Bochum. Cendas aus Bochum will Papierpläne auf Baustellen überflüssig machen. Die Würth-Gruppe investiert nun Millionen in das junge Unternehmen.

Jede Menge Papier, das ist kein seltener Anblick auf Baustellen. Riesige Baupläne, akkurate technische Zeichnungen gehören zu einer Baustelle wie Kelle, Hammer und Kran. Bis jetzt jedenfalls. Wenn es nach einem Bochumer Unternehmen geht, könnte diese Zettelwirtschaft auf dem Bau aber bald ein Ende haben. Eine Vision, mit der die Cendas GmbH nicht allein dasteht. Ein milliardenschweres, weltweit agierendes Unternehmern wie Würth glaubt auch daran. Es hat für seine Beteiligung an der jungen Firma eine „höhere siebenstellige Summe“ bezahlt.

Das Bochumer Start-Up Cendas hat seine Belegschaft in einem Jahr verdreifacht

Damit lässt sich die Weiterentwicklung der Cendas-Software ebenso finanzieren wie die Verbreitung des Produkts. „Der Markt für digitale Lösungen auf dem Bau hat sich unglaublich schnell und extrem entwickelt. Er wird jetzt verteilt“, sagt Cendas-Mitgründer und Geschäftsführer Wolf Strotmann (43). „Deshalb haben wir gesagt, jetzt oder nie, und sind stark gewachsen.“ In gerade mal einem Jahr hat das Start-up-Unternehmen seine Belegschaft auf gut 70 Personen verdreifacht.

Digitale Unterstützung auf der Baustelle. Auf dem Tablet lässt sich jederzeit der aktuelle Planungs- und Bearbeitungsstand von Gewerken erkennen. „Das spart Zeit, Geld und Nerven“, sagen die Entwickler.
Digitale Unterstützung auf der Baustelle. Auf dem Tablet lässt sich jederzeit der aktuelle Planungs- und Bearbeitungsstand von Gewerken erkennen. „Das spart Zeit, Geld und Nerven“, sagen die Entwickler. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

Moritz Fabis (27) schwört auf die digitale Unterstützung auf der Baustelle. Der Hertener ist Meister beim Wittener Elektrounternehmen „ehm“ und arbeitet seit vier Jahren mit digitalen Projekten, so wie an diesem Donnerstag in dem Rohbau eines mehrstöckigen künftigen Bürogebäudes in Witten. „Der Chef hatte die Vorstellung, wir sollten papierlos werden“, sagt Fabis beim Gespräch auf der Baustelle.

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Am Anfang hatten die Software-Entwickler die Idee: „Machen wir es wie Tom Cruise“

Ein Gedanke, den die Cendas-Gründer begeistert aufgenommen haben. Software-Entwickler und Cendas-Geschäftsführer Andreas Rittel (43) erinnert sich: „Jochen Schneider, der Chef von ehm, ist mit einer Vision zu Wolf Strotmann gekommen. Er hat von einer Szene in Mission Impossible erzählt, in der Tom Cruise mit einer Datenbrille im Fahrstuhlschacht hängt und alle Information, die er braucht, direkt über die Brille bekommt. Und dann hat er gesagt: Das ist doch bekloppt. Wir planen alles superaufwändig digital in 3D und dann drücken wir auf den Knopf, drucken Papier aus und messen auf der Baustelle mit dem Zollstock. Wir müssen das doch eigentlich wie Tom Cruise machen. So ist das alles entstanden.“ „Mission possible“, sozusagen.

Sie freuen sich über jeden Entwicklungsschritt der Cendas-Software: Meister Moritz Fabis (l.) vom Wittener Elektrounternehmen „ehm“ und Softwareentwickler Andreas Rittel von Cendas.
Sie freuen sich über jeden Entwicklungsschritt der Cendas-Software: Meister Moritz Fabis (l.) vom Wittener Elektrounternehmen „ehm“ und Softwareentwickler Andreas Rittel von Cendas. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

Und diese Mission sieht so aus: Mit einem Tablet in der Hand geht Elektromeister Fabis durch den Rohbau. Statt großer Papierpläne gibt es Abbildungen auf dem Gerät, das alle nötigen Informationen für alle Beteiligten liefert: vom Geschäftsführer bis zum Handwerker, die ebenso auf ihren Tablets alles sehen: Zeichnungen, Daten, Aufträge und ihren Status, Veränderungswünsche... Das habe den Vorteil, dass alle den gleichen Informationsstand haben und nicht etwa noch an und mit unterschiedlichen Plänen arbeiten, die in der Regel zwischenzeitlich immer mal wieder verändert werden.

