Bochum. Diese Geschichte sorgt im Schauspielhaus Bochum derzeit für Ovationen. Doch was macht das Weihnachtsmärchen so schön? Unsere Kritik.

Einmal im Jahr sind die Zuschauerreihen im Schauspielhaus Bochum fest in Kinderhand: Kurz nach der umjubelten Premiere ist auch die zweite Familienvorstellung des neuen Weihnachtsstücks „Nils Holgersson“ am Sonntag nahezu ausverkauft. Im Foyer und an der Garderobe herrscht riesiges Gewusel, überall duftet es nach Waffeln – und auf der großen Bühne bieten die Theaterprofis ein dermaßen prall gefülltes Treiben, dass die Besucher schon nach kurzer Zeit komplett in dieser schönen Geschichte versunken sind. Wer jetzt noch zweifelt, ob der blonde Nils einen Theaterbesuch lohnt, dem seien hier fünf Gründe genannt, die die Entscheidung leichter machen.

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Das Stück

Den Roman „Nils Holgersson“ der schwedischen Nobelpreisträgerin Selma Lagerlöf aus dem Jahr 1906, dürfte in kompletter Länge kaum jemand kennen. Auf rund 600 Seiten beschreibt sie darin die gefahrvolle Reise des aufmüpfigen Nils mit einer Schar Wildgänse quer durch Schweden. Regisseur Nils Zapfe hat den Wälzer auf schlanke 80 Spielminuten eingedampft, wobei zeitlos aktuelle Themen wie Freundschaft, Mut und Vertrauen im Mittelpunkt stehen. Neben großer Lust am Schabernack finden auch die dunklen Seiten der Geschichte (etwa die angedrohte Zerstörung einer Eisenfabrik) auf der Bühne ihren Platz. So ist die Aufführung weniger ein Schenkelklopfer, sondern mehr eine spannende, bisweilen komplexe Abenteuerreise für Kinder ab sechs Jahren.

Überraschend schlicht gehalten ist das Bühnenbild von „Nils Holgersson“ im Schauspielhaus Bochum. Etwas Nebel, ein paar Wolkenkulissen, mehr braucht es nicht. Hier eine Szene mit (v.l.n.r.) Marlene Helling, Danai Chatzipetrou und  Meret König.
Überraschend schlicht gehalten ist das Bühnenbild von „Nils Holgersson“ im Schauspielhaus Bochum. Etwas Nebel, ein paar Wolkenkulissen, mehr braucht es nicht. Hier eine Szene mit (v.l.n.r.) Marlene Helling, Danai Chatzipetrou und Meret König. © Schauspielhaus Bochum | Fabian Ritter

Die Bühne

Nach einer etwas lang geratenen Einführung, in der Nils allein vor dem Vorhang stehend die Vorgeschichte erzählt, öffnet sich die Bühne – und man sieht: Wolken! Im Vergleich zu vorherigen Familienstücken, wie etwa „Die Schöne und das Biest“, ist das Bühnenbild (von Grit Dora von Zeschau) überraschend schlicht gehalten. Kleinere Theatertricks, wie etwa plötzlich einsetzender Schnee und Wind, entfalten durchaus ihre Wirkung.

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Die Flüge

Darauf haben viele im Saal gewartet: Der auf Miniaturgröße geschrumpfte Nils verbringt einen Großteil der Handlung auf dem Rücken von Hausgans Martin, gemeinsam mit den anderen Gänsen fliegen sie Richtung Norden. Doch wie werden diese „Flüge“ auf der Bühne gezeigt? Tatsächlich baumeln die Darsteller nur einmal kurz artistisch in Gurten festgeschnallt in luftiger Höhe, die übrigen Flugreisen werden mittels einer bestens einstudierten Tanzchoreografie nachgestellt. Christoph Hamann sorgt dazu am rechten Bühnenrand für die passende Live-Musik. Abflug!

Hausgans Martin (Linde Dercon, links) und der kleine Nils Holgersson (Jakob Schmidt) werden im Laufe der turbulenten Handlung im Schauspielhaus Bochum zu besten Freunden. 
Hausgans Martin (Linde Dercon, links) und der kleine Nils Holgersson (Jakob Schmidt) werden im Laufe der turbulenten Handlung im Schauspielhaus Bochum zu besten Freunden.  © Schauspielhaus Bochum | Fabian Ritter

Die jungen Darsteller

Absolut hinreißend sind die jungen Schauspieler, von denen einige seit dieser Spielzeit neu im Ensemble sind. Jakob Schmidt (25) gibt den kleinen Nils mit großen Augen und vollem Körpereinsatz. Gerade bei dieser oftmals recht abgehobenen Geschichte braucht es eine Identifikationsfigur, mit der jeder im Saal mitfiebern kann. Schmidt zeigt starke Präsenz. Ebenfalls beeindruckend ist Linde Dercon (26): Die junge Niederländerin spielt die leicht bräsige Hausgans Martin bezaubernd. Nina Steils holt aus dem einsamen Fuchs Smirre einige Tragik heraus, während die drei Gänse (Danai Chatzipetrou, Marlene Helling und Meret König) im Laufe der turbulenten Handlung eigenes Profil entwickeln. Einen Überraschungsauftritt hat Johanna Wieking ganz am Ende, aber der sei hier nicht verraten.

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Der Jubel

Wenn Nils Holgersson nach gefahrvoller Odyssee wieder daheim auf dem Bauernhof angekommen ist und ein kleines, aber schnell vergessenes Lied zum Abschied gesungen wird, bricht im Saal riesiger Jubel los. Diese weit über 100 Jahre alte Geschichte packt einen noch immer! Wer mitfliegen möchte, sollte nicht lange zögern: Die Karten für die Familienvorstellungen im Dezember werden langsam knapp.

Die nächsten Spieltermine

Das neue Weihnachtsmärchen „Nils Holgersson“ im Schauspielhaus Bochum wird für Familien wieder am 1., 8., 15., 23. und 25. Dezember gespielt. Für einige Termine gibt es nur noch wenige Karten. Daneben gibt es zahlreiche Vorstellungen für Schulklassen.

Weiter Termine im Januar und Februar sind in Vorbereitung. Infos: 0234 3333 5555 und schauspielhausbochum.de

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