Bochum-Eppendorf. Anwohner in Bochum ärgern sich, für den Ausbau einer Straße zahlen zu müssen. Sie fühlen sich von der Stadt belogen und legen Widerspruch ein.

Mitte Oktober 2024 bekommen die Anwohner der Engelsburger Straße in Eppendorf Post von der Stadt Bochum – und verstehen die Welt nicht mehr: eine Zahlungsaufforderung. Sie werden in dem Schreiben für den bereits einige Jahre zurückliegende Straßenausbau zur Kasse gebeten. Bis zu 23.000 Euro werden fällig, je nach Grundstücksgröße. „Wir fühlen uns veräppelt“, sagen die Anwohner. Die Stadt habe ihnen bei einer Informationsversammlung vor Beginn der Baumaßnahme versichert, es würden keine Beiträge erhoben.

„Wurden von der Stadt belogen“: Anwohner aus Bochum wollen nicht für Straßenausbau zahlen

Nun plötzlich doch. In mehreren Treffen haben die Betroffenen seither beraten, wie sie weiter verfahren wollen. Die meisten haben Widerspruch eingelegt, aber auch bezahlt. „Ein Widerspruch entbindet nicht von der Zahlung“, wissen sie. Die Stadt habe jetzt drei Monate Zeit, darauf zu reagieren. Danach könnte es vor das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen gehen.

Ende Februar 2019 informierte die Stadt Bochum Anwohner über die Ausbaupläne für die Engelsburger Straße. Im Bild: Christoph Matten vom Tiefbauamt der Stadt Bochum.
Ende Februar 2019 informierte die Stadt Bochum Anwohner über die Ausbaupläne für die Engelsburger Straße. Im Bild: Christoph Matten vom Tiefbauamt der Stadt Bochum. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

Die Anwohner fühlen sich von der Stadt belogen. „Man glaubt das doch, wenn einem von der Verwaltung jemand erzählt, keine Panik, man müsse nichts bezahlen“, sagt Sabine Zarske. „Vor allem, wenn die Amtsleiterin noch dabei ist“, ergänzt Christiane von Rhein. Was alle ärgert: Wäre der Beschluss für die Baumaßnahme später gefasst worden, müssten sie heute nicht zahlen.

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Hintergrund: Nach der letzten Gesetzesänderung des Landes NRW entfällt die Beitragspflicht für Anlieger bei Straßenausbaumaßnahmen, die ab dem 1. Januar 2024 beschlossen wurden bzw. noch werden. Zuvor gab es ein Förderprogramm für alle zwischen 2018 und 2023 beschlossenen Maßnahmen, sodass Bürger schon für diesen Zeitraum letztlich nicht zur Kasse gebeten wurden.

Anwohner sollen für Straßenausbau zahlen: Bochumer Verein sieht Existenz gefährdet

Der Beschluss zur Fahrbahn- und Gehweg-Erneuerung an der Engelsburger Straße (Abschnitt von Kreisverkehr Schützenstraße bis zur Brücke der Deutschen Bahn) wurde jedoch am 11. Juli 2017 gefasst. Zu diesem Zeitpunkt griff das Förderprogramm des Landes NRW noch nicht. „Hierauf wurden die betroffenen Anlieger bereits in einem Informationsschreiben vom 14. Juli 2023 hingewiesen“, heißt es von der Stadt. Nach Abschluss der Abrechnungsarbeiten seien am 22. Oktober 2024 insgesamt 31 Beitragsbescheide an die betroffenen Grundstückseigentümer verschickt worden.

Im Jahr 2019 wurde die Engelsburger Straße in Bochum-Eppendorf aufwendig saniert. An den Kosten werden nun die Anwohner beteiligt – auch der hier beheimatete Eppendorfer Heimatverein (rechts).
Im Jahr 2019 wurde die Engelsburger Straße in Bochum-Eppendorf aufwendig saniert. An den Kosten werden nun die Anwohner beteiligt – auch der hier beheimatete Eppendorfer Heimatverein (rechts). © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

„Hätten wir das vorher gewusst, hätten wir bestimmt Einspruch gegen die Baumaßnahme eingelegt, und das Ganze hätte zumindest eine aufschiebende Wirkung gehabt“, sagt Gerd Robok, der nicht persönlich betroffen ist, aber als Vorsitzender für den an der Engelsburger Straße beheimateten Eppendorfer Heimatverein spricht. Dieser soll 20.000 Euro zahlen.

Gerd Robok ist der Vorsitzende des Eppendorfer Heimatvereins.

„Weil wir ein gemeinnütziger Verein sind und keine wirtschaftlichen Interessen verfolgen, haben wir bei der Stadt einen Antrag gestellt, uns diese Kosten zu erlassen.“

Gerd Robok, Vorsitzender des Eppendorfer Heimatvereins, zur Zahlungsaufforderung von Straßenausbaubeiträgen

„Weil wir ein gemeinnütziger Verein sind und keine wirtschaftlichen Interessen verfolgen, haben wir bei der Stadt einen Antrag gestellt, uns diese Kosten zu erlassen.“ Sonst sei im schlimmsten Fall die Existenz des Vereins gefährdet. Eine Antwort aus dem Rathaus stehe noch aus, so Robok.

