Bochum. Friedhelm Welz aus Bochum sammelt seit fast 70 Jahren Flaschen. Etwa 32.000 Euro spendete er bereits. „Ich hatte das nie nötig“, sagt er.
Jeden Tag zieht Friedhelm Welz in Bochum-Gerthe los. Durchsucht Mülleimer, hebt Flaschen und Dosen vom Wegesrand auf und bekommt sie auch von Fußgängern zugesteckt. „Man kennt mich hier schon“, sagt der 86-Jährige. Seit knapp 70 Jahren sammelt Friedhelm Welz Flaschen – ohne das Geld jemals in die eigene Tasche gesteckt zu haben, wie der Bochumer sagt. „Ich brauche das Geld nicht“, sagt Welz. Zwar sei seine Rente bescheiden. „Aber ich bin zufrieden.“ Er sammle für den guten Zweck.
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All das eingenommene Geld spendet er an verschiedene Organisationen wie beispielsweise die Suppenküche in Bochum. Mit 741,25 Euro förderte er die karitative Einrichtung im vergangenen Jahr. Weitere Gelder gingen an andere Institutionen. „Dass ich das ganze Geld spende, das hat mir zu Beginn kaum jemand geglaubt“, sagt der Rentner.
Bochumer Rentner sammelt seit 70 Jahren Flaschen
Einer der Stammplätze des 86-Jährigen ist am Vonovia Ruhrstadion bei Heimspielen des VfL Bochum. Dort sei die Konkurrenz unter den Flaschensammlern sehr groß. „Ich bin immer allein unterwegs und stelle meine Taschen irgendwo ab, damit die Leute ihre Flaschen hineinlegen können. Da wurde ich öfter schonmal beklaut“, sagt Welz. Die Ordner aber kennen den Rentner, der selbst auch Anhänger des Klubs ist. Sie helfen ihm, die Flaschen einzusortieren, wenn Welz gerade mit vorbeilaufenden VfL-Fans spricht – auch bei manchen von ihnen ist der Flaschensammler ein bekanntes Gesicht. Die Ordner leisten ihm an „seinem“ Platz Gesellschaft. Beim vergangenen Heimspiel gegen Bayer Leverkusen habe er knapp 60 Euro verdient.
Auch am am Schulzentrum Gerthe ist er regelmäßig - seit 47 Jahren. Lehrer und Schüler würden für ihn mitsammeln, sagt Welz. „Einmal haben sie mir drei blaue Säcke voll mit Flaschen gegeben, da hatte ich schon 50 Euro zusammen“, erinnert er sich. Dort verbringe er mehrere Stunden in der Woche.
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Bochumer Flaschensammler wurde oft angefeindet
Nicht immer wurde dem Flaschensammler so freundlich und zuvorkommend begegnet. Gerade am Anfang seien die Beleidigungen sehr schlimm gewesen, sagt er. „Da wurde ich zum Beispiel als asozialer Penner beschimpft, als ich im Mülleimer nach Flaschen geschaut habe. Da hatte ich echt Tränen in den Augen.“
„Nach meinem Unfall hatte ich so viel Dankbarkeit in mir, dass ich überlebt habe, dass ich beschlossen habe, mein Leben lang Geld zu spenden.“
Aber wie ist er eigentlich dazu gekommen, in so jungen Jahren Flaschen zu sammeln? „Ich hatte das nie nötig“, sagt Welz. In den 50er-Jahren habe er mehrere Jahre in verschiedenen Kliniken verbringen müssen, nachdem er bei einem Arbeitsunfall 1955 von einer Starkstromleitung schwer verletzt worden sei. „In der Zeit habe ich viel gelesen und war in den Parks der Krankenhäuser spazieren“, erinnert er sich.
Dort habe er zum ersten Mal wahrgenommen, dass Leute ihre leeren Flaschen draußen abgestellt haben. „Die habe ich dann mitgenommen und später abgegeben. Das waren die ersten eineinhalb D-Mark, die ich so verdient habe“, sagt Welz. Das sei auch der erste Betrag gewesen, den er gespendet hat. „Nach meinem Unfall hatte ich so viel Dankbarkeit in mir, dass ich überlebt habe, dass ich beschlossen habe, mein Leben lang Geld zu spenden.“
Flaschensammeln in Bochum: Bis zu 15 Kilometer am Tag gelaufen
Inzwischen ist Welz nicht mehr so viel unterwegs wie früher. „Zu meinen besten Zeiten bin ich zwölf bis 15 Kilometer am Tag gelaufen, habe 70 bis 80 Mülleimer durchsucht und an bis zu zwölf Institutionen gleichzeitig gespendet“, sagt er. Auch beim Sonntagsspaziergang mit seiner Frau, die vor vielen Jahren verstorben ist, konnte er es nicht lassen, einen Blick in die Mülleimer zu werfen. „Ich kann einfach nicht anders.“
Als seine Frau noch lebte, ist er nach der Arbeit losgezogen. „Sie hatte Krebs und ist wegen der Tabletten immer früh müde gewesen und ins Bett gegangen. Das war dann meine Zeit.“ Das ist jedoch viele Jahre her. Der alleinstehende Rentner ist inzwischen jedoch nicht mehr so gut zu Fuß. Ganz auf das Flaschensammeln verzichten möchte er aber nicht. Ein bis zwei Stunden täglich sucht er weiterhin nach Flaschen. In all den Jahren habe er rund 32.000 Euro gespendet. Ans Aufhören denkt Friedhelm Welz noch nicht: „Ich werde noch gebraucht.“