Bottrop-Kirchhellen. Der Schauspieler aus Bottrop-Kirchhellen blickt zurück auf seine bisherige Karriere. Ein Moment ist ihm besonders in Erinnerung geblieben.
Es gibt Momente, die verändern ein ganzes Leben. Einen solchen Moment hat Norbert Heisterkamp erlebt. Niemals wird er ihn vergessen. Mehr als 30 Jahre ist es her.
Der fast Zwei-Meter-Hüne liebte damals Bodybuilding. Es sind die 1990er-Jahre. In seiner Freizeit präsentierte er seinen gestählten Körper bei Wettkämpfen. Tagsüber arbeitete Heisterkamp als Schweißfacharbeiter für die Ruhrkohle AG (RAG). Sein damaliger Vorgesetzter sagte eines Tages zu ihm: „Du Norbert, in Kirchhellen eröffnet der Bavaria Filmpark. Die suchen da Typen wie dich.“
+++ Wollen Sie keine Nachrichten mehr aus Bottrop verpassen? Dann abonnieren Sie hier unseren WhatsApp-Kanal
Heisterkamp überlegt. Er ist Ende 20, Anfang 30. Dass der Bavaria Filmpark in seiner Heimat Kirchhellen eröffnet, hat er gar nicht auf dem Schirm. Zu der Zeit ist er nicht glücklich in seinem Beruf. Die Strahlen, die beim Schweißen entstehen, setzen seiner Gesundheit zu.
Zum Feierabend jenes Tages dreht er sich an der Werkstatttür um und sagt zum Abschied: „Wenn ich morgen nicht komme, dann bin ich beim Film.“ Die Kollegen lachen über seinen flapsigen Spruch.
Auf dem Weg nach Hause muss er in Kirchhellen an einer roten Ampel halten. Das ist der Moment, der alles verändert. Er entdeckt ein Schild des Bavaria Filmparks. „Veränderungen sind ja nicht verkehrt“, denkt er sich. Er will ohnehin nicht mehr in seinem aktuellen Beruf arbeiten. Er nutzt den Moment und biegt an der Ampel in Richtung Filmpark ab.
Heisterkamp ist danach auch weiterhin zur Arbeit bei der RAG erschienen, hat parallel dazu aber eine Ausbildung zum Stuntman absolviert. Die Shows sind am Wochenende, nachmittags und abends werden die Stunts trainiert.
Fast ein Jahr geht das so. Er muss eine Entscheidung treffen. „Dann habe ich bei der RAG gekündigt“, sagt er und ergänzt: „Wenn ich daran denke, bekomme ich noch immer eine Gänsehaut.“ Denn bei der RAG angestellt zu sein, bedeutet seinerzeit ein sicheres Einkommen, einen sicheren Arbeitsplatz und eine sichere Zukunft zu haben. Nach dem Motto: Wer keine goldenen Löffel klaut, muss sich finanziell keine Sorgen machen.
Heisterkamp kündigt trotzdem. Sein Vater, einst selbst bei der RAG beschäftigt, hatte ihm eine Anstellung verschafft. Nun die 180-Grad-Wende zum Stuntman. Kein sicheres Einkommen, freiberuflich und um alles muss man sich selbst kümmern. Norbert Heisterkamp ist zu dieser Zeit verheiratet, hat zwei Kinder. „Der Schritt war ein Risiko“, sagt er rückblickend.
Heisterkamp zu seinem Vater: „Ich höre bei der RAG auf und werde Stuntman“
Er teilt seinem Vater die Entscheidung mit – in Ruhe bei einer Tasse Kaffee. „Ich höre bei der RAG auf und werde Stuntman“, habe er zu ihm gesagt. Den Gesichtsausdruck und die Augen seines Vaters in dem Moment werde er nie vergessen. „Mein Vater hat nicht einmal mehr den Kaffee ausgetrunken. Stattdessen ist er raus und hat den Rasen gemäht“, erinnert sich Norbert Heisterkamp lächelnd.
