Bottrop. „Dach und Fach“ ist ein Kümmerer-Projekt von ESB und Sozialamt. Was das Projekt macht und warum Vermieter demnächst ein Service-Paket bekommen.

In Bottrop steigt kontinuierlich die Zahl der wohnungslosen Menschen. Das zeigen Daten aus dem Projekt „Dach und Fach“, das die Evangelische Sozialberatung (ESB) und das Sozialamt gemeinsam betreuen. 2019 sind es 207 Menschen ohne feste Wohnung, 2020 schon 238. In den Jahren 2021 und 2022 sind es jeweils 275. Die aktuelle Zahl für 2023 lautet 350.

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Die Gründe für eine Wohnungslosigkeit können unterschiedlich sein. „Trennung, Scheidung oder Verlust des Arbeitsplatzes“, erklärt Oliver Balgar, Abteilungsleiter der diakonischen Einrichtungen und Netzwerkkoordinator für das Projekt.

Weitere Gründe in Bottrop wären steigende Baukosten und zu wenig Sozialwohnungen. Auch mehr geflüchtete Menschen sind ein Faktor für den Anstieg der Wohnungslosenzahlen in den vergangenen Jahren.

„184 Menschen sind nicht mehr wohnungslos.““

Oliver Balgar, Netzwerkkoordinator

Obdachlos ist nicht gleich wohnungslos, eine genaue Definition jedoch komplex. Laut Oliver Balgar muss man im Allgemeinen unterscheiden: „Obdachlos sind die Menschen, die kein Dach über dem Kopf haben, sich Schlafplätze im öffentlichen Raum suchen und in Einkaufszentren oder in Hauseingängen übernachten.“

So viele Menschen haben ihre Wohnung behalten oder eine vermittelt bekommen

Wohnungslos sind dagegen diejenigen, die ein Dach über dem Kopf haben und „mal hier und mal da übernachten, ohne festen Wohnsitz“. „Man spricht von Sofa-Hopper, das ist mittlerweile ein fester Begriff in der Wohnungsnotfallhilfe“, erklärt Oliver Balgar. Bei der Frage nach der Dunkelziffer hält er sich bedeckt. Für Bottrop kann er keine seriösen Zahlen benennen. Was er jedoch sagt: „Es gibt noch mehr, die wir nicht erfassen.“  

Vom 1. Januar 2023 bis 30. Juni 2024 sind 1252 Gespräche mit Ratsuchenden geführt worden. 116 Personen konnten in ihren Wohnungen bleiben. Gefährdete Mietverhältnisse durch Räumungsklagen konnten gesichert werden. 68 Menschen erhielten durch Vermittlung eine Wohnung. Eine erste Bilanz des Projekts fällt positiv aus. „184 Menschen sind nicht mehr wohnungslos“, sagt Oliver Balgar.

Der häufigste Grund sind Mietschulden. In solchen Fällen will das „Dach und Fach“-Projekt helfen. „Wir versuchen frühzeitig einzusteigen in den Prozess“, sagt Balgar. Mitarbeiter des Sozialamtes oder der ESB schauen, warum die Situation so ist, wie sie ist. Man führt Gespräche mit beiden Parteien. „Wir wollen zügig Hilfe leisten“, sagt Balgar. Im Idealfall bleibt der Mieter in der Wohnung und der Vermieter muss keinen neuen Mieter suchen.

Ein Phänomen taucht erst seit kurzer Zeit auf. „Es kommen Menschen zu uns, weil ihr Vermieter Eigenbedarf anmeldet“, sagt Balgar. Das sei auch eine Folge eines immer enger werdenden Wohnungsmarktes. Ein Grund für den Eigenbedarf kann sein, dass erwachsene Kinder von Eigenheimbesitzern keine eigene Wohnung finden.

Zahlen für den Zeitraum vom 1. Januar 2023 bis 30. Juni 2024 zeigen, dass mehr Männer (61 Prozent) als Frauen (39 Prozent) das „Dach und Fach“-Projekt bisher in Anspruch genommen haben. Besonders häufig betroffen sind die 30- bis 39-Jährigen (23,9 Prozent) und 40- bis 49-Jährigen (32,1 Prozent).

Monatlich findet zwischen Sozialamt, evangelischer Kirchengemeinde und ESB ein Austausch statt. „Dach und Fach“ ist trotz seines jungen Alters in Bottrop bereits breit aufgestellt. Einbezogen sind Politik, Sozialverbände, Wohnungswirtschaft und Stadtverwaltung. Im März dieses Jahres wurde zudem ein Kooperationsvertrag mit dem Eigentümerverband Haus und Grund unterzeichnet.

Denn mehr als 50 Prozent des Bottroper Wohnungsbestands ist in privater Hand. Um noch mehr Aufmerksamkeit für das Projekt zu erzeugen, haben die ESB und das Sozialamt in Zusammenarbeit mit Haus und Grund ein Service-Paket für Vermieterinnen und Vermieter zusammengestellt. Im Service-Paket enthalten sind auf zwei Zetteln und zwei Flyern alle nötigen Informationen und Kontaktdaten (ESB und Sozialamt).

Dem nächsten Mitgliedermagazin von Haus und Grund dürfte das Service-Paket zeitnah beigelegt werden. Man hofft auf noch mehr Akzeptanz für das Projekt durch die privaten Vermieterinnen und Vermieter.

Moritz Brunecker, Sozialplaner im Sozialamt und, wie Oliver Balgar, Netzwerkkoordinator für das Projekt: „Bislang ist die Landesförderung für Dach und Fach bis zum 28. Februar 2025 befristet.“ Doch es gibt eine positive Nachricht.

Brunecker weiter: „Die Förderung kann bis zum 31. Dezember 2027 verlängert werden. Voraussetzung ist eine erfolgreiche Bewerbung, die wir bis zum November einreichen werden. Wir sind daher sehr zuversichtlich, dass das Projekt verlängert wird.“