Bochum. Ein 22-Jähriger steht vor Gericht, weil er einen Wohnungslosen (38) im Hauptbahnhof ermordet haben soll. Das sagt er zu den schweren Vorwürfen.
Dieses Verbrechen im Bochumer Hauptbahnhof war geprägt von hemmungsloser Gewalt, Sinnlosigkeit und unsagbarer Mitleidlosigkeit. Ein junger Mann, so dokumentiert es eine Überwachungskamera, tritt und schlägt auf einen liegenden Obdachlosen (38) mit so großer Wucht ein, dass er drei Tage später auf der Intensivstation an schwersten Hirnverletzungen stirbt. Seit Mittwoch steht der Beschuldigte (22) vor dem Schwurgericht. Oberstaatsanwalt Andreas Bachmann wertet die Tat als Mord.
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In der Nacht zum 26. Juli hatte der 38-Jährige vor den Schließfächern des Hauptbahnhofs, zwischen dem Reisezentrum und einem Zeitschriftenladen, schlafend gelegt. Er war aus seiner Heimat Rumänien gekommen, um hier Geld zu verdienen und seiner Familie ein etwas besseres Leben ermöglichen zu können. Während ein guter Bekannter von ihm einen Job bei der Kirmes ergatterte, ging der 38-Jährige allerdings leer aus. Er wurde obdachlos.
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Um kurz nach 1 Uhr wurde er Opfer eines tödlichen Gewaltexzesses. Er hatte schon, nach reichlichem Alkoholkonsum, geschlafen, als er von einem ihm völlig unbekannten Mann durch lautes Ansprechen geweckt wurde. Unmittelbar danach soll der Angreifer gegen den Körper des arg- und wehrlosen Mannes getreten und ihm mit einer weit ausholenden Faust zwölfmal gegen den Kopf geschlagen haben. Bereits nach dem achten Schlag, so ergaben die Ermittlungen, sei das Opfer bewusstlos geworden.
Beschuldigter ist in einer forensischen Psychiatrie untergebracht
Rund zehn Minuten später wurde der Schwerstverletzte von einem Passanten entdeckt. Rettungskräfte brachten den Rumänen ins Krankenhaus. Die Ärzte konnten ihn nicht mehr retten; er starb an einem Schädel-Hirn-Trauma und an einer Hirnschwellung.
Die Polizei konnte den Beschuldigten damals kurz nach dem Gewaltexzesses auf einem Bahnsteig festnehmen. Seitdem sitzt er hinter Gitter, allerdings nicht in einer JVA, sondern in einer forensischen Psychiatrie. Wegen einer paranoiden Schizophrenie und schweren seelischen Störung sei er schuldunfähig und könne nicht bestraft werden, hieß es zum Prozessauftakt. Weil aber weitere schwere Straftaten von ihm zu erwarten seien, müsse er auch auf unbefristete Zeit in die Psychiatrie eingewiesen werden. Er sei eine Gefahr für die Allgemeinheit, so der Oberstaatsanwalt.
Prozess klärt auch eine weitere Gewalttat
Dem Beschuldigten wird auch eine zweite Gewalttat im Hauptbahnhof Bochum vorgeworfen. Am 19. Mai um 9.50 Uhr soll er auf dem Bahnsteig zu Gleis 1 einen Bekannten schwer verletzt haben.
Beide hätten nebeneinander auf einer Bank gesessen, als der 22-Jährige den Fuß des Sitznachbarn weggeschoben habe. Auf dessen Frage nach dem Warum soll der Beschuldigte dem Mann mehrere Faustschläge gegen den Kopf versetzt und ihm gegen den Körper getreten haben. Das Opfer habe aus Mund und Nase geblutet sowie eine Schwellung der linken Gesichtshälfte erlitten.
Im Prozess sagte der Beschuldigte, dass der andere ihn beleidigt habe. „Dann habe ich ihn geschlagen.“ Er räumte aber ein: „Gewalt ist nie eine Lösung. Ist natürlich scheiße.“
Beschuldigter: „Ich hatte niemals die Absicht, ihn zu töten“
Der Beschuldigte, ein sehr hochgewachsener, kräftiger Mann aus Lünen, räumt ein, den Obdachlosen geschlagen zu haben, aber höchstens drei oder vier Mal, bis er gedacht habe: „Der ist k.o.“ „Ich hatte niemals die Absicht, ihn zu töten.“ Das sieht der Oberstaatsanwalt, der die Mordmerkmale der Heimtücke und niedrigen Beweggründe anführt, ganz anders. Im Prozess spielte Richter Volker Talarowski ein Video von der Tat vor, das der Beschuldigte bisher nicht kannte. Danach war er sichtbar schockiert: „Das ist Fake, das bin nicht ich“, meinte er. „Das kann niemals so gewesen sein. Das muss überprüft werden.“
Ob er damit meine, fragte der Richter, dass das Video eine Fälschung sei. Das bejahte der Beschuldigte.
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Ihm ist bewusst, dass er krank ist. Er spricht von einer Psychose, die „aus dem Nichts“ gekommen sei. Am Tag vor der Bluttat habe er „Zombies“ und „Tote“ gesehen, davor Jesus Christus „in Schattenform“, was ihn gefreut habe, denn er sei gläubig. In der Tatnacht soll er auf dem Weg zu einem Zug nach Dortmund gewesen sein und zufällig an den Schließfächern vorbeigekommen sein. Wegen der Psychose sei er „komplett weg“ und „aus der Spur“ gewesen, sagte er. Der schlafende Obdachlose habe ein Auge halb geöffnet gehabt und dadurch bei ihm Angst ausgelöst. „Meine Angst wurde zu Hass.“ Und: „Ich hatte eine kurze Zündschnur in meiner Psychose.“
Am 22. Januar, am vierten Prozesstag, will das Gericht ein Urteil verkünden.