Es gibt Momente des Zweifelns, ob seine Entscheidung richtig ist. Immerhin trägt er Verantwortung für seine eigene Familie. Es gibt Wochen, in denen niemand anruft und die Aufträge ausbleiben.
Der Kirchhellener führt ein Leben wie auf der Überholspur
In solchen Momenten beruhigt er sich damit, dass er einen Führerschein der Klasse 2 besitzt. „Wenn es nicht geklappt hätte, wäre ich eben Lkw gefahren“, sagt er und gibt zu: „Ich hatte einige schlaflose Nächte.“ Aber er ist auch ein Kind des Ruhrgebiets. Das heißt: durchbeißen, nie aufgeben und malochen.
Diese Tugenden hat er verinnerlicht. Er hört im Bavaria Filmpark auf und arbeitet anschließend freiberuflich als Stuntkoordinator und Stuntregie bei Film- und Fernsehproduktionen. Er führt ein Leben auf der Überholspur. Gefühlt nimmt er jeden Auftrag in der Branche an. Als Freiberufler weiß er, jeder Auftrag könnte der letzte sein.
Im Laufe der Jahre lernt er Regisseure kennen. Er dreht mit Götz George, Hape Kerkeling und Klaus Maria Brandauer. Später macht er Karriere vor der Kamera. Spätestens als Bodybuilder Harry in der erfolgreichen Comedy-Serie „Alles Atze“ mit Comedian Atze Schröder kennt ihn ab der Jahrtausendwende die gesamte Republik. Als Zwerg „Ralfie“ mit Otto Waalkes zeigt er in „Sieben Zwerge – Männer allein im Wald“ erneut sein komödiantisches Talent.
Dennoch zieht es ihn nach einer Produktion immer wieder zurück zur Familie. Nicht schnell genug kann er im Auto sitzen. Er will sehen, wie seine Kinder aufwachsen. Seine Frau Irmgard hält ihm all die Jahre den Rücken frei. Seit 40 Jahren ist er mit ihr verheiratet.
Seit 30 Jahren ist er in der Filmbranche. Das Blitzlichtgewitter war, ist und wird nicht seine Welt. „Ich brauche keinen roten Teppich“, sagt er. „Ich bin unheimlich dankbar, dass ich das alles machen durfte, und die richtigen Leute getroffen habe, die mir das alles ermöglicht haben.“
Doch im August 2023 kommt die Vollbremsung. Er muss sich einer schweren Herz-Operation unterziehen. Die Ärzte setzen ihm drei Bypässe, eine Herzklappe wird geflickt. Er muss dafür an einer Herz-Lungen-Maschine angeschlossen werden
- „Es reicht!“: Anwohner ist von Knallern gefrustet
- Kneipe könnte zu Kita werden: Warum Bottrop dagegen ist
- Hotel, Wohnungen, Einkaufen: Die Pläne fürs Hansa-Center
- Zehn Jahre Bierhaus: Hier ist der Gast König
Die Diagnose war für ihn damals ein Schock. „Das zieht einem die Schuhe aus“, sagt der heute 62-Jährige. Die OP ist erfolgreich, die Reha verläuft bestens. Seit dem Notfall lässt er es ruhiger, stressfreier und nachdenklicher angehen. Und: Nun hat er mehr Zeit für die Familie.
Denn Norbert Heisterkamp ist nicht nur gelernter Elektriker, Schlosser, Schweißfacharbeiter, Bodybuilder, Stuntman, Rennfahrer und Schauspieler. Er ist auch Ehemann, Vater von drei Kindern und vierfacher Großvater.
Die Autobiografie von Norbert Heisterkamp „Wenn ich morgen nicht komme, dann bin ich beim Film“ ist im Buchhandel erhältlich (240 Seiten, 18 Euro).