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Großen Nutzen habe der Straßenausbau für die Anwohner ohnehin nicht gehabt, heißt es weiter. Durch den beidseitigen Radweg sind sämtliche Parkmöglichkeiten entfallen, was nicht nur den Heimatverein, sondern auch die Fußballer des SW Eppendorf betrifft. „Auch ist die Straße jetzt so ausgebaut, dass gerast wird“, beklagt Silke Feldmann. „Es ist also eher gefährlicher und lauter geworden.“

Zwischen Kreisel und Bahnbrücke wurde die Engelsburger Straße in Bochum-Eppendorf 2019 komplett saniert.
Zwischen Kreisel und Bahnbrücke wurde die Engelsburger Straße in Bochum-Eppendorf 2019 komplett saniert. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Kritisiert wird zudem, dass recht undurchsichtig sei, wer warum wie viel zu zahlen habe. Und dass in den Verwaltungsvorlagen die zu erwartenden Beiträge gemäß Kommunalabgabengesetz nicht erwähnt seien. „Hinzu kommt, dass 2017 zwar die Planung beschlossen wurde, nicht aber die Ausführung“, sagt Christiane von Rhein nach dem genauen Studium der Beschlussvorlage. Ihre Hoffnung: Wurde die Ausführung erst 2018 beschlossen, komme man womöglich um die Zahlung herum.

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Diese Hoffnung macht die Stadt jedoch direkt zunichte. „Die Beschlussvorlage sowie das Protokoll über den einstimmig gefassten Beschluss tragen die Bezeichnung: Engelsburger Straße (Süd) – Um- und Ausbau sowie Fahrbahnerneuerung“, heißt es aus dem Rathaus. „Damit wurden Planung und Durchführung dieser Maßnahmen beschlossen. Die Lagepläne zur Durchführung der Maßnahmen waren als Anlage der Beschlussvorlage beigefügt.“

Anwohner legen Widerspruch gegen Zahlung ein: Stadt Bochum macht wenig Hoffnung

Außerdem: Die Verpflichtung zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen (wenn die Voraussetzungen vorliegen) ergibt sich laut Stadt aus dem Kommunalabgabengesetz, „nicht aus der Tatsache, ob in einer Beschlussvorlage eine entsprechende Formulierung enthalten ist“.

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Ähnlich verhalte es sich mit den Aussagen bei der Informationsveranstaltung. „Bei der Behauptung, man habe gesagt, es würden keine Beiträge fällig, muss es sich in der Tat um ein Missverständnis handeln“, teilt Stadtsprecher Peter van Dyk mit. Der angesprochene Mitarbeiter sage, „dass, wenn er sich zu solchen Themen äußert, er immer deutlich darauf hinweise, dass die Prüfung eine Einzelfallprüfung ist und dass, wenn die Satzung eine Beitragserhebung vorsieht, die Beiträge auch erhoben werden müssen“. Das Missverständnis könne nur dadurch entstanden sein, dass für diesen Abschnitt der Engelsburger Straße die Baukosten aufgrund der Lage im Außenbereich und im Landschaftsschutzgebiet nur zu einem geringen Anteil umgelegt werden können.

In einem Schreiben von Bezirksbürgermeister Marc Westerhoff (CDU) an Christiane von Rhein äußert sich die Stadt anders: „Die Heranziehung zu einem Straßenausbaubeitrag wird auch nicht dadurch gehindert, dass das Entstehen von Kosten für die Anlieger auf der besagten Bürgerversammlung ausdrücklich verneint wurde.“ Von einem Missverständnis ist hier nicht die Rede – das Ergebnis allerdings dasselbe.

Stadt Bochum: „Ratenzahlung möglich“

Je nach Größe und baulicher Nutzung eines Grundstückes ergaben sich im Fall des Ausbaus Engelsburger Straße laut Stadt zu zahlende Ausbaubeiträge sowohl im dreistelligen als auch im mittleren vierstelligen Bereich. Bei fünf Grundstücken sei ein Beitrag in fünfstelliger Höhe fällig gewesen (hiervon zwei bei Wohnungsgesellschaften).

Die Anlieger zahlen für die Fahrbahn- und Gehweg-Erneuerung. Diese waren der Stadt zufolge in einem baulich schlechten Zustand und älter als 30 Jahre. „Abgerechnet wurde nur die Fahrbahn- und Gehweg-Erneuerung, nicht die Aufmarkierung der Radwege“, erklärt Stadtsprecher Peter van Dyk. „Teilweise war gar kein Gehweg vorhanden. Daher liegt hier eine Verbesserung der Fahrbahn und Gehwege gegenüber dem Altzustand vor.“

Eine Ratenzahlung sei nach Antragstellung möglich. Wer eine genaue Aufschlüsselung der Abrechnungen wünsche, könne sich gerne melden. „Die betroffenen Anlieger können bei der Beitragsstelle Akteneinsicht in die Abrechnungsunterlagen nehmen. Dabei können Sie auch Fragen zum Verteilungsgebiet des beitragsfähigen Aufwandes stellen, die wir gerne beantworten.“