Bochum. Mit der Stimme eines Ex-AfD-Politikers wird ein CDU-Mann Bezirksbürgermeister. Die SPD in Bochum ist empört und fordert Konsequenzen.
Sind mit der Wahl des neuen Bezirksbürgermeisters in Bochum-Wattenscheid erste Risse in der Brandmauer gegen Rechts entstanden? Ja, meint die SPD. Deren Chef Serdar Yüksel fordert dementsprechend den Rücktritt von Marc Westerhoff (CDU), der sich am Mittwochnachmittag (26. Juni) offenbar mit der Stimme eines früheren AfD-Politikers hat wählen lassen. In die Kritik gerät auch die Bezirksfraktion der Grünen, die den CDU-Mann unterstützt haben. Sowohl CDU als auch die Grünen weisen jedoch jeglichen Vorwurf zurück.
Kritik an CDU: Stürzt in Bochum die Brandmauer gegen Rechts ein?
9:8 lautete am Mittwoch das Wahlergebnis. Marc Westerhoff lag damit knapp vor seinem Kontrahenten Wolfgang Rohmann von der SPD. Zuvor war der amtierende Bezirksbürgermeister Hans-Peter Herzog (SPD) abgewählt worden. Initiiert von der eigenen Partei, die gemeinsam mit anderen Bezirksvertretern angab, nach mehreren Vorfällen in der Vergangenheit das Vertrauen in ihn verloren zu haben.
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Schon zuvor war genau solch eine Konstellation befürchtet worden. CDU und Grüne kamen gemeinsam auf acht Stimmen für Westerhoff, ebenso SPD und die UWG:Freie Bürger, die für Rohmann stimmen wollten. Blieb noch Lars Schmidt vom Bündnis Deutschland, der 2022 die AfD verlassen hatte. Westerhoff tat, was er im Vorfeld angekündigt hatte und nahm die Wahl an; in Kauf nehmend, den Posten mithilfe einer Stimme vom rechten Rand bekommen zu haben.
„Die Brandmauer der CDU gegen Rechts ist mit der Wahl von Marc Westerhoff zusammengebrochen – wie stabil sie jemals war, lassen wir mal dahingestellt sein“, wettert Serdar Yüksel, Chef der SPD Bochum. „Fakt ist: Nur durch die Stimme aus der neu geformten AfD-Ecke in der Bezirksvertretung war diese Wahl überhaupt möglich und dies war vorab auch dem Kandidaten der CDU bewusst. Das ist ein Skandal und ein Schlag ins Gesicht aller Demokratinnen und Demokraten in Bochum.“
„Ich bin fassungslos, dass CDU und Grüne offen mit Rechtsradikalen zusammenarbeiten.“
„Das, was gestern in der Bezirksvertretung passiert ist, ist ein politischer Skandal. Ich bin fassungslos, dass CDU und Grüne offen mit Rechtsradikalen zusammenarbeiten“, sagt Moritz Dünzer, seit Mittwochabend neuer Vorsitzender der SPD Wattenscheid. „Demokratische Mehrheiten werden ohne Rechtsradikale gebildet. Der einzige anständige Ausweg für Mark Westerhoff wäre sein sofortiger Rücktritt.“
Er habe für Westerhoff gestimmt, sagt Lars Schmidt der WAZ gegenüber. Das Gerede von einem Einsturz der Brandmauer gegen Rechts mag er nicht nachvollziehen. Die habe für sein Empfinden „nie wirklich existiert“. Zwei Parteien hätten im Vorfeld das Gespräch mit ihm gesucht. „Mit der SPD kam es nicht dazu, weil ich kein Interesse hatte, die SPD zu unterstützen. Aber es war offensichtlich, dass sie wissen wollten, wie ich abstimmen werde.“ Das habe auch die CDU in Erfahrung bringen wollen, sagt Schmidt. Mit den Christdemokarten habe er gesprochen und verraten, für wen er stimmen werde.
Bei der CDU will man von einem Gespräch dieser Art im Vorfeld nichts wissen. „Das ist nicht richtig. Wir haben keinen Kontakt aufgenommen“, versichert Gerd Kipp, Sprecher der CDU-Fraktion in der Bezirksvertretung. Die Wahl sieht er „in der Wertung nicht als politische Aussage“. Die Brandmauer gegen Rechts sei gut und richtig. „Wäre Lars Schmidt ein aktiver AfD-Mann, sähe die Sache anders aus.“ Ein Thema wäre es aus seiner Sicht nur, „wenn wir inhaltlich zusammenarbeiten würden. Und das tun wir nicht.“
„Es geht nicht um Posten oder das Regieren um jeden Preis, es geht darum, dass wieder vernünftige politische Arbeit geleistet wird. Von daher ist das ein tolles Ergebnis für uns und für Wattenscheid.“
Auch Sabine Radandt-Beckmann, stellvertretende Kreisvorsitzende der CDU, beteuert, „dass wir als Partei im Vorfeld keine Gespräche mit Bündnis Deutschland geführt haben“. Den Vorwurf, die CDU habe die Chance auf den Bezirksbürgermeisterposten gewittert und genutzt, weist sie zurück: „Es geht nicht um Posten oder das Regieren um jeden Preis, es geht darum, dass wieder vernünftige politische Arbeit geleistet wird. Von daher ist das ein tolles Ergebnis für uns und für Wattenscheid.“
„Dass er sagt, er habe mich gewählt, heißt nicht, dass das auch so war. Mit so einer Behauptung kann man auch einfach nur Feuer legen wollen.“
Marc Westerhoff lehnt einen Rücktritt ab. Er sei demokratisch gewählt worden. Dass man mit einer Partei wie Bündnis Deutschland inhaltlich nicht zusammenarbeiten könne, wohl aber die Stimme nutze, sei kein Widerspruch, findet er. „Eine Zusammenarbeit ist ja eine bewusste Entscheidung.“ Die Wahl sei geheim gewesen. „Dass er sagt, er habe mich gewählt, heißt nicht, dass das auch so war. Mit so einer Behauptung kann man auch einfach nur Feuer legen wollen.“
Dass in der SPD auch Kritik am Verhalten der Grünen aufkommt, ärgert deren Ratsfraktions-Chef Sebastian Pewny. Die Grünen hatten Westerhoff gewählt. Auch auf die Gefahr hin, dass sich dieser mit der Stimme von Lars Schmidt wählen lassen würde. „Wir hatten keine andere Wahl“, sagt Pewny. Man habe auf jeden Fall Rohmann als Bezirksbürgermeister verhindern wollen. „Hätte die SPD einen anderen Kandidaten gestellt, wäre das nicht passiert. Dann wäre auch nicht die Koalition zerbrochen.“ Eine Enthaltung sei deshalb auch nicht infrage gekommen. „Dann wäre es ja Wolfgang Rohmann geworden.“ Die Grünen seien „nicht die Schuldigen am gestrigen Wahlausgang“. Dafür seien Marc Westerhoff, der die Wahl angenommen hat, verantwortlich, und die SPD.“