Oberhausen. In seiner vorletzten Sitzung des Jahres hat der Oberhausener Stadtrat nach fünfstündiger Diskussion viele wichtige Entscheidungen getroffen.
Fünf Stunden lang haben sich am Montagnachmittag die ehrenamtlich für die Oberhausener Bürgerschaft arbeitenden 58 Ratspolitiker in der vorletzten Ratssitzung des Jahres durch die über 50 Punkte starke Tagesordnung gekämpft.
Weil es seit der Kommunalwahl im September 2020 kein festes Bündnis von Fraktionen gibt, ziehen sich Argumentationen und Diskussionen hin, wechseln je nach Inhalt die Mehrheiten. Das ist für Bürger (jeder darf die Sitzung vor Ort in der Stadthalle verfolgen) durchaus interessant zu beobachten, aber weil nicht jeder Oberhausener so viel Zeit und Muße hat, Ratssitzungen mit allen Feinheiten der Debatte und durchaus wichtigen Entscheidungen zu erleben, gibt es zum Glück noch Journalisten, die einen ganzen Block voll schreiben – und die wichtigsten Infos für alle Einwohner hier in diesem Artikel notieren. Zehn Minuten lesen statt 300 Minuten sitzen – und man erfährt alles Wichtige:
Baumschutz
Der Last-Minute-Einsatz von Grünen-Ikone Bärbel Höhn („Die Baumschutzsatzung darf nicht geschreddert werden“) für den Erhalt der seit 25 Jahren geltenden alten Baumschutzsatzung hat nicht mehr geholfen. Die Mehrheit von SPD, CDU, Linken und OfB (Offen für Bürger) stimmte in Abwägung zwischen Baumrettung und Eigentumsschutz von Grundstücksbesitzern für eine Lockerung des Baumschutzes: Nicht mehr geschützt, also ohne Antrag fällbar, sind künftig Birken, Pappeln, Nadelbäume (mit Ausnahme von Eiben und Ginkgos, Obstbäume (mit Ausnahme von Walnuss und Esskastanie) sowie abgestorbene Bäume. Stehen Bäume näher als drei Meter an Gebäuden, dürfen sie ebenfalls ohne Antrag gefällt werden.
Erlaubt die Stadt die Fällung eines geschützten Baumes (Gebühr künftig 60 statt 26 Euro), muss ein Ersatzbaum gepflanzt werden; ab einem Umfang von 1,50 Meter (bisher: 1,2 Meter) sogar zwei. Sollte der Platz auf dem eigenen Grundstück dafür nicht reichen, muss man mit 450 Euro als Ausgleichszahlung für Jungbäume deutlich mehr blechen als bisher. CDU-Ratsherr Frank Bandel argumentierte für die Lockerungen – auch als Arbeitserleichterung der Rathausbeamten: „Die meisten dieser Baumfällanträge würden sowieso genehmigt werden.“ Grünen-Ratsherr Norbert Axt warnte dagegen: „Bäume in der Stadt dürfen nicht der Sägefreiheit der Bürger zum Opfer fallen.“
Immobiliengesellschaft
Oberhausen bekommt nach Willen der breiten Ratsmehrheit eine Stadtentwicklungsgesellschaft. Diese soll bisherige städtische Grundstücke betreuen und entwickeln, aber auch aktiv Areal, Gebäude und Schrottimmobilien aufkaufen, um die Entwicklung in den Stadtteilen zu steuern. Nicht nur SPD-Ratsherr Ulrich Real sieht „viele Chancen im Stadtgebiet, wo diese Gesellschaft einsteigen könnte“.
Wie die GmbH kontrolliert wird, wird noch später entschieden. Auf SPD-Antrag geht der Rat damit über die Empfehlung der Wirtschaftsberatung Ernst & Young hinaus, die aus steuerlichen Gründen eine „Entwicklungs- und Transaktions-GmbH“ vorgeschlagen hatte. Die Grünen forderten eine starke Klimaschutz-Orientierung dieser Gesellschaft, die Linken lehnen GmbHs grundsätzlich ab, die AfD hält nichts von staatlichen Eingriffen auf dem Wohnungsmarkt. So stimmten AfD und Linke dagegen, die Grünen enthielten sich.
