Bochum. Aberglaube im Bochumer Schauspielhaus weit verbreitet. Drei Darsteller verraten ihre Marotten und wieso man nicht „viel Glück“ wünschen sollte.

Stellen Sie sich vor, Sie treffen einen Schauspieler kurz vor der Premiere und wünschen ihm „Viel Glück“. Das ist komplett falsch! Es heißt „Toi, toi, toi“, und auf den gut gemeinten Glückwunsch sollten Sie besser keine Antwort und schon gar kein „Danke“ erwarten, denn das bringt Unglück.

Aberglaube im Schauspielhaus Bochum: Manche Bühnen-Rituale kennt nicht jeder

Kaum irgendwo sonst gibt es so viel Aberglaube wie im Theater. Da wird dreimal über die Schulter gespuckt, da wird der Bühnenboden geküsst, vor den Premieren werden feste Rituale zelebriert – und den Titel eines bestimmten Klassikers darf man auf gar keinen Fall in den Mund nehmen. Was es damit auf sich hat? Wir haben im Ensemble des Schauspielhauses Bochum nachgefragt.

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1. Auf der Bühne nicht essen und nicht pfeifen

An diesen Rüffel kann sich die Schauspielerin Danai Chatzipetrou noch bestens erinnern: „Ich war gerade neu im Ensemble und hatte eine Vorstellung des Weihnachtsmärchens früh am Morgen“, erzählt sie. „Da habe ich mir vorher beim Bäcker noch schnell ein Brötchen geholt und es auf der Bühne gegessen.“ Doch nach dem ersten Bissen kam direkt die Ermahnung einer Kollegin: „Sie meinte ganz streng, dass man auf der Bühne nicht essen darf. Das hatte ich vorher noch nie gehört.“

Aberglaube im Theater Bochum
Die drei Schauspieler des Bochumer Schauspielhauses Danai Chatzipetrou, Michael Lippold und Nina Steils verraten Rituale von Darstellern vor ihren Aufführungen. © FUNKE Foto Services | Katleen Diekgraefe

In der Tat gehört es zu den weit verbreiteten Theaterritualen, dass man auf der Bühne weder essen noch pfeifen noch den eigenen Mantel und Hut tragen darf. „Ich gehe nie mit privater Kleidung auf die Bühne“, erzählt der Schauspieler Michael Lippold. „Das hat allerdings bei mir nicht in erster Linie etwas mit Aberglaube zu tun, sondern eher mit einer Trennung von Arbeit und Privatem.“ Im Vergleich zu früheren Jahren habe der Aberglaube unter den jungen Kollegen tatsächlich etwas nachgelassen, doch es gibt ihn noch.

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2. Toi-toi-toi-Geschenke: Darsteller beschenken sich

Für Außenstehende schwer zu begreifen: Vor jeder Premiere machen sich sämtliche Personen, die an der Aufführung beteiligt sind, untereinander kleine Geschenke. Vom Hauptdarsteller bis zur Kostümbildnerin: Jeder schenkt sich etwas. Da sind mal kleine Aufmerksamkeiten, mal auch liebevoll gestaltete Mitbringsel, die etwas mit der Aufführung zu tun haben.

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„Bei der ‚Hermannsschlacht‘ hat jeder ein LP-Cover bekommen, das nach seiner Figur gestaltet war“, erinnert sich Michael Lippold, der sämtliche „Toi-toi-tois“, wie man sie im Theater nennt, aufgehoben hat. Darunter Postkarten, kleine Figuren, Schlüsselanhänger und handgefertigte Streichholzschachteln. „Kurz vor einer Premiere kann das auch in Stress ausarten, wenn man plötzlich 20 Geschenke besorgen muss“, sagt Danai Chatzipetrou. „Doch ich mache das gern, weil man dabei neben all der Aufregung auch etwas den Kopf frei bekommt.“

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3. Bochumer Schauspielerin hat festes Ritual: Wohnung putzen

Für die Schauspielerin Nina Steils, seit dieser Spielzeit neu im Ensemble, gibt es vor jeder Premiere ein festes Ritual: Sie putzt ihre Wohnung. „Ich mache von oben bis unten alles sauber“, erzählt sie. „Dann fühle ich mich wohl und bin bereit für die Vorstellung.“ Und: Sie backt gern für ihre Kolleginnen und Kollegen. „Leider habe ich in meiner Wohnung in Bochum noch keinen Ofen, aber der kommt noch.“

