Bochum. Frühmorgens wurden sie in Bochum angeliefert: zwei jeweils 13 Tonnen schwere Zylinder. Ein Kran hat sie aufgestellt. Dazu werden sie benötigt.
Elf Meter hoch, drei Meter Durchmesser, 13 Tonnen schwer. Ein Gardemaß für Behälter. Zwei von ihnen wurden am Mittwoch von Tiefladern auf Mark 51/7 angeliefert und mit einem Schwerlastkran in einen Rohbau an der Suttner-Nobel-Allee eingehoben. Sie sind Teil einer innovativen, bislang in Deutschland noch einzigartigen Energieversorgung eines gesamten Quartiers.
500 Millionen Liter Grubenwasser schlummern unter Mark 51/7
„Grubenwasser“, heißt das Zauberwort, das zunächst einmal ja gar nicht so bezaubernd klingt. Es ist eine Hinterlassenschaft des Kohlebergbaus im Revier und eigentlich eher eine Last. Denn: Über alle Zeiten hinweg muss das Grubenwasser abgepumpt und auf diese Weise verhindert werden, dass es nach oben steigt und das Ruhrgebiet in einen riesigen See verwandelt.
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Aber: Grubenwasser kann auch nützlich sein. Es schlummern allein 500 Millionen Liter in der Tiefe unter Mark 51/7, der 70 Hektar großen Fläche des ehemaligen Opel-Werks in Bochum-Laer. Mit Bohrungen bis hinunter auf mehr als 800 Meter haben die Stadtwerke Bochum und das Fraunhofer-Institut 2022 das Reservoir von der Größe des Phönix-Sees in Dortmund anzapfen lassen. Und schon bald soll es dazu beitragen, das Innovationsquartier Mark 51/7 mit Wärme und Kälte aus der Tiefe des Kohlenraums zu beliefern.
27 von 35 Gebäuden auf Mark 51/7 werden mit Geothermie versorgt
27 von 35 Gebäuden auf Mark 51/7 werden künftig mit Geothermie versorgt. Und weil die „Grubenwasser-Variante“ womöglich auch andernorts in der Region genutzt werden kann, fördert der Bund das 28 Millionen Euro teure Projekt mit 9,6 Millionen Euro. Dreh- und Angelpunkt des Systems wird eine Energiezentrale sein, die aktuell gebaut wird. Und genau dort wurden die beiden riesigen Zylinder an diesem Mittwoch aufgestellt.
„Die Energiezentrale Ost wird das Herzstück der Energieversorgung auf Mark 51/7 sein“, sagt Stadtwerke-Geschäftsführerin Elke Temme. „Mit der geplanten Nutzung von Geothermie werden wir eine energiesparende Wärme- und Kälteversorgung auf dem Areal sicherstellen und ein neues Wärmezeitalter beginnen.“ Wegen der beachtlichen Abmessungen des Wärme- und Kältespeichers mussten die Kolosse in den Rohbau gesetzt werden, bevor in den kommenden Wochen das Dach der Energiezentrale geschlossen wird.
„Während der Arbeiten stellte sich heraus, dass weitere und stärkere Pfähle verbaut werden müssen. So wurden nun 52 Pfähle mit einem Durchmesser von 1,20 Meter verbaut. “
In der Energiezentrale soll die im Grubenwasser enthaltene Wärme- und Kälteenergie mit Wärmepumpen auf das Temperaturniveau gebracht werden, das für die Versorgung der Stadtwerke-Kunden erforderlich ist. Die Wärme- und Kältespeicher werden jeweils 65.000 Liter warmes bzw. kaltes Wasser zwischenspeichern. Sie „sind ein wichtiger Baustein im Gesamtenergiekonzept der Stadtwerke“, heißt es.
Der Gebäudekubus erhält einer Holzfassade in den Obergeschossen und eine Gitterrostfassade mit Fassadenbegrünung im Erdgeschoss. So soll er sich optimal in die Landschaftsplanung einfügen. Der Fassadenentwurf stammt von dem Bochumer Architekturbüro Banz + Riecks. Er ist als Sieger aus einem Fassadenwettbewerb hervorgegangen.
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Eigentlich sollte die Energiezentrale Ost mit der stattlichen Höhe von 22 Metern, innovativer und effizienter Anlagentechnik zur Wärme- und Kälteversorgung mit einem hohen Anteil erneuerbarer Energie sowie einer Stromstation (10 kV-Station) ja schon längst fertig sein. Anfang 2024 war ursprünglich als die Inbetriebnahme geplant.
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Aber der Bauherr, die Stadtwerke Bochum, muss einige ungeahnte Hindernisse überwinden. Es hat sich herausgestellt, dass der Baugrund im ehemaligen Opel-Werk, auf dem die Energiezentrale Ost errichtet wird, „deutlich herausfordernder ist als das ursprüngliche Bodengutachten vermuten ließ“, so Stadtwerke-Sprecher Christian Seger.
Energiezentrale wird zwei Jahre später als geplant in Betrieb genommen
Geplant gewesen sei, den Boden unter der Energiezentrale wegen des hohen Gewichts der Anlagentechnik mit 38 etwa 30 Meter langen Stahlbetonpfählen und einem Durchmesser von jeweils 60 Zentimetern zu stabilisieren. Dröge: „Während der Arbeiten stellte sich heraus, dass weitere und stärkere Pfähle verbaut werden müssen. So wurden nun 52 Pfähle mit einem Durchmesser von 1,20 Meter verbaut.“
Wärme- und Kälteversorgung
Für die Wärmeversorgung soll das 27 bis 28 Grad Celsius warme Grubenwasser des ehemaligen Steinkohlebergwerks Dannenbaum über Wärmepumpen auf 48 Grad Celsius erwärmt und anschließend in das Netz abgegeben werden. Das Wasser wird aus 800 Meter Tiefe nach oben gepumpt. Auch für die Kälteversorgung der Immobilien wird das Grubenwasser genutzt. Dafür wird aus einer Tiefe von etwa 340 Metern 17 Grad Celsius „kaltes“ Wasser gefördert.
Das natürliche Energiepotenzial des Grubenwassers wird nach Angaben der Stadtwerke durch die „optimale energetische Ausnutzung zu rund 70 bis 75 Prozent den Wärme- und Kältebedarf der angeschlossenen Abnehmer decken“. Der verbleibende Wärmebedarf wird aus dem Fernwärmenetz der FuW GmbH gedeckt. Kältemengen, die an sehr heißen Tagen zusätzlich erforderlich sind, werden über konventionelle Kälteanlagen an das Kältenetz von Mark 51/7 übergeben.
Verzögerungen habe es auch im europaweiten Ausschreibungsverfahren gegeben. Und dieser Prozess ist auch noch nicht abgeschlossen. So läuft aktuell erst das Ausschreibungsverfahren für die Anlagen- und Verfahrenstechnik wie Wärmepumpen und Kältemaschinen.
Am Ende wird sich das gesamte Projekt voraussichtlich um zwei Jahre verschieben. Stand jetzt gehen die Stadtwerke davon aus, die Energiezentrale Anfang 2026 in Betrieb zu nehmen.