Haus der Familie
Einstimmiger Beschluss: Als zentrale Anlaufstelle für Familien zur professionellen Beratung und Unterstützung in allen Familienfragen soll ein „Haus der Familie“ konzipiert und errichtet werden.
Verkaufsoffene Sonntage
Trotz des öffentlichkeitswirksamen Streits zwischen Schmachtendorf und Sterkrade, weil die Kaufleute in Sterkrade recht spät und recht plötzlich am gleichen Wochenende (3. bis 5. Dezember) den Nikolaus-Brauch für sich entdeckten, genehmigte der Rat drei verkaufsoffene Sonntage: 5. Dezember in Schmachtendorf und Sterkrade gleichermaßen sowie den 12. Dezember im Centro. Die Läden öffnen dann zwischen 13 und 18 Uhr. Grüne, Linke und AfD stimmten allerdings nicht zu; die Grünen sagten aber „Ja“ zum Schmachtendorfer Sonntag – und baten um frühzeitigere Einbindung des Rates.
Neue Planstellen
Der gesamte Rat stimmte dem Ausbau der Psychologischen Beratungsstelle bei sexualisierter Gewalt gegen Kinder (1,0 Stelle) sowie 3,4 neuen Stellen fürs Gesundheitsamt wegen der Corona-Pandemie zu.
Energieberatung
Gegen die Stimmen der AfD soll die Oberhausener Verbraucherzentrale weiterhin bis 2025 mit Hilfe eines Stadtzuschusses von 70.000 Euro im Jahr Energieberatungen erledigen.
Keine Fahrradstraßen an Schulen
Mehrere Anträge der Grünen scheiterten: So lehnt die breite Mehrheit des Stadtrates eine „fußgängerfreundliche Steuerung der Ampeln“ („Wartezeiten für den Fußverkehr durch Rotphasen auf ein Minimum reduzieren“) genauso ab wie die Konzepterstellung für „Fahrradstraßen an Schulen“ zur Sicherheit radelnder Schüler.
CDU-Ratsherr Frank Bandel: „Wir haben viel Geld für digital gesteuerte Verkehrsflüsse ausgegeben, bei denen der Verkehr vernünftig verteilt wird.“ Man solle dabei niemanden bevorzugen, auch nicht Fußgänger, das blockiere alle anderen. Statt Detailvorstöße für den Verkehr in Auftrag zu geben, wartet die Ratsmehrheit lieber auf das seit Jahren angekündigte umfassende Mobilitätskonzept für die gesamte Stadt.
Ladesäulen-Infrastruktur
Seit 2017 lässt die Stadt mit externer Hilfe ein Konzept für Ladesäulen für E-Autos entwickeln – doch der kürzlich vorgelegte Plan der Fachleute enttäuschte nicht nur die Politik (Grünen-Ratsherr Andreas Blanke: „Wir sind keinen Schritt weiter“), sondern auch die Stadtspitze. Nun soll mit einem neuen Partner ein neues Konzept für Ladesäulen (Wo? Wie? Wartung?) eingestielt werden. Die Ratsmehrheit (Linke, SPD, Grüne und FDP) war dafür; die anderen glaubten, das Rathaus werde auch ohne politischen Auftrag ein Konzept erstellen lassen.
Kulturentwicklungskonzept
Der SPD ist aufgefallen, dass das Kulturangebot in Oberhausen zwar gut ist, sich aber die Akteure nie gemeinsam an einen Tisch setzen und sogar eine einfache Ticket-Buchungs-Internetseite für die gesamte Kultur in der Stadt fehlt. „Wir brauchen einen großen Austausch der Kultur“, meint SPD-Kulturpolitiker Axel J. Scherer. Die SPD-Forderung nach einem Zukunftskonzept für die Kultur wurde mit breiter Mehrheit unterstützt.