Bochum. Neun Jahre leitete Frank-Patrick Steckel das Schauspielhaus Bochum und legte Spuren, die bis heute nachwirken. Nun ist er gestorben. Ein Nachruf.

Der langjährige Intendant Frank-Patrick Steckel ist am Donnerstag nach schwerer Krankheit gestorben. So teilt es das Schauspielhaus Bochum unter Berufung auf seine Familie mit. Er wurde 80 Jahre alt. Von 1986 bis 1995 war er Theaterleiter an der Königsallee und drückte dem Haus seinen ganz eigenen, etwas schwermütigen Stempel auf. Sein Theater sei „grau“ gewesen, so heißt es immer, wenn von der Steckel-Ära die Rede ist – und dennoch schwingt darin auch einige Bewunderung für einen Mann mit, der zweifellos zu den großen Persönlichkeiten der Bochumer Theatergeschichte zählt.

Bochums Ex-Intendant Frank-Patrick Steckel mit 80 Jahren gestorben

Der in Berlin geborene Steckel war 43 Jahre alt, als er als Oberspielleiter aus Bremen nach Bochum kam, um hier seinen ersten (und einzigen) Intendantenposten zu bekleiden – in der Nachfolge des zuvor enorm erfolgreichen Claus Peymann, der seinen Abschied nach Wien förmlich zelebrierte. „Peymanns letztes Jahr war ein einziges Theaterfest, dagegen hatte es Steckel schwer“, erinnert sich Werner Streletz, ehemaliger Kulturredakteur der WAZ Bochum. „Er war der komplette Gegenpol.“

Direkt seine erste Inszenierung ließ bereits erahnen, wohin die Reise gehen würde: Hebbels „Die Nibelungen“ war an Bühnenschwere kaum zu überbieten. Auch wenn manche Theatergänger murrten: Steckel hielt eisern an seinem Credo fest, dass Theater nicht nur unterhalten, sondern auch fordern müsse. Dem Entertainmentbetrieb trat er ohnehin kritisch gegenüber. Als 1988 am Stadionring der Starlight Express seine Pforten öffnete, bezeichnete Steckel die neue Konkurrenz gewohnt vollmundig als „Schrott auf Rädern“.

Shakespeares „Timon aus Athen“ brachte Intendant Frank-Patrick Steckel 1990 ins Schauspielhaus Bochum. Die Schauspieler trugen allesamt imposante Masken.
Shakespeares „Timon aus Athen“ brachte Intendant Frank-Patrick Steckel 1990 ins Schauspielhaus Bochum. Die Schauspieler trugen allesamt imposante Masken. © Archiv Schauspielhaus Bochum

Seine eigenen Regiearbeiten brachten Steckel oft eine große, überregionale Aufmerksamkeit ein. Shakespeares „Timon aus Athen“ ließ er hinter den Masken seines langjährigen Kostüm- und Bühnenbildners Dieter Hacker spielen. Die Stahlskulptur „Der Mensch“ auf dem Vorplatz des Schauspielhauses erinnert bis heute daran. Auch an Inszenierungen wie Ibsens „Brand“, an das bildgewaltige „Germania Tod in Berlin“ und natürlich an seinen großen Abschied mit dem siebenstündigen „Hamlet“ denken viele Theatergänger mit einem seligen Lächeln. Hamlets berühmten Monolog „Sein oder Nichtsein“ änderte Steckel, der auch als Übersetzer vor allem von Shakespeare-Stücken bekannt war, in „Dasein oder Nichtsein“ – gespielt bis über den Rand der Erschöpfung hinaus von Martin Feifel.

Ein kritischer, oft streitbarer Geist

„Steckel war am Theater omnipräsent, er kümmerte sich um alles“, erinnert sich Hajo Salmen, langjähriger Vorsitzender des Freundeskreises. Daneben war er ein kritischer, oft streitbarer Geist und ein Mann der klaren Worte, der kaum einer Auseinandersetzung aus dem Weg ging. So manche Regisseure sollen unter Steckels Intendanz frühzeitig das Feld geräumt haben, er selbst übernahm dann die halbfertigen Proben. „Das Theater zu leiten, betrachtete er als seine Lebensaufgabe“, so Salmen. „Er war ein Prinzipal, wie es sie heute kaum noch gibt.“

Mit einem siebenstündigen „Hamlet“ verabschiedete sich Frank-Patrick Steckel 1995 von seinem Bochumer Publikum.
Mit einem siebenstündigen „Hamlet“ verabschiedete sich Frank-Patrick Steckel 1995 von seinem Bochumer Publikum. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Einige Spuren, die Steckel in Bochum legte, sind bis heute sichtbar: Gemeinsam mit der Choreographin Reinhild Hoffmann schuf er am Schauspielhaus und in der Zeche Eins (dem heutigen Theaterrevier) eine eigene Tanzsparte. Die spätere Star-Regisseurin Andrea Breth feierte in Bochum ihren Durchbruch.

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Es war kein Geheimnis, dass Steckel seinen Vertrag in Bochum gern weiter verlängert hätte, doch 1995 kam es anders. Mit Leander Haußmann und einem pochenden roten Herz begann das nächste Kapitel im wunderbaren Bochumer Theaterbuch. „Der Grauschleier fällt“, titelte damals die WAZ. Eine weitere Intendanz hat Frank-Patrick Steckel danach nicht mehr übernommen. Er inszenierte etwa in Köln, Wien und Bremen und zog sich schließlich weitgehend zurück. Seine Tochter Jette trat in die Fußstapfen ihres Vaters und ist heute erfolgreiche Theaterregisseurin.

Schauspielhaus legt Kondolenzbuch aus

Zum Tod von Frank-Patrick Steckel legt das Schauspielhaus im Foyer ein Kondolenzbuch aus: „Für alle, die sich an die gemeinsame Zeit erinnern möchten“, teilt das Theater mit.

Johan Simons, Intendant des Schauspielhauses seit 2018, lobt Steckel als jemanden, der das Theater als Regisseur und Intendant „wie wenige andere geprägt“ habe. „Er dachte das Theater als politischen und ästhetischen Ort, kompromisslos in seinen moralischen Überzeugungen und engagiert in seinen künstlerischen Visionen.“ Als solcher sei er bis heute „ein Vorbild für Theatergenerationen“.