Aberglaube im Theater Bochum
Toi-toi-toi-Geschenke gehören für Schauspieler vor Aufführungen dazu wie feste Rituale. Nina Steils beispielsweise putzt ihre Wohnung vor einer Premiere. © FUNKE Foto Services | Katleen Diekgraefe

Jede Vorstellung beginnt Nina Steils damit, dreimal auf den Bühnenboden, also auf Holz zu klopfen: „Das ist für mich wie ein Warm-up.“ Eine Kollegin würde jedes Mal auf die Knie gehen und den Boden küssen, erzählt Michael Lippold. „Das macht sie schon seit Jahren.“ Intendant Johan Simons hat während der Proben zu „Meine geniale Freundin“ ein neues Ritual entdeckt: „Ich trage schwarze Turnschuhe“, sagt er. „Das sind meine Glücksschuhe.“

„Kurz vor einer Premiere kann das auch in Stress ausarten, wenn man plötzlich 20 Geschenke besorgen muss.“

Schauspielerin Danai Chatzipetrou über die kleinen „Toi-toi-tois“

4. Teamgeist stärken? Schauspieler spucken dreimal über die Schulter

Woher am Theater die Marotte kommt, vor einer Vorstellung dreimal über die linke Schulter zu spucken, ist nicht zweifelsfrei zu klären. „Vermutlich schärft es den Teamgeist, weil man vorher noch etwas Gemeinsames macht“, sagt Danai Chatzipetrou. Übrigens spuckt man nicht wirklich, sondern deutet das Spucken nur an. Doch das „Trockenspucken“ wird gepflegt: Immer über die rechte Schulter des Gegenübers, denn dort sitzt angeblich der Teufel, den es zu vertreiben gilt.

Ein beliebtes Stück im Bochumer Schauspielhaus: „Macbeth“. Den Namen der Titelfigur in Bühnennähe laut zu nennen, bringt jedoch Unglück. Hier eine Szene aus den Proben mit (von links) Jens Harzer, Marina Galic und Stefan Hunstein..
Ein beliebtes Stück im Bochumer Schauspielhaus: „Macbeth“. Den Namen der Titelfigur in Bühnennähe laut zu nennen, bringt jedoch Unglück. Hier eine Szene aus den Proben mit (von links) Jens Harzer, Marina Galic und Stefan Hunstein.. © Schauspielhaus Bochum  | Armin Smailovic

5. Trotz Erfolgs in Bochum: Nicht „Macbeth“ sagen

William Shakespeares „Macbeth“ mag zu den großen Klassikern gehören, doch den Namen der Titelfigur laut auszusprechen, ist unter Theaterleuten verpönt. „Es heißt, man dürfe in Bühnennähe niemals diesen Namen sagen“, meint Michael Lippold. Denn über dem Stück soll ein Fluch liegen, seit der Darsteller der Lady Macbeth kurz vor Uraufführung im Jahr 1611 verstarb. In der Folge soll es rund um die Aufführungen von Shakespeares Königsdrama mehrere Todesfälle, Brände und Selbstmorde gegeben haben. Also: Vorsicht!

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6. Schlussapplaus kann auch überwältigend sein

Ein lieb gewonnenes Ritual nach jeder Vorstellung ist der Schlussapplaus. Zumindest das Publikum freut sich oft darauf, sich auf diese Weise bei allen Beteiligten bedanken zu dürfen. Und die Schauspieler? „Auch, wenn es komisch klingt, manchmal habe ich Probleme mit dem Schlussapplaus“, sagt Michael Lippold. Das habe einen einfachen Grund: „Während der Aufführung schlüpfe ich in eine Rolle, doch beim Applaus stehe ich dort als Privatperson. Da kann ein großer Applaus fast schon überwältigend sein.“

Andere Kollegen hingegen freuen sich auf den Beifall: „Ich komme aus Griechenland, da wird beim Beifall gejubelt wie verrückt“, erzählt Danai Chatzipetrou. „In Deutschland habe ich dann zum ersten Mal erfahren, dass es hier für die Schauspielerinnen und Schauspieler eine vorher genau festgelegte Applausordnung gibt. Das war mir völlig neu.“

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