Oberhausen. Auf Konzepte der Stadtverwaltung warten die Oberhausener Lokalpolitiker schon einmal 16 Jahre. Warum dauert alles Mögliche so unglaublich lange?

Als sich die politischen Niederlagen der Grünen im Oberhausener Stadtrat bei zwei eher harmlosen Ideen für eine klimafreundlichere Stadtplanung in der November-Sitzung abzeichneten, da hielt sich Grünen-Ratsherr Andreas Blanke nicht mehr zurück. „Immer diese permanenten Ausreden, warum in Oberhausen nichts vorangeht. Diese ganze Debatte ist maßlos enttäuschend, ist nur bla, bla, bla. Wir warten ständig auf das Mobilitätskonzept, das seit Jahren nicht kommt. Wie lange benötigt Oberhausen noch dafür?“, schimpfte der frühere Grünen-Ratsfraktionschef.

Andreas Blanke, Ratspolitiker der Grünen, bei einer Ratssitzung im Herbst 2021. Er ärgert sich über die langen Wartezeiten auf Konzepte und Masterpläne der Stadtverwaltung Oberhausen.
Andreas Blanke, Ratspolitiker der Grünen, bei einer Ratssitzung im Herbst 2021. Er ärgert sich über die langen Wartezeiten auf Konzepte und Masterpläne der Stadtverwaltung Oberhausen. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Auch mit dem Verweis auf dieses Mobilitätskonzept hatte die Mehrheit des Rates abgelehnt, verkehrspolitische Vorschläge der Grünen wie mehr Fahrradstraßen an Schulen und fußgängerfreundlichere Ampelschaltungen durchzuwinken. Ohne dieses Strategie-Konzept wolle man sich nicht vorab auf Details festlegen, meinte etwa CDU-Ratsherr Frank Bandel.

Seit 2016: Warten auf das Mobilitätskonzept

Tatsächlich warten die Oberhausener Politiker bereits seit Anfang 2016 auf dieses ominöse Konzept für die Stadtplanung, das in einer Gesamtschau den Weg zu einer klimafreundlicheren Mobilität im Stadtgebiet aufzeigen soll. Denn der Verkehrsentwicklungsplan stammt aus den noch autofreundlichen Zeiten des Jahres 1993. Die „Aufstellung eines neuen Mobilitätskonzepts ist dringend erforderlich, auch wegen der künftigen Beantragung von Fördermitteln“, befanden die Rathaus-Experten vor sechs (!) Jahren – und kamen dann irgendwie nicht mehr voran.

Konzepte, Masterplan, Rahmenplan, Nutzungsanalysen – wie ein roter Faden zieht sich das Thema in diesem Jahr durch die politischen Gremien. Entweder beauftragt man gerade mal wieder ein Konzept, lässt sich von der Stadtverwaltung einen Zwischenbericht über den Stand des Verfahrens geben oder diskutiert darüber, warum das Konzept noch nicht vorliegt. Und wenn dann der Plan endlich da ist, dann zweifelt der eine oder andere Lokalpolitiker nicht unberechtigt, ob denn die vor Jahren dafür ermittelten Zahlen nicht schon längst wieder veraltet sind. Vielleicht sollte man lieber ein neues Konzept in Auftrag geben?

Seit 2006: Warten auf das Einzelhandelskonzept

Und so vermissen die Linken seit März 2020 einen Plan des Rathauses, wie man für Eltern mit kleinen Kindern mehr Wickelorte in den drei Innenstädten schafft. Der Mangel an öffentlichen Toiletten in der Alt-Oberhausener City wird sogar schon seit 2015 politisch diskutiert – letztendlich ohne klares Konzept und durchschlagenden praktischen Erfolg.

Die dreiköpfige Fraktion der Linken im Oberhausener Stadtrat (hier im Bild mit Fraktionsgeschäftsführer David Driever) will schon seit Jahren mehr öffentliche Toiletten und Wickelräume für Eltern in der Oberhausener Innenstadt erreichen.
Die dreiköpfige Fraktion der Linken im Oberhausener Stadtrat (hier im Bild mit Fraktionsgeschäftsführer David Driever) will schon seit Jahren mehr öffentliche Toiletten und Wickelräume für Eltern in der Oberhausener Innenstadt erreichen. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Das für jede dicht besiedelte Stadt so wichtige Einzelhandelskonzept (Wo sollen welche Geschäfte entstehen?) wird seit 2006 immer wieder mal behandelt – fertig werden soll es endgültig erst im Laufe des Jahres 2022, nach 16 Jahren. Erst seit 2017 geistert der Wunsch nach einem stadtweiten Konzept für Strom-Ladesäulen, um E-Fahrzeuge aufzuladen, durch die Politik. Das Ergebnis einer Beratungsfirma an der RWTH Aachen fiel aber im August 2021 nach langer Arbeit enttäuschend aus – das Konzept erwies sich als kaum praxistauglich. Nun soll eine andere Beratungsfirma einen neuen Versuch starten.

Und dann leisteten sich die externen Fachleute bei der Machbarkeitsstudie für einen neuen Radweg zwischen Bottrop und Mülheim quer durch Oberhausen den Fehler, ausgerechnet die Bordellviertel-Straße Flaßhofstraße in der Innenstadt für die Durchfahrt zu nutzen.

