Mülheim. Matthias Frense und Andrea Friedrich, bisher Leitungsduo im Ringlokschuppen, haben vor ihrem Abschied eine hohe Fördersumme vom Land eingeworben.
Viele sehen in Matthias Frense und Andrea Friedrich die Retter des Ringlokschuppens. Die beiden haben das Kulturzentrum in den letzten acht Jahren aus der Krise herausmanövriert und ihm nun – vor ihrem Abschied – sogar noch mal eine Landesförderung von 300.000 Euro pro Jahr sichern können. „Der Ringlokschuppen wird weiterblühen“, blickt Matthias Frense, bisher Künstlerischer Leiter und Geschäftsführer im Schuppen, optimistisch in die Zukunft. Ein Interview mit dem Theatermann (59).
Sie verlassen den Ringlokschuppen mit einer guten Nachricht...
Frense: Es ist uns auf den letzten Metern gelungen, eine Erhöhung der Landesmittel zu erwirken. Wir kriegen jetzt 300.000 Euro mehr pro Jahr. Außerdem hat die Stadt signalisiert, uns bei der Miete etwas entgegenzukommen. Jetzt können wir das Haus gut an unsere Nachfolgerinnen übergeben.
Für viele Mitarbeiter war Mülheim nur erste berufliche Station
Sie waren 16 Jahre am Ringlokschuppen, acht davon in Leitungsfunktion. 2015 haben sie das Haus in einer sehr schlechten finanziellen Situation übernommen, es stand kurz vor dem Aus.
Wir haben damals unter widrigsten finanziellen Bedingungen angefangen. Und auch wenn viele uns zunächst skeptisch beäugt haben, ist es uns gelungen, das Haus finanziell zu konsolidieren. 2014 hat der Ringlokschuppen vom Land 160.000 Euro jährlich erhalten, ab 2023 werden es 750.000 Euro sein. Das ist ein großer Unterschied und die Erhöhung war wichtig. Denn die Gehälter, die wir an unsere Mitarbeiter zahlen konnten, waren vergleichsweise niedrig. Für viele Leute waren wir die erste berufliche Station, dann sind sie abgewandert, oftmals an große Theaterhäuser. Jetzt ist es möglich, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern angemessene Arbeitsbedingungen zu bieten. Dafür war es auch wichtig, unser künstlerisches Profil zu schärfen.
Sie selbst haben 2006 als Dramaturg am Ringlokschuppen begonnen...
Es galt damals, hier ein regelmäßiges Theaterprogramm aufzubauen. Da reichte es nicht, Gastspiele herzuholen. Es sollten Arbeiten hier vor Ort entstehen. Also haben wir freien Theatergruppen wie kainkollektiv, vorschlag:hammer, Anna Kpok oder auch KGI attraktive Produktions- und Aufführungsmöglichkeiten geboten. Wir hatten keine Kohle, aber viel Platz und Zeit (lacht).
Neben dem Theater ist der Tanz zu einem Schwerpunkt geworden.
Ja. Wir haben als ein sogenanntes Tanzmittelzentrum Fördermittel einwerben können und uns entschieden, lieber wenige Gruppen zu fördern, aber die konsequent. CocoonDance, Maura Morales oder Hartmann/Müller sind mittlerweile international unterwegs und sehr bekannt. Mit dem Festival Tanz NRW konnten wir noch mal ein ganz anderes Publikum ansprechen.
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Wie haben sich die Zuschauerzahlen denn entwickelt?
2006, als ich angefangen habe, waren unsere Veranstaltungen mäßig besucht. Mit den Jahren ist es uns aber gelungen, darauf hinzuweisen, was wir machen. Nach der Krise (2015) haben sich die Zuschauerzahlen extrem verbessert. 2019 haben wir dann den Theaterpreis des Bundes zugesprochen bekommen. Da hätte es noch weiter bergauf gehen können, aber es kam Corona. In einem Moment, in dem wir es gar nicht gebrauchen konnten. Aber jetzt nehmen wir wieder Fahrt auf.
Wer kommt denn in den Ringlokschuppen?
Das ist ganz unterschiedlich. Es gibt Menschen, die sehen wir bei verschiedensten Veranstaltungen, aber auch Fans, die nur für eine bestimmte Gruppe herkommen. Wir registrieren Mülheimerinnen und Mülheimer und Leute von außerhalb. Menschen jeden Alters, nicht nur junge Leute. Wir erreichen auch ein bürgerliches Publikum. Es war wichtig, für diese Zuschauer:innen die Gastronomie zu reaktivieren und ihnen mit der Neugestaltung des zuvor etwas abgerockten Foyers ein ansprechendes Ambiente zu bieten.
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„Arbeiten mit Bürger:innen sind of sensationell“
Sie waren an mehreren staatlichen Theatern beschäftigt, haben sich dann aber der freien Szene zugewandt. Ist die interessanter?
Da könnte man Tage drüber reden. Ich finde, die Konzepte und Formate der freien Gruppen sind oft die spannenderen, das Handwerk des Spielens kommt mir bei ihnen zuweilen etwas zu kurz. Eine große Stärke der Freien Szene ist, die Stadtbewohnerinnen und -bewohner – also auch Laien – mit in ihre Produktionen einzubeziehen.
Der Ringlokschuppen versteht sich und sein Programm als postmigrantisch und divers...
Wir haben versucht, zu berücksichtigen, dass unsere vielfältige Gesellschaft auch von uns als Kultureinrichtung abgebildet wird. Das gilt für Künstler:innen und Programme ebenso wie für das Personal.
Was wünschen Sie sich persönlich für den Ringlokschuppen?
Ich würde mich natürlich über eine Fortführung der Formate, die wir aufgebaut haben, freuen. Aber richtig interessant wird es werden, wenn Daniele Daude ihre krasse Musik- und Musiktheaterkompetenz in entsprechende Angebote umsetzt. Dabei könnte sich bestenfalls die ohnehin sinnlose Unterscheidung zwischen E- und U-Kultur weiter auflösen.
Wechsel zu Mülheimer Theaterallianz vier.ruhr geplant
Warum hören Sie gerade jetzt auf?
Nachdem wir 2019 den Theaterpreis erhalten hatten, dachte ich, nun wäre ein guter Zeitpunkt. Aber da kam Corona dazwischen. Jetzt möchte ich gerne die Perspektive verändern. Das freie Theater ist ja eine sehr junge Szene, es braucht den Generationswechsel. Ich finde, dass Theaterhäuser immer mal wieder einen Reset benötigen, damit Menschen in der Stadt neu dazukommen können.
Was werden Sie künftig machen?
Ich werde die vier.ruhr-Allianz als Dramaturg und Koordinator begleiten – mit einer halben Stelle. Für alles andere, was kommt, bin ich offen. Ich will aber auch etwas runterfahren, die 50/60-Stunden-Wochen, die ich in den letzten Jahren oft hatte, waren lebenstechnisch ein Grenzgang. Ich habe ja noch ein Schulkind zu Hause. Ein bisschen mehr Freizeit wäre auch schön, ich habe kürzlich das Rudern auf der Ruhr für mich entdeckt.
Personen und Posten
Matthias Frense, seit 2015 künstlerischer Leiter und Geschäftsführer im Ringlokschuppen, wird künftig als Koordinator und Dramaturg für die Mülheimer Theaterallianz vier.ruhr arbeiten.Vier.ruhr ist ein Zusammenschluss von Theater an der Ruhr, Theater- und Konzertbüro und Ringlokschuppen Ruhr, der gemeinsam künstlerische Projekte realisiert. Die vier.zentrale an der Leinewebestraße 15 verbindet als Projektraum Kunst, Theater und Bürgerschaftliches Engagement.Andrea Friedrich, seit 2015 kaufmännische Leiterin des Ringlokschuppens, wechselt zum Schauspielhaus Düsseldorf.Im Ringlokschuppen bilden künftig Theater- und Musikwissenschaftlerin Dr. Dr. Daniele Daude und Kultur-Ökonomin Leonie Arnold das Leitungs-Duo. Sie werden derzeit von ihren Vorgängern noch eingearbeitet.