Bochum-Wattenscheid. Fast 30 Jahre nach einer tödlichen Messerattacke meldet die Polizei Bochum einen Ermittlungserfolg. Wieso der Fall damit noch nicht beendet ist.
Nach fast drei Jahrzehnten intensiver Ermittlungen ist es der Polizei und der Staatsanwaltschaft womöglich gelungen, ein seit 1996 offenes Ermittlungsverfahren wegen Mordes aufzuklären. Ein 58-jähriger Mann wurde am Mittwoch, 8. Januar 2025, nach seiner Auslieferung aus Großbritannien festgenommen und einem Richter vorgeführt.
Damit wurde ein „Cold Case“ (Kalter Fall) möglicherweise gelöst.
- Früherer Chef-Ermittler zu Verhaftung nach Mord von 1996: „Unglaubliche Genugtuung“
- So viele „Cold Cases“ beschäftigen die Polizei Bochum noch
Am 3. März 1996, gegen 0.10 Uhr nachts, wurde ein damals 55-jähriger Bochumer, ein Familienvater, der bei Opel arbeitete, auf offener Straße im Bereich Lohackerstraße/Beethovenweg in Wattenscheid mit 20 Messerstichen niedergestochen. Einer traf das Herz. Das Motiv ist bis heute rätselhaft. Der Täter flüchtete unerkannt. Das Opfer, das kurze Zeit zuvor eine Gaststätte verlassen hatte, verstarb noch vor Ort.
In Tatortnähe fanden Polizisten in einer Mülltonne Jacke, Mütze und Handschuhe des Täters, so dass die Kripo seine DNA hatte. Außerdem lag in dem Behälter das Tatmesser, ein Stoßdolch. An der Klinge klebte das Blut des Opfers.
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Mord in Bochum: Mordkommission bat Öffentlichkeit um Hilfe
Die Kripo setzte eine Mordkommission ein. Diese band auch die Öffentlichkeit ein, zum Beispiel mit einer Flugblatt-Aktion sowie der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY Ungelöst“. Trotz intensiver Ermittlungen konnte das Verbrechen sehr lange nicht aufgeklärt werden. „Aber die Ermittler ließen nie locker“, so die Polizei am Donnerstagmorgen.
Ein entscheidender Durchbruch gelang den Strafverfolgern im Jahr 2022, als ein automatisierter, europaweiter DNA-Abgleich mit einem in Großbritannien lebenden deutsch-polnischen Staatsbürger (heute 58 Jahre alt) positiv verlief. Kurz zuvor hatte der Mann in England eine kleinere Straftat begangen, weshalb er eine DNA-Probe abgeben musste. Diese wurde dann mit der uralten DNA von der Kleidung im Mülleimer in Wattenscheid abgeglichen – Volltreffer!
Die weiteren Ermittlungen der Polizei Bochum zu seiner Person ergaben, dass er zur tatrelevanten Zeit in Deutschland – unter anderem auch in Bochum – gelebt hatte. Zur konkreten Tatzeit hatte er seinen Wohnsitz in Dortmund.
Cold Case in Bochum: Mutmaßlicher Täter seit 2022 in Großbritannien in Auslieferungshaft
Die deutschen Behörden erwirkten daraufhin einen internationalen Haftbefehl gegen den Mann. Seine Festnahme in Großbritannien erfolgte am 26. September 2022. Dort wurde er zwecks Auslieferung in Haft genommen. Gegen die Auslieferung legte der 58-Jährige aber Rechtsmittel ein. Dieses Verfahren erstreckte sich über zwei Jahre – bis zum 8. Januar 2025.
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Einsatzkräfte des Landeskriminalamt NRW holten ihn an diesem Tag aus der Haft in Großbritannien ab. Nach der Landung in Düsseldorf übernahmen Beamte der Bundespolizei den Transport nach Bochum. Dort wurde ihm in den frühen Abendstunden durch eine Richterin der deutsche Haftbefehl wegen Mordes verkündet.
Nach gelöstem Bochumer Cold Case: NRW-Innenminister Herbert Reul äußert sich
Innenminister Herbert Reul (CDU): „Kein Täter soll sich nach einer solch grausamen Tat sicher sein, dass wir ihn nicht kriegen – auch nicht nach so langer Zeit. Jeder geklärte Fall bedeutet Gewissheit und Klarheit für die Betroffenen. Darum ist es so wichtig, dass wir weitermachen!“.
„Langer Atem zahlt sich aus“, kommentiert Oberstaatsanwalt Andreas Bachmann, Leiter der Abteilung Kapitalverbrechen. Er lobt die akribische und beharrliche Arbeit aller Ermittlerinnen und Ermittler – auch auf international Ebene –, die bei den Ermittlungen an diesem Cold Case über so eine lange Zeit erfolgreich mitgewirkt haben.
„Langer Atem zahlt sich aus.“
Nach Festnahme des mutmaßlichen Täters: Verurteilung wegen Mordes nicht sicher
Mit der Inhaftierung in Bochum ist der Fall aber noch längst nicht endgültig geklärt. Bei der Verkündung des Haftbefehls durch eine Amtsrichterin hat der Beschuldigte geschwiegen; es liegt kein Geständnis vor. Hinzu kommt, dass mögliche Zeugen längst verstorben sind oder keine Erinnerungen mehr haben. Bei einer Anklage wegen Mordes müsste das Gericht auch sicher feststellen, dass ein Mordmerkmal wie Heimtücke oder niedrige Beweggründe vorgelegen hatte. Das dürfte nicht einfach sein, denn ein Tatmotiv ist bis heute nicht bekannt. Nicht zuletzt könnten die Richter die Tat auch als Totschlag werten – und diese Verbrechensart verjährt nach 20 Jahren.