Bochum. „Keine Lösungen, keine Antworten“ von Stahlvorstand Grimm bei der Belegschaftsversammlung. Reaktion der Belegschaft: „Man fühlt sich betrogen“

Donnerstagmorgen vor dem Ruhrcongress am Stadionring in Bochum, mehrere Hundert Beschäftigte von Thyssenkrupp Steel Europe (TKSE) sind zur Belegschaftsversammlung gekommen. Kein Ton dringt nach draußen. Aber drinnen in der Halle geht es hoch her. Betriebsratsvorsitzender Engin Karakurt hat Mühe, seine Kolleginnen und Kollegen zu beruhigen.

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„Die Stimmung ist angespannt. So angespannt, wie ich es die letzten fünf Jahre nicht erlebt habe“, erzählt er später draußen vor der Tür. Und dort ist dann auch noch zu erahnen, wie es phasenweise in den 90 Minuten vorher drinnen zugegangen sein muss. „Es wurde immer nur das Gleiche erzählt. Man sei in Planungen, es geht um Strategien. Aber neue Informationen haben wir nicht bekommen“, sagt Alkan Öztürk. „Keine Lösungen, keine Antworten.“ Deshalb sei es laut geworden. So laut, „dass der Betriebsratschef schon beinahe betteln musste, damit es wieder ruhiger wird.“ Der neue Stahl-Vorstand mit Chef Dennis Grimm und die für die technische Weiterentwicklung zuständige Marie Jaroni müssen sich einiges von der empörten Belegschaft anhören.

Belegschaftsversamlung Thyssenkrupp
Alkan Öztürk (34) droht zum zweiten Mal eine Schließung bei Thyssenkrupp zu erleben. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

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Der Bochumer Alkan Öztürk (34) ist ganz besonders betroffen von den Maßnahmen, die Thyssenkrupp am Montag angekündigt hat. 5000 Stellen im Konzern sollen wegfallen, 6000 ausgelagert werden, Standorte geschlossen und Anlagen abgeschaltet werden. So wie das Warmband im Werk an der Essener Straße, dessen Belegschaft sich an diesem Morgen zur ersten von zwei Versammlungen im Ruhrcongress trifft. Am Nachmittag folgt eine zweite Runde für jene, die morgens „auf Schicht“ waren.

Belegschaftsversammlung von Thyssenkrupp in Bochum: Es wird laut in der Halle

Öztürk könnte zu denen gehören, für die an der Essener Straße bald endgültig Schicht ist. „Ich arbeite am Warmband. Und das soll dichtgemacht werden. Für mich wäre es schon das zweite Mal.“ 2016 hatte er miterleben müssen, wie sich sein Arbeitsplatz in Luft auflöste, weil das Grobblechwerk in Duisburg-Hüttenheim zugemacht wurde. Aus und vorbei. Und jetzt schon wieder?

Belegschaftsversamlung Thyssenkrupp
Frustriert sind viele junge Beschäftige des Werks an der Essener Straße über die Lage bei ihrem Arbeitgeber Thyssenkrupp. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Ein paar Meter weiter stehen vier seiner Kollegen mit versteinerter Miene. Auch sie sind von der angekündigten Schließung betroffen. Sagen wollen sie nichts. Nur so viel. „Wir haben die Schnauze voll.“

Junge Beschäftigte von Thyssenkrupp sind angespannt und frustriert

Es ist nicht nur die Ankündigung des drastischen Stellenabbaus und drohender Schließungen, die die Frauen und Männer auf die Palme bringen. Sie sind frustriert. „Man fühlt sich betrogen, weil im Vorstand Entscheidungen getroffen werden, die die Arbeiter betreffen, aber man kann nicht mitreden“, heißt es in einer Runde mit jungen Frauen und Männern, die zusammenstehen. Ihr Wunsch? Dass es nicht ganz so schlimm kommt, wie es jetzt aussieht. „Wir müssen hoffen, dass der Schaden minimal gehalten wird, wirklich aufhalten kann man das nicht mehr. Wir können nur das Beste hoffen“, sagt Mubarez Ahmad (24).

Belegschaftsversamlung Thyssenkrupp
Die angehende Industriemechanikerin Georgina Kemper (18) sagt: „Ich mache mir Gedanken, wie es weitergeht.“ © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Überhaupt sind es eher die Jungen, die sich äußern an diesem Donnerstagmorgen. „Kein Wunder“, sagt Gewerkschaftschefin Ulrike Hölter, die Erste Bevollmächtigte der IG Metall Ruhrgebiet Mitte. „Sie haben noch ein langes Arbeitsleben vor sich, daher sind ihre Ängste und Sorgen noch größer. Die Älteren hoffen vielleicht, dass es am Ende des Weges einen Sozialplan gibt, der den Ausstieg aus dem Arbeitsleben ermöglicht. Aber die jüngeren Leute sehen schon, in der Region wird es immer enger mit Industriearbeitsplätzen.“

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Das gilt auch für Georgina Kemper. Sie ist 18, angehende Industriemechanikerin im zweiten Lehrjahr und besucht das TK-Technikzentrum an der Essener Straße. Im „richtigen Betrieb“ arbeite sie noch nicht. Aber auch sie sei angespannt, sagt die Bochumerin. „Was ich mitbekomme von den Kollegen, das hört sich alles nicht gut an. Ich mache mir Gedanken, wie es weitergeht.“

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