Bochum. Auf der Bühne am Schauspielhaus Bochum fliegen oft die Fetzen. Wie viel davon ist echt, was Trickserei? Zwei Experten verraten Geheimnisse.

Es ist Donnerstag um 22 Uhr, da ist am Schauspielhaus Bochum der Feierabend noch in weiter Ferne. Unter großem Beifall ist soeben eine Vorstellung von „Trauer ist das Ding mit Federn“ zu Ende gegangen, ein Renner in dieser Spielzeit. Das Stück ist traurig, lustig, ungeheuer anrührend, hemmungslos überzogen – und zwischendurch geht es richtig hoch her!

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Nach der Vorstellung sieht die Bühne aus wie Sau

Nach voll bepackten zwei Stunden sieht die Bühne aus wie Sau. Mehrere Liter Kunstblut, Erbrochenes, Gedärme, verschmierte Zettel und haufenweise schwarze Federn ergeben ein Bild der Verwüstung – und nicht wenige Zuschauer dürften sich beim Hinausgehen schon gefragt haben: Wer räumt die Riesenschweinerei eigentlich so spät am Abend wieder auf?

In einem Berg aus Federn, Kunstblut und zerknülltem Papier arbeiten Astrid Freyer-Schreiber (links) und Jonas Hartmann nach der Vorstellung im Schauspielhaus. Mittendrin: ein abgerissenes Bein.
In einem Berg aus Federn, Kunstblut und zerknülltem Papier arbeiten Astrid Freyer-Schreiber (links) und Jonas Hartmann nach der Vorstellung im Schauspielhaus. Mittendrin: ein abgerissenes Bein. © FUNKE Foto Services | Jonas Richter

Kein Problem für das Team der Requisite: In einem kleinen Büro direkt neben dem Eingang zur Bühne warten Astrid Freyer-Schreiber und Jonas Hartmann auf ihren Einsatz. Gemeinsam mit den Mitarbeitern der Bühnentechnik und einer Reinigungskraft mitsamt einer Putzmaschine entern sie kurz nach Ende der Vorstellung die völlig verdreckte Spielfläche. „Einer muss den Job ja machen“, scherzt Jonas Hartmann und hockt in einem Berg aus Federn, die er vorsichtig in einen großen Sack steckt. „Aber ich mache das total gern.“

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Krähe und Monster liefern sich wilde Keilerei

Die Federn spielen in dem Stück eine zentrale Rolle: Anna Drexler, die als Krähe über die Bühne tobt, liefert sich während der Aufführung eine wüste Keilerei mit einem Monster (gespielt von Anne Rietmeijer). Ehe das Ding mit einem Pfahl blutspritzend erlegt wird, fliegen die Federn von einer Windmaschine getrieben in hohem Bogen über die Bühne.

„Einer muss den Job ja machen, aber ich mache das total gern.“

Jonas Hartmann aus dem Team der Requisite räumt nach den Vorstellungen die Bühne auf

Die kniffelige Aufgabe der Requisite ist es, die Federn einzeln wieder aufzusammeln und für die nächste Vorstellung fit zu machen. „Die meisten können wir noch gebrauchen“, meint Astrid Freyer-Schreiber. „Nur die völlig verklebten Federn landen in der Mülltonne.“ Übrigens sind dies keine Krähen-, sondern Gänsefedern, die das Schauspielhaus von einem Schlachtbetrieb übernommen und dann schwarz eingefärbt hat.

Bei „Trauer ist das Ding mit Federn“ geht es auf der Bühne hoch her. Das Monster (Anne Rietmeijer, links) und die Krähe (Anna Drexler) liefern sich eine wilde Keilerei.
Bei „Trauer ist das Ding mit Federn“ geht es auf der Bühne hoch her. Das Monster (Anne Rietmeijer, links) und die Krähe (Anna Drexler) liefern sich eine wilde Keilerei. © Schauspielhaus Bochum | Joerg Brueggemann / OSTKREUZ

Überhaupt wird in der Requisite eines Theaters getrickst, was das Zeug hält. Die neun Mitarbeiter der Abteilung sind dafür da, die Ausstattung der Szenen haargenau vorzubereiten und einzurichten. Das sind etwa die Speisen und Getränke, die auf der Bühne verzehrt werden, sowie die Schusswaffen, das Blut und die vielen Special Effects: „Der Beruf ist ungeheuer vielfältig, denn jede Aufführung ist anders“, sagt Freyer-Schreiber, die seit über 20 Jahren in der Requisite des Schauspielhauses arbeitet.

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Diese Bühnentricks kennt nicht jeder

Hier verrät sie sechs Bühnentricks, die gewiss nicht jeder kennt:

  • Blut: Natürlich ist Bühnenblut nicht echt, sondern wird künstlich hergestellt. „Das ist fermentierter Rote-Beete-Saft, den wir eigens anrühren“, erzählt Freyer Schreiber. „Er muss gut auswaschbar sein.“
  • Erbrochenes ist in Wahrheit ein Gemisch aus Apfelmus und Haferflocken. „Wenn man das eine Weile einweichen lässt, gibt das so eine Pampe mit kleinen Stückchen drin.“
  • Whiskey und Cognac wird auf der Bühne nicht getrunken, allerdings ist in den Flaschen kein schwarzer Tee, wie man vielleicht vermuten könnte: „Das ist Zuckercouleur gemischt mit Wasser. Schmeckt nach nichts, ist aber gut auswaschbar.“
  • Lebensmittel sind auf der Bühne meistens echt. „Außer, der Schauspieler ist Veganer und soll in seiner Rolle ein Schnitzel essen. Dann wird etwas getrickst.“ Statt dem Schweineschnitzel werden hinter der Bühne Selleriescheiben angebraten: „Das sieht aus wie Geflügel.“
  • Waffen und Pyrotechnik sind im Theater häufig zu finden. Ein tödlicher Schuss – wie beim Filmdreh mit Alec Baldwin geschehen – könne am Schauspielhaus aber nicht vorkommen: „Wir haben keine scharfe Munition im Haus.“ Wenn es auf der Bühne ein Feuer gibt, stehen rechts und links am Rand stets Eimer mit Wasser. „Und die Feuerwehr ist in alles involviert.“
  • Zigaretten werden auf der Bühne oft geraucht. „In letzter Zeit gehen wir aber immer öfter dazu über, dafür E-Zigaretten zu verwenden“, sagt Jonas Hartmann. Nichtraucher greifen meist zu Kräuterzigaretten: „Da ist kein Nikotin drin.“

In der Werkstatt der Requisite sieht es aus wie in einem riesigen Trödelladen. Streng nach Kisten geordnet werden dort die unterschiedlichsten Utensilien gehütet: Münzen, verschiedene Währungen, Zigarettenschachteln, Portemonnaies, Brillenetuis und vieles mehr.

Bei 30 Grad im Schnellwaschgang: Das Kostüm des Monsters sieht schon kurz nach der Vorstellung wieder aus wie neu.
Bei 30 Grad im Schnellwaschgang: Das Kostüm des Monsters sieht schon kurz nach der Vorstellung wieder aus wie neu. © FUNKE Foto Services | Jonas Richter

Nebenan rattert die Waschmaschine. Darin: das blaue Monsterkostüm, das soeben in der Vorstellung komplett mit Blut besudelt wurde. „30 Grad Schnellwaschgang“, meint Astrid Freyer-Schreiber. „Müsste gleich sauber sein.“ Bereit für die nächste Schlacht.

„Trauer ist das Ding mit Federn“ ist wieder zu sehen am 8., 22. und 30. November sowie am 18. Dezember. Karten und Infos: 0234 3333 5555 und schauspielhausbochum.de

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