Bochum. Sechs Jahre lang gehörte Anna Drexler zu den Stars am Schauspielhaus Bochum. Jetzt kehrt sie zurück nach München. Mit einem Preis im Gepäck.

Etwa sechs Stunden braucht es mit dem Zug von Bochum nach München: eine Strecke, die Anna Drexler derzeit häufiger bewältigen muss. Nach sechs Jahren im Ensemble des Schauspielhauses packte sie im Sommer die Koffer und zog mit ihrem langjährigen Lebensgefährten, dem Schauspieler Steven Scharf, und den beiden gemeinsamen Kindern zurück an die Isar. Dort sind sie jetzt am Residenztheater engagiert. Ein herber Verlust fürs Bochumer Publikum und für den Intendanten Johan Simons: Gewissermaßen als Abschiedsgeschenk bekam sie dafür am Freitagabend unter großem Jubel den Bochumer Theaterpreis verliehen.

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Abschied aus Bochum fällt Anna Drexler nicht leicht

Wie nur wenige Schauspielerinnen neben ihr hat sich Anna Drexler in den letzten Jahren tief in die Herzen des Publikums gespielt. Der Abschied fällt ihr nicht leicht: „Ich war an keinem Theater länger als in Bochum und habe dort so viele, unglaublich tolle Menschen kennengelernt“, erzählt sie. „Daran werde ich mich für immer erinnern.“

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Anna Drexler kam 2018 mit Beginn der Simons-Intendanz an die Königsallee, beide kannten sich aus ihrer gemeinsamen Zeit an den Münchner Kammerspielen. In Bochum hatten bis dahin nur eingefleischte Theaterfans etwas von der quirligen 34-Jährigen gehört – und auch für Drexler, die in Berlin aufwuchs, war das Ruhrgebiet neu. Doch die Zeit des Fremdelns währte nur kurz: Mit imposanten Auftritten etwa in „Peer Gynt“ und „King Lear“ sorgte Drexler direkt für einige Aufmerksamkeit, auch an einem der größten Aufreger der jüngeren Bochumer Theatergeschichte („Die Philosophie im Boudoir“) war sie unerschrocken beteiligt.

In „Trauer ist das Ding mit Federn“ spielt Anna Drexler (rechts mit Anne Rietmeijer) eine gehörig auf Krawall gebürstete Krähe.
In „Trauer ist das Ding mit Federn“ spielt Anna Drexler (rechts mit Anne Rietmeijer) eine gehörig auf Krawall gebürstete Krähe. © Schauspielhaus Bochum | Joerg Brueggemann / OSTKREUZ

Ein Geheimnis ihres Erfolgs: Die nur 1,63 Meter große Schauspielerin kann auf der Bühne zum Orkan werden. Vor ihrer Marie in „Woyzeck“ kann man sich gehörig fürchten. Als strengem Inspektor in „Der Kissenmann“ gelang ihr ein komödiantisches Kabinettstück: „Vielleicht war das Stück nicht der ganz große Erfolg, aber ich habe es geliebt“, sagt sie.

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In den letzten Jahren waren es vor allem die Arbeiten mit Star-Regisseur Christopher Rüping, die sie nachhaltig prägten. In „Das neue Leben“, eingeladen zum Berliner Theatertreffen, und gemeinsam mit Maja Beckmann in „Der erste fiese Typ“ gelangen Drexler hinreißende Auftritte. Getoppt wurde dies zuletzt von der warmherzigen und überaus anrührenden Inszenierung „Trauer ist das Ding mit Federn“, die Anna Drexler als eine gewaltig auf Krawall gebürstete Krähe zeigt – absolut zum Niederknien.

Die Arbeit mit Regisseur Christopher Rüping bereitet Anna Drexler besondere Freude. Hier eine Szene aus „Miranda Julys Der erste fiese Typ“ mit Maja Beckmann (rechts).
Die Arbeit mit Regisseur Christopher Rüping bereitet Anna Drexler besondere Freude. Hier eine Szene aus „Miranda Julys Der erste fiese Typ“ mit Maja Beckmann (rechts). © Schauspielhaus Bochum / Joerg Brueggemann / Ostkreuz | Joerg Brueggemann / OSTKREUZ

Doch so locker und beschwingt das auf der Bühne aussieht: Dahinter steckt harte Arbeit, die sie selbst immer wieder ins Staunen versetzt. „Dass solch ein Theaterabend nach all den langen Proben am Ende überhaupt gelingt, ist absolut magisch“, meint sie. Ihre Krähe sei eine Figur, die keine Grenzen kennt, was beim Spielen eine große Herausforderung sei: „Zu viel Freiheit auf der Bühne kann auch Angst machen.“

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Mit ihrem Lebenspartner Steven Scharf, der ebenfalls zu den tragenden Säulen im Simons-Ensemble zählte, lebte sie an der Hattinger Straße. Ihre beiden Kinder im Vorschulalter sind hier geboren. Bochum zu verlassen und zurück nach München zu ziehen, sei ihnen schwergefallen: „Wir haben lange überlegt, aber am Ende war das auch ein familiäres Ding“, erzählt Drexler. „Unsere Kinder sollen nur einmal eingeschult werden.“

Als strengen Inspektor sah man Anna Drexler in „Der Kissenmann“:  „Vielleicht war das Stück nicht der ganz große Erfolg, aber ich habe es geliebt“, sagt sie.
Als strengen Inspektor sah man Anna Drexler in „Der Kissenmann“: „Vielleicht war das Stück nicht der ganz große Erfolg, aber ich habe es geliebt“, sagt sie. © Schauspielhaus Bochum | Birgit Hupfeld

Und so sitzen Anna Drexler und Steven Scharf derzeit abwechselnd im Zug, um zwischen den Vorstellungen in Bochum und München hin und her zu pendeln, denn ihre bereits geprobten Stücke spielen sie am Schauspielhaus weiterhin. Für Anna Drexler ist die ständige Fahrerei allerdings kein größeres Problem: „Ich sitze sechs Stunden im Zug und keiner will was von mir“, strahlt sie. „Der absolute Luxus.“ Und ein kleines Stück Bochum hat sie nach Bayern mitgenommen: „Manchmal singen wir mit den Kindern das Steiger-Lied.“

Die nächsten Spieltermine

Wer Anna Drexler noch einmal im Schauspielhaus Bochum erleben möchte: Das Stück „Trauer ist das Ding mit Federn“ wird wieder am 30. November und 18. Dezember gespielt.

Steven Scharf ist aktuell nur noch in „Warten auf Godot“ an der Königsallee zu erleben: am 6., 28. und 29. Dezember. Karten und Infos: 0234 3333 5555.

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