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.Der wichtigste Vorteil: Das spart Zeit und Geld. „Vor allem macht es aber das Leben leichter“, sagen die beiden Cendas-Chefs. Und sie sehen noch einen weiteren positiven Nebeneffekt. „Wir können dazu beitragen, das Handwerk wieder attraktiver zu machen.“

Software sorgt immer für den aktuellen Planungsstand auf der Baustelle

Moritz Fabis muss nicht mehr überzeugt werden. „Das ist ein cooles Tool und hat so viele Vorteile für mich als Bauleiter, gerade auch bei der Kontrolle“, sagt der Elektromeister. „Jede Aufgabe hat ein Ticket, muss abgearbeitet und abgehakt werden, und ich kann im Baubüro sehen, wo, welche Aufgaben schon erledigt wurden. Ich muss nicht für alles auf die Baustelle gehen und spare mir so viele Wege und Zeit.“ Das ersetze nicht die Sichtkontrolle. Aber gerade bei großen Baustellen, wie den Hallenkomplexen mit 60.000 m2 Fläche, die „ehm“ unlängst elektrifiziert habe, spielen Wege eine große Rolle.

Investor Würth setzt Milliarden um

Laut einer Studie aus dem Jahr 2023 erhoffen sich vier von fünf befragten Bauunternehmern und Planern durch Digitalisierung eine verbesserte Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen allen beteiligten Akteuren eines Bauprojekts.

Darauf setzt auch die Würth-Gruppe. „Die Investition in Cendas zeigt, dass Würth auf innovative Lösungen für seine Kunden setzt. Mit der digitalen Projektsteuerung schaffen wir Freiräume für Handwerker und Bauunternehmen, damit sie durch die Optimierung administrativer Tätigkeiten wertvolle Zeit einsparen und sich verstärkt auf ihre eigene Wertschöpfung konzentrieren können“, sagt Norbert Heckmann, Sprecher der Adolf Würth GmbH, mit 7900 Beschäfitgten das größte Einzelunternehmen der Gruppe.

Die Würth-Gruppe ist Weltmarktführer in der Entwicklung, der Herstellung und dem Vertrieb von Montage- und Befestigungsmaterial. Darüber hinaus sind Handels- und Produktionsunternehmen in angrenzenden Geschäftsfeldern aktiv, wie im Elektrogroßhandel, in den Bereichen Elektronik sowie Finanzdienstleistungen.

In 80 Ländern beschäftigt der Konzern aktuell weltweit mehr als 87.000 Mitarbeitende in über 400 Gesellschaften mit über 2700 Niederlassungen. Der Konzern erzielte im Geschäftsjahr 2023 einen Umsatz von 20,4 Milliarden Euro.

Der Clou an der Software: Sie digitalisiert die Planung und Ausführung von Bauprojekten und bietet allen Beteiligten, vom Planer bis zum Monteur, eine Kommunikationsplattform für Aufgaben, Mängel, Nachträge und weitere Dokumentationen. Alle können sich austauschen, alle wissen Bescheid. Cendas ist nicht der einzige Anbieter von Software für den Bau. Das Alleinstellungsmerkmal ihrer Lösung, so die Bochumer, bestehe darin, „dass Baupläne analysiert und automatisch Aufgaben für die Baustelle generiert werden. Dadurch ist es erstmals möglich, den Baufortschritt in Echtzeit zu überwachen.“

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Anfangs haben die Bochumer als reiner Dienstleister mit fremder Software gearbeitet, sind dann aber schnell dazu übergegangen, eine eigene Lösung zu entwickeln: mit Handwerkern und für Handwerker. „Unser Anspruch ist es, dass wir helfen – und zwar allen, vom Monteur über Bauleiter, Projektleiter, Planer, Zeichner bis zum Geschäftsführer“, sagt Wolf Strotmann.

Damit könnte das 2021 gegründete Start-up-Unternehmen weit kommen. Strotmann: „Unser Ziel ist, dass Cendas Standard für die digitale Baustelle wird.“ Dazu müssen sich die Bochumer gegen Mitbewerber behaupten. „Und es kommt natürlich auch auf das Handwerk an“, so der Geschäftsführer. „Als wir vor drei Jahren mit Handwerkern gesprochen haben, mussten wir 80 Prozent davon überzeugen, von Papier auf Digital umzusteigen. Heute sind es noch maximal 20 Prozent der Unternehmen, mit denen wir sprechen – auch die kleineren – die überhaupt noch konsequent mit Papier arbeiten.“

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