Bochum. Bald wird die Castroper Straße weiter umgebaut. Dann fallen zig Parkplätze weg. Die Nachbarschaft ist verzweifelt und versteht die Planung nicht.

„So schlimm“, sagt Helga Fromme, „war‘s noch nie.“ Seit mehr als 50 Jahren wohnt sie an der Castroper Straße, die auch früher schon eine wichtige Achse in die Bochumer Innenstadt war. Aber was inzwischen los sei – der tägliche Stau, der Kampf um Parkplätze im Viertel nahe dem Ruhrstadion, das sei wirklich „grauenhaft“.

Gemeinsam mit einem knappen Dutzend anderer Anwohnerinnen und Anwohner hat sich die 78-Jährige auf dem Gehsteig vor Hausnummer 93 versammelt. Die Anlieger, überwiegend wie Fromme seit Jahrzehnten hier zu Hause, wollen ihre Situation schildern. Weil sie sich in ihren alltäglichen Nöten schon gegenwärtig nicht ausreichend gehört fühlen und weil sie fürchten, dass der geplante Umbau der Castroper Straße zwischen Klinikstraße und Stadion ihre Lage noch weiter verschlimmert.

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Parken in der Mitte der Castroper Straße wird wegfallen

Im Frühjahr vergangenen Jahres haben die politischen Gremien den „Grundsatzbeschluss zum Vollausbau der Castroper Straße“ auf dem zweiten Bauabschnitt verabschiedet und damit der Verwaltung den Auftrag gegeben, die nächsten Schritte zu gehen. Auch wenn die Detailplanung noch nicht steht, ist absehbar: Ein Großteil der Parkplätze an und auf der Straße wird wegfallen. Noch ist das Schrägparken in der Mitte auf den alten Straßenbahnschienen gestattet – laut Stadt aber ist das nur „eine Zwischenlösung“, die „aus Gründen der Verkehrssicherheit nicht für die zukünftige Umgestaltung des Straßenraums vorgesehen werden kann“.

Parkplätze  in Bochum
„Wir fühlen uns vernachlässigt“, sagen die Anwohner der Castroper Straße mit Blick auf die Umbaupläne der Stadt. Von links: Wilfried Böckmann, Johannes Vogelsang, Yüksel Sürmeci, Margret Müller, Helga Fromme, Heinz Henke, Frank Gutberger, Ulla Lalee und Güngör Aydin. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Von aktuell rund 120 öffentlichen Parkplätzen blieben nach Vorstellung des Amtes für Stadtplanung nach dem Umbau noch 48 übrig. Das Amt rechnet gegen: 155 Fahrzeuge seien im Bereich zwischen Klinikstraße und Ruhrstadion gemeldet, und „im Untersuchungsraum stehen ca. 121 private Stellplätze und Garagen zur Verfügung“. Die Differenz von 34 sei zwar nicht die exakte Zahl der benötigten öffentlichen Parkplätze, heißt es in der Vorlage weiter, könne aber „als Annäherung an den tatsächlichen Bedarf betrachtet werden“. Und dieser werde „mit der Planung von 48 öffentlichen Längsstellplätzen deutlich übertroffen“.

Anwohner der Castroper Straße müssen weit weg parken

Frank Gutberger bezweifelt das. „Ich hatte sofort das Gefühl, das kann nicht sein“, erzählt er. Der 66-Jährige lief die Straße ab, fragte bei Nachbarn nach – und zählte insgesamt 56 private Stellplätze und Garagen, weniger als die Hälfte. Das habe er detailliert dokumentiert und Bezirksvertretung sowie Rat im Januar 2024 mitgeteilt. „Bis heute wird das von den Verantwortlichen ignoriert“, sagt er. Woher die Zahl 121 komme, wollte er wissen – habe aber keine Antwort bekommen. „Undurchsichtig“ finde er das. Auf Nachfrage teilt Stadtsprecher Peter van Dyk mit, die Zahl von 121 möglichen privaten Stellplätzen – ob sie auch als solche genutzt werden, dahingestellt – sei Ergebnis einer Begehung sowie der Auswertung von Luftbildern und Bauakten.

„Morgens früh um 6 ist schon alles zu. Was soll ich machen? Ich kann doch nicht immer drei Kilometer weit laufen!“

Yüksel Sürmeci (62)
wohnt seit mehr als 40 Jahren an der Castroper Straße

Wer den Anwohnern zuhört, bekommt abenteuerliche Geschichten von der tagtäglichen Parkplatzsuche zu hören. Yüksel Sürmeci zum Beispiel arbeitet in Wechselschicht bei Thyssen-Krupp. Er fühle sich durch die Planung bestraft, schon jetzt drehe er regelmäßig mehrere Runden und parke dann weit, weit weg. Das Problem: Während die Straßen am Stadtpark und rund ums Augusta-Krankenhaus als Anwohnerparkzonen ausgewiesen sind, ist das Parken an der Castroper Straße bislang frei – und wird auch von vielen Pendlern genutzt, die in die Bochumer Innenstadt wollen. „Morgens früh um 6 ist schon alles zu“, sagt Sürmeci und fragt: „Was soll ich machen? Ich kann doch nicht immer drei Kilometer weit laufen!“

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Einfahrten von Anwohnern sind oft blockiert

Parkplätze  in Bochum
Ein Rettungswagen bahnt sich den Weg über die Castroper Straße. Die Straße ist stark befahren und meist zugeparkt. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Am späten Vormittag ist am Straßenrand kaum eine Lücke auszumachen. Ulla Lalee (70) arbeitet in der ambulanten Pflege, hat regelmäßig nachts Rufbereitschaft. Da sei es problematisch, wenn ihr Auto weit weg parkt. Davon abgesehen, dass ihr auch nicht wohl sei, mehrere Kilometer alleine durch die Nacht dorthin zu laufen.

Margret Müller hat den Luxus einer eigenen Garage, leidet aber gleichwohl unter der Situation: „Jeden Tag steht bestimmt fünfmal jemand in meiner Einfahrt“, erzählt die 76-Jährige. Dann kommt sie nicht raus, muss den Fahrer suchen und bitten, wegzufahren.

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Ausnahmezustand bei Heimspielen des VfL Bochum

Das sind die alltäglichen Probleme. Mit dem Ausnahmezustand rund um die Heimspiele des VfL Bochum haben sie sich „anne Castroper“ ja schon arrangiert, so gut es geht. „Das greift schon hart ins Familienleben ein“, sagt Frank Gutberger. Wenn seine in Düsseldorf lebende Tochter ihm freitags sage, dass sie am nächsten Tag zu Besuch komme, dann sage er regelmäßig: „Nee, vergiss et. Morgen spielt der VfL.“ Dann herrscht absolutes Halteverbot. Die Anwohner parken ihre Wagen am Vorabend woanders und planen ihre Wochenenden drumherum. „Samstags kommst du halt nirgendwo hin.“

„Nee, vergiss et. Morgen spielt der VfL.“

Anwohner Frank Gutberger
sagt Besuchern an Heimspieltagen ab – Parken in der Nähe ist dann unmöglich

Sie haben aber Angst vor der Zeit nach dem Straßenumbau. Auch er befürchte, dass „an allen Ecken und Enden Parkplätze fehlen werden“, sagt Johannes Vogelsang (32). Er habe das Gefühl, dass Dinge ohne Gedanken an die Folgen beschlossen werden.

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Bochumer wünschen sich Castroper Straße als Anwohnerparkzone

Die Castroper Straße solle auch als Anwohnerparkzone ausgewiesen werden, fordert Frank Gutberger. Und tatsächlich ist genau das der Plan der Stadt: Der Bewohnerparkbereich R (Augusta) solle auf die Castroper und angrenzende Straßen ausgeweitet werden, „um die Belange der Anwohnenden stärker zu schützen“ und „ortsfremde Parkvorgänge“ zu reduzieren.

Yüksel Sürmeci hat noch eine andere Idee: Warum, fragt der 62-Jährige, dürften die Anwohner nicht zumindest unter der Woche kostenfrei auf dem Kirmesplatz parken? Dann sei der doch ohnehin meist leer. Dazu hat die Stadt andere Pläne: Sie verweist auf die Möglichkeit, als Anwohner dort einen vergünstigten Dauerparkausweis für 29 Euro im Monat zu bekommen. Der Parkplatz wird von der Wirtschaftsentwicklungsgesellschaft (WEG) bewirtschaftet. Andere Dauerparker zahlen hier 49 Euro im Monat.

So oder so: Wegziehen ist für die Anwesenden keine Option. „Ich bin hier verwurzelt“, sagt Margret Müller, und auch Yüksel Sürmeci erzählt, er sei hier groß geworden, „ich fühl mich hier wohl“. Wenn da nicht immer diese Frage wäre: „Wo sollen wir parken?“

Erster Bauabschnitt fertig

Der erste Bauabschnitt der Castroper Straße ist kurz vor dem Jahreswechsel 2024/25 fertiggestellt worden. Seit Mitte 2022 wurde die Straße zwischen Schwanenmarkt/Nordring und Klinikstraße umgebaut. Unter anderem wurden Radwege eingerichtet, alte Straßenbahnschienen herausgerissen, in der Mitte Rigolen zur Entwässerung angelegt.

Für den zweiten Bauabschnitt läuft zurzeit die Entwurfs- und Ausführungsplanung, auf deren Grundlage dann der Baubeschluss gefällt wird. Die Stadt rechnet nach Angaben von November mit Baukosten von rund zehn Millionen Euro, zuzüglich Beleuchtung, Leitungsverlegung, Kanalbau und Entwässerung. Mit einem Baubeginn wird für Ende 2026 gerechnet, die Arbeiten werden dann voraussichtlich bis mindestens 2028 andauern.

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