Bochum/Witten. Seit fünf Jahren fehlt von Anita S. jede Spur. Der Chefermittler hat einen Bekannten der Frau als Verdächtigen im Auge. Aber es fehlt die Leiche.
Wo ist Anita S. aus Bochum? Wo liegt ihre Leiche? Diese Fragen treibt eine Bochumer Mordkommission mit dem Namen „MK Stausee“ seit fast genau fünf Jahren um. Der Chef der Ermittlungen, Oberstaatsanwalt Andreas Bachmann, hat jetzt auf Anfrage dieser Redaktion angekündigt, dass die Suche bald weitergeht.
Bachmann gibt nicht auf, den Tatverdächtigen zu überführen. Er ist sicher, dass der heute 37-Jährige Anita S. getötet und danach an einem unbekannten Ort beiseite geschafft habe. Zum Zeitpunkt des Verschwindens hatte der Beschuldigte in Witten nahe des Kemnader Stausees gewohnt hat. „Ich glaube, dass er der Täter ist“, sagt Bachmann.
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Publik wurde der mysteriöse Fall am 11. Dezember 2019, als die Polizei diese Pressemitteilung veröffentlichte: „Seit den frühen Abendstunden des 7. Dezembers 2019 wird Anita S. (35) aus Bochum-Günnigfeld vermisst. Gegen 17.30 Uhr an diesem Samstag telefonierte die junge Frau mit ihrer Mutter. Danach verliert sich die Spur der an der Schulte-Hordelhoff-Straße lebenden Bochumerin. Auch an ihrer Arbeitsstelle erschien sie nicht mehr.“ Dort abgemeldet hatte sie sich nicht.
Zu diesem Zeitpunkt ging die Polizei noch von einem Vermisstenfall aus, aber wenige Wochen später war es ein Kriminalfall. Am 4. Februar 2020 vollstreckte die Kripo einen Haftbefehl gegen einen damals 33-jährigen Wittener, einen Bekannten der Vermissten. Am Wochenende ihres Verschwindens soll die kaufmännische Angestellte, die allein in ihrer Wohnung in Wattenscheid lebte, bei dem Wittener übernachtet haben.
Elf Tage später ließ das Amtsgericht den Beschuldigten aber nach einer Haftbeschwerde seines Verteidigers Egbert Schenkel gegen den Willen der Staatsanwaltschaft wieder frei. Die belastenden Indizien waren dem Gericht nicht mehr stark genug, der Tatverdacht nicht dringend genug.
Schenkel erklärte damals, dass „nicht ansatzweise ein Tatmotiv für ein Tötungsdelikt zu erkennen“ sei. Und: „Mein Mandant sagt, dass er mit dem Verschwinden von Anita S. nichts zu tun hat.“ Seitdem ist der 37-Jährige auf freiem Fuß.
Bachmann lässt aber nicht locker. Die Ermittlungen würden „auf jeden Fall“ fortgeführt. Die „MK Stausee“ gebe es weiterhin. Er glaube auch, dass der Fall gelöst werde. Ein konkretes Tatmotiv sei bisher zwar nicht bekannt, aber möglicherweise, dies hätten die Ermittlungen ergeben, habe es zwischen dem Beschuldigten und der Frau „einen Streit gegeben, der eskaliert ist“.
Kein Motiv für ein freiwilliges Verschwinden von Anita S. erkennbar
Der Beschuldigte sei der letzte, der Anita S. nachweislich gesehen habe. Und er habe die Möglichkeit und auch die Zeit gehabt, sie zu töten und zu beseitigen. Die Polizei habe das komplette Umfeld der Wattenscheiderin abgeklopft, alle Bekannten und Verwandten zeugenschaftlich vernommen, aber keiner habe zu ihr Kontakt nach ihrem Verschwinden gehabt und auch nicht erklären können, wo sie hätte verbleiben können. Auch im Bereich Sprockhövel war nach Hinweisen gesucht worden.
Bachmann glaubt, dass der Fall noch gelöst wird, denn es gebe noch „weitere Spuren“. Die Polizei habe „bestimmte Gebiete“ ausgemacht, wo sich die Leiche befinden könnte. Diese würden die Kripo und ihre Begleitkräfte wie zum Beispiel Kriminaltechniker absuchen. Die Leiche zu finden, so Bachmann, sei schließlich „ein Schwerpunkt“ der Ermittlungen. Dies könnte auch die Todesart ans Licht bringen. Sicher scheint bisher nur, dass Anita S. nicht in der Wohnung des Beschuldigten zu Tode kam. Die Räume wurden damals zwar intensiv auf links gedreht, Spuren einer Leiche aber nicht gefunden.
Bereits kurz vor Weihnachten 2019 hatten die Ermittler eine der größte Suchaktionen seit vielen Jahren in Bochum gestartet. Eine Hundertschaft der Polizei inspizierte beide Ufer des Stausees auf Bochumer und Wittener Gebiet ab. Vier Leichenspürhunde und vier Polizeipferde unterstützen die Aktion am und auf dem Wasser. Ein Leichenspürhundführer der Polizei aus dem ostwestfälischen Stukenbrock sagte über seinen belgischen Schäferhund: „Der Spürhund Gustav ist speziell für solche Einsätze ausgebildet. Er ist in der Lage, auch vom Boot aus durch das Wasser Gerüche aufzunehmen.“
5000 Euro Belohnung ausgesetzt
Für Zeugenhinweise, die zur Klärung des Falles führen, hat die Bochumer Staatsanwaltschaft 5000 Euro Belohnung ausgesetzt.
Zwar gab es schon einige Hinweise von Leuten, die Anita S. nach dem 7. Dezember 2019 gesehen haben wollen. Aber die Beschreibungen passten nicht zu der Frau.
Wer heute weitere Hinweise zu dem Fall hat, soll sich an die Kriminalwache wenden: 0234 9094441.
Auf die ZDF-Sendung „XY ungelöst“ will Oberstaatsanwalt Bachmann vorerst noch nicht zurückgreifen, weil man erst noch weiteren Spuren nachgehen werde.
Die Polizei suchte auch am Wehr neben dem Wasserkraftwerk. Die riesigen Wehrklappen wurde hochgefahren, um auch dort suchen zu können. Anita S. aber blieb verschwunden. Auch weitere Suchaktionen am See hatten keinen Erfolg.
Vor Gericht gestanden hatte der Beschuldigte wegen des Falles aber trotzdem schon. Im Mai 2021 in Witten. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung kurz nach dem Verschwinden von Anita S. hatte die Polizei rund 3000 Bild- und Videodateien mit kinderpornografischen Inhalten entdeckt. Strafe: ein Jahr und neun Monate Haft auf Bewährung. Bachmann persönlich hatte in dem Prozess die Anklage vertreten. Und gleich zu Anfang der Verhandlung den Angeklagten gefragt: „Können Sie sagen, wo sich der Leichnam von Anita S. befindet?“ Ihre Mutter würde unbedingt ihre Tochter beerdigen wollen.
Er bekam keine Antwort, der Angeklagte blickte schweigend und wie erstarrt nach unten.
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