Manchmal möchte man da als Beobachter allen Beteiligten am liebsten zurufen: „Nehmt doch einfach mal einen Spaten in die Hand und legt los.“

Warum eine zu große Ungeduld nicht zielführend für eine Stadt sein kann

Warum eine solche Ungeduld nicht zielführend für eine Stadt sein kann, erläutert am besten der von Berlin nach Oberhausen gezogene Ralf Güldenzopf, Dezernent für Strategie und Zukunft. Konzepte und Masterpläne seien essenziell für eine erfolgreiche Stadtentwicklung. „Ein Profi-Bäcker benötigt auch ein Rezept, weil die Zutaten abgestimmt sein müssen, damit es schmeckt.“

Konzepte dienten dazu, um die unterschiedlichen Interessen, geballt auf engem Raum, abzuwägen und in Einklang zu bringen. Erst wenn das aus vielen Richtungen mit Beteiligung von Bürgern und Fachleuten abgeklopfte Konzept vorliegt, kann eine Stadtverwaltung sinnvoll loslegen und effizient die Vorhaben umsetzen – ohne dass man zeitaufwendig etwa über jede einzelne Ladesäule wieder diskutieren muss.

Güldenzopf räumt zwar ein, dass es bei einigen Konzepten und Plänen nervigerweise hakt, doch ein generelles Strukturproblem im Rathaus sei an der Serie der Pannen und Verspätungen nicht zu erkennen. Die Gründe dafür seien stets sehr unterschiedlich. Dass Fehler und Fehleinschätzungen durchaus auch im Rathaus passieren, gesteht der Strategiedezernent ein.

Der Oberhausener Strategiedezernent Ralf Güldenzopf hält viel von Konzepten und Masterplänen für eine sinnvolle und effiziente Stadtplanung.
Der Oberhausener Strategiedezernent Ralf Güldenzopf hält viel von Konzepten und Masterplänen für eine sinnvolle und effiziente Stadtplanung. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Damit ein Konzept auch gelingt, müssen nach Erfahrungen von Güldenzopf mehrere Räder ineinandergreifen: Die Stadtverwaltung müsse zunächst sehr genau definieren, was sie mit dem Konzept wolle. Bei der Ausschreibung des Auftrags für ein Konzept müsse man auf die Qualität der Berater achten und nicht nur auf den Preis. Bei Erstellung des Konzeptes müsse der Ist-Zustand genau analysiert werden. Die Konzept-Arbeit durch externe Kräfte müsse eng vom Rathaus-Team selbst begleitet und stetig überprüft werden. Trotz aller Sorgfalt könne es dann zu Schwierigkeiten kommen. „Man sollte sich dann Fehler eingestehen und eine schnelle neue Lösung anstreben.“

Erfolge nicht aus dem Blick verlieren

Wichtig sei es aber auch, die Erfolge nicht aus dem Blick zu verlieren. „Wir neigen alle stark dazu, vor allem das zu beachten, was nicht läuft. Viele Konzepte sind erfolgreich erarbeitet und realisiert worden: Die Neuordnung der Stadttochter OGM als Eigenbetrieb, die Grundstücksentwicklung, der neu aufgestellte IT-Bereich im Rathaus, der Glasfaserausbau an den Schulen oder die Bebauungspläne.“ Auch der Masterplan 2030 für die Neue Mitte komme gut voran.

Ohne Konzept jedenfalls verläuft nach den Oberhausener Erfahrungen die Stadtentwicklung alles andere als erfreulich – gut zu besichtigen übrigens auf dem Stahlwerksgelände gegenüber dem Centro: Dort hat sich ein Sammelsurium aus Hotels, Lidl, Restaurants, Spielhallen, Bau- und Möbelmärkten eingefunden – schön ist das nicht. Und beinahe wäre „Topgolf“ genau dort angesiedelt worden, wo Oberhausen jetzt eine innovative neue Wohnsiedlung im Grünen platzieren möchte. Weil man aber einen solchen Plan hatte, blüht die neue Freizeitstätte für Spaß-Golfer an anderer Stelle des riesigen Areals auf. Man darf also auch nicht zu schnell die Schüppe schwingen. Oder wie es Oberbürgermeister Daniel Schranz formuliert: „Besser als einfach nur loszulaufen, ist es, ein Konzept zu erarbeiten. Das funktioniert in der Mehrzahl der Fälle gut. In der Minderzahl der Fälle allerdings kommen wir bisher nicht schnell genug ins Agieren. Das müssen wir ändern.“

Rathaus kauft Spezialwissen extern ein

Dass eine Stadtverwaltung gutes Geld der Steuerzahler für Konzepte externer Agenturen und Büros ausgibt, ist nach Ansicht der Rathaus-Spitze durchaus wirtschaftlich und sinnvoll – trotz aller vorhandener Expertise im Rathaus selbst. „Vieles können wir selbst leisten, doch Spezialwissen für ein Projekt sollte extern eingekauft werden. Das muss keine Kommunalverwaltung teuer für immer vorrätig halten“, begründet dies der Oberhausener Strategiedezernent Ralf Güldenzopf.Der Einkauf von Beratungsleistungen nutze langfristig auch den Rathaus-Teams selbst. Durch die enge Begleitung hochkarätiger Beratungsbüros würden die eigenen Fachleute dazulernen und neue Inspirationen erhalten. Dieses Wissen könne man dann später gut bei anderen kleineren Projekten einsetzen, beobachtet Güldenzopf.

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