Bottrop. Das Sozialamt Bottrop möchte verstärkt dafür sorgen, dass Menschen ihre Wohnung erst gar nicht verlieren. Das war ein Thema der 1. Fachtagung.

Die Zahl der Menschen, die keine Wohnung haben, steigt. Waren zum Stichtag 30. Juni 2016 in Bottrop 184 Menschen wohnungslos gemeldet, so kletterte die Zahl zuletzt auf 250, berichtet Sozialplaner Moritz Brunecker. Die Evangelische Sozialberatung habe in der Wohnungslosenhilfe im Laufe eine Jahres sogar 400 bis 500 Kontakte. „Dazu kommt, dass die Vermittlung erschwert wird, weil immer weniger Wohnraum auf dem freien Markt zur Verfügung steht“, ergänzt Brunecker.

Die Stadt Bottrop hat sich auf die Fahnen geschrieben, Wohnungslosigkeit zu bekämpfen. Dazu möchte sie möglichst viele Partner ins Boot holen. Neben Institutionen oder Vereinen waren deshalb am Montag auch Vertreter von Wohnungsgesellschaften zur 1. Fachtagung „Bottroper Netzwerk gegen Wohnungsnot“ in die Aula Welheim geladen.

Ehemaliger Wohnungsloser erzählt Bottroper Akteuren seine Geschichte

Was es heißt, wohnungslos zu sein, berichtete zum Auftakt Roland Bach (35) in einem Einspieler. Er erzählte von seiner Zeit im Kinderheim, Drogenabhängigkeit schon mit 16 Jahren, fehlender Ausbildung. Auf der Straße habe er gewohnt, mal hier und mal da geschlafen. Wegen Beschaffungskriminalität saß er Gefängnis. „Dann wirst du entlassen und sitzt wieder auf der Straße.“ Sozialarbeiter der evangelischen Kirche haben ihm geholfen; heute ist er drogenfrei, hat eine feste Wohnung, träumt von einer Ausbildung als Tierpfleger. „Wenn man wirklich will und die Hilfe annimmt, dann kann man es schaffen“, sagt er heute.

Dass tatsächlich viele Akteure in jeweils ihrem Rahmen Wohnungslosen oder von Obdachlosigkeit bedrohten Menschen helfen können, ist eine Botschaft der Fachtagung. Für die vielen Problemlagen der Menschen – der Fall Roland Bach gibt eine Ahnung davon – brauche es ein komplexes, abgestimmte Hilfesystem.

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Sozialdezernentin Karen Alexius-Eifert verdeutlichte zu Beginn, dass es in Bottrop wenig offene Obdachlosigkeit gibt, die man im Stadtleben wahrnimmt. Dafür aber andere Formen von Wohnungslosigkeit, so wie im Fall von Roland Bach. „Sie schlafen mal hier, mal da bei Freunden und Verwandten.“ Wissen nicht, wo sie die nächste Nacht verbringen oder wie lange sie an einem Ort bleiben können. Diese Menschen seien oft nicht sichtbar. Dazu kommen diejenigen, die zum Beispiel durch eine Kündigung, Mietschulden oder eine Räumungsklage von Wohnungslosigkeit bedroht sind.

Wohnungslosigkeit: Stadt Bottrop stellt sich deutlich präventiver auf

Auf Grundlage der „Machbarkeitsstudie Wohnen/Wohnumfeld Siedlung Borsigweg“ (Ziel: die kommunale Unterkunft soll keine Endstation sein) und dem Handlungskonzept „Hilfen in Wohnungsnotfällen“ aus dem vergangenen Jahr ist bei der Stadt die Absicht erwachsen, sich deutlich stärker präventiv aufzustellen. Ganz wichtig sei in diesem Zusammenhang Netzwerkarbeit mit einem gemeinsamen Verständnis und dem Ziel, „Menschen aus der Wohnungsnot herauszubringen“, so Alexius-Eifert.

Jessica Risse (1.v.l.) und Saskia Lütgerhorst bilden das Team der Landesinitiative „Dach & Fach - Endlich (m)ein Zuhause“. Diese ergänzt die Bemühungen der Stadt Bottrop, Hilfen für wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen auszubauen und Maßnahmen gegen Wohnungslosigkeit zu stärken.
Jessica Risse (1.v.l.) und Saskia Lütgerhorst bilden das Team der Landesinitiative „Dach & Fach - Endlich (m)ein Zuhause“. Diese ergänzt die Bemühungen der Stadt Bottrop, Hilfen für wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen auszubauen und Maßnahmen gegen Wohnungslosigkeit zu stärken. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

„Wir können es gemeinsam schaffen“, betonte auch Sozialplaner Moritz Brunecker am Rande der Tagung. Diese diene dem Austausch verschiedener Akteure und dem gegenseitigen Verständnis für unterschiedliche Perspektiven. „Wir wollen auch auf das Kümmerer-Projekt Dach und Fach aufmerksam machen“, ergänzt er.

Unter dieser Überschrift sind das Sozialamt und die Evangelische Sozialberatung Teil des Landesprojektes „Endlich ein Zuhause“. Sozialarbeiterin Saskia Lütgerhorst und Immobilienfachwirtin Jessica Risse verstehen sich auch als Bindeglied zwischen Mieter und Vermieter, um Menschen präventiv beim Erhalt ihres Mietverhältnisses zu unterstützen. Indem zum Beispiel gemeinsam eine Lösung bei Ärger mit dem Vermieter oder Energieschulden-Problemen gefunden wird.

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Man lässt es also möglichst erst gar nicht erst bis zur Wohnungslosigkeit kommen. Denn die Gruppe der Menschen, die mit diesem Problem kämpfe, werde „bunter“, schildert Moritz Brunecker. Alle Altersklassen seien betroffen, bei besonderer Auffälligkeit der Gruppe der unter 25-Jährigen, und sowohl Einzelpersonen als auch Familien.

Neben den klassischen Gründen einer fehlenden Wohnung wie Haftentlassung oder Sucht spielten psychische oder auch finanzielle Schwierigkeiten eine Rolle. Eine Großfamilie etwa, die ihre Wohnung verliere, habe heutzutage schlechte Chancen, etwas immer noch bezahlbares Neues zu finden, sagt Brunecker.