuss zahlt.

Diese Förderung ist laut Agentur für Arbeit möglich, „wenn bei der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer zunächst eine geringere Arbeitsleistung als üblich zu erwarten ist und deshalb eine längere Einarbeitungszeit erforderlich ist“. Sie dient also nicht zur Preiskalkulation und als Wettbewerbsvorteil bei Ausschreibungen.

WAZ-Berichterstattung rund um den Bottroper Korruptionsfall

Schon mehrfach sind Sicherheitsaufträge von der Stadt Bottrop zu Niedrigpreisen vergeben worden. Vergaberechtlich zu beanstanden seien die Angebote nur, wenn der Erst- und Zweitplatzierte preislich deutlich auseinanderliegen, hieß es dazu seitens der Stadt im vergangenen Jahr. Denn Security-Aufträge werden weiterhin nur nach einem Kriterium vergeben: dem Preis.