Bochum. Der 56-jährige Regisseur tritt die Nachfolge von Johan Simons am Schauspielhaus Bochum an. Jetzt hat er erste Details seiner Intendanz verraten.

Mit einer flammenden Rede fürs Theater und für den Wert der Kunst hat sich der designierte Intendant Nicolas Stemann am Dienstagnachmittag im Rathaus vorgestellt. Der 56-jährige Regisseur aus Hamburg wird ab Mitte 2027 die Nachfolge von Johan Simons am Schauspielhaus Bochum antreten. Runde eine halbe Stunde lang berichtet er den Mitgliedern des Kulturausschusses von ersten Plänen und Ideen für ein neues Schauspielhaus unter seiner Leitung, ohne allerdings konkrete Stücke oder Künstler nennen zu wollen, mit denen er in Bochum zusammenarbeiten möchte. „Dafür ist es einfach noch zu früh“, sagt er.

Zuletzt war Nicolas Stemann Co-Intendant in Zürich

Gemeinsam mit dem Dramaturgen Benjamin von Blomberg war Stemann zuletzt Co-Intendant am Schauspielhaus Zürich. Die Zuschauer- und Abozahlen galten als mau, manche Medien kritisierten das Theater als zu ideologisch. Trotz einiger Publikumshits und Festivaleinladungen gab es Stimmen, die die Intendanz nach fünf Jahren als gescheitert erklärten. Dennoch schaut Stemann mit einigem Stolz auf seine Züricher Theaterleitung zurück: „Trotz aller Schwierigkeiten und Konflikte war das eine wichtige Zeit für uns, und ich bereue gar nichts“, stellt er fest.

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Dennoch habe er eine Weile gezögert, als das Angebot der Simons-Nachfolge aus Bochum kam: „Ich habe schon überlegt, ob ich mir das noch mal antun möchte“, gesteht er. Zwischenzeitlich arbeitete Stemann wieder als freier Regisseur etwa bei den Salzburger Festspielen und habe es durchaus genossen, nicht mehr selbst in der Verantwortung für ein ganzes Stadttheater stehen zu müssen.

Nicolas Stemann (Mitte) bereitet seine Intendanz am Schauspielhaus Bochum vor. Jetzt absolvierte er seinen ersten Auftritt im Kulturausschuss. Im Bild: (von links) die stellvertretende Vorsitzende Sonja Gräf und Kulturdezernent Dietmar Dieckmann.
Nicolas Stemann (Mitte) bereitet seine Intendanz am Schauspielhaus Bochum vor. Jetzt absolvierte er seinen ersten Auftritt im Kulturausschuss. Im Bild: (von links) die stellvertretende Vorsitzende Sonja Gräf und Kulturdezernent Dietmar Dieckmann. © Stadt Bochum | Lutz Leitmann

Doch der Lockruf aus Bochum war scheinbar zu verlockend. Mit dem Schauspielhaus verbindet Stemann prägende Jahre, seit er dort als junger Regisseur mit Beginn der Intendanz von Matthias Hartmann erste Arbeiten wie „Kauft Tasso!“ und „Werther“ zeigte. Genau 24 Jahre ist das jetzt her. Den Weg des Hauses verfolgte er daraufhin genau: „Es ist toll, was hier passiert ist und welche Aura dieser Ort für Theatermacher bis heute hat.“ Bei Leander Haußmann in den späten 90er Jahren sei das Schauspielhaus der „Place to be“ schlechthin gewesen – und das habe sich während der Jahre unter Johan Simons nicht geändert.

Weihnachtsmärchen und Liederabende will Stemann in Bochum zeigen

Was genau der kommende Intendant in Bochum plant, mag er noch nicht verraten. Es würden derzeit viele Gespräche geführt: „Und mit wem ich auch spreche, ich bekomme nur Zusagen“, schmunzelt er. „Offenbar hat das Schauspielhaus für viele einen großen Reiz.“ Eines sei aber klar: Die Inszenierung der großen, prägenden Werke betrachte er als „Chefsache“. „In meinem ersten Jahr in Zürich habe ich das Weihnachtsmärchen selbst inszeniert“, erzählt er. „Das hat einen solchen Spaß gemacht, das werde ich wohl nach Bochum mitnehmen.“ Auch Liederabende und Musicals wolle er gern auf die Bühne bringen, sagt Stemann, der in jungen Jahren in diversen Bands spielte.

Am Schauspielhaus Bochum ist Nicolas Stemann kein Unbekannter: Zu Beginn der 2000er Jahre zeigte er hier erste Arbeiten wie „Werther“, die ihn nachhaltig prägten.
Am Schauspielhaus Bochum ist Nicolas Stemann kein Unbekannter: Zu Beginn der 2000er Jahre zeigte er hier erste Arbeiten wie „Werther“, die ihn nachhaltig prägten. © FUNKE Foto Services | Uwe Ernst

Daneben sieht er es als Herausforderung an, neue Zuschauerschichten fürs Theater zu begeistern. „Es nützt ja nichts, immer nur darüber zu reden, wie schön früher alles war“, sagt er. „Wir müssen an die Leute herankommen, die mit Theater wenig am Hut haben.“ Es sei kein Wunder, dass die Abozahlen an vielen Bühnen im Keller seien: „Ein 30-Jähriger kauft heute kein Abo mehr, außer vielleicht für Netflix.“

Von Zürich nach Bochum, ein Wechselbad

Mit seiner Familie wohnt Nicolas Stemann derzeit noch in Zürich, möchte aber möglichst bald nach Bochum ziehen – also aus der noblen Schweiz mitten hinein in den Kohlenpott. „Ein größeres Wechselbad kann man sich nicht vorstellen“, gibt er zu. „Aber ich freue mich darauf.“ Eine Stadt wie Bochum sei von der Arbeit geprägt: „Sie ist nicht nur schön, aber man spürt, was für eine Wichtigkeit das Theater hier hat und wie sehr die Menschen daran hängen.“

Verheiratet mit einer Opernsängerin

Nicolas Stemann ist mit der niederländischen Opernsängerin Olivia Vermeulen verheiratet. Sie sind Eltern zweier Kinder (sechs und zwölf Jahre) und wohnen aktuell in Zürich, wo die Kinder auch zur Schule gehen. Ein Umzug nach Bochum sei aber bereits geplant: „Meine Frau tourt als Sängerin durch die Welt“, erzählt er. „Da ist es wichtig, dass wir einen gemeinsamen Lebensmittelpunkt haben.“

Zuletzt war vor zwei Jahren von ihm eine packende Deutung des Dürrenmatt-Klassikers „Der Besuch der alten Dame“ im Schauspielhaus zu sehen, auf die Bühne gebracht von nur zwei Schauspielern und einer